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Potsdamer Mieterbund: "Jede zweite Betriebskostenabrechnung ist fehlerhaft"

Der Mieterbund erwartet zahlreiche Beschwerden von Potsdamer Mietern, die den Jahresabschluss für ihre Betriebskosten erhalten. Es geht um bis zu 400 Euro.

Potsdam - Jetzt wird abgerechnet: Bis zum Jahresende bekommen die rund 80.000 Potsdamer Mieter Post von ihren Wohnungsverwaltern und Vermietern. Es sind Briefe mit der Nebenkostenabrechnung – und wie alljährlich steht tausendfach Ärger ins Haus. Für den Mieterverein beginnt die Hauptkampfzeit mit Rechtsberatungen, Widersprüchen gegen die Bescheide und Auseinandersetzungen mit widerborstigen Vermietern bis vors Gericht.

Jede zweite Betriebskostenabrechnung ist fehlerhaft“, sagt Rainer Radloff, Vorsitzender des Potsdamer Mieterbunds, „es geht um Beträge zwischen zwölf und 400 Euro zuungunsten unserer Mitglieder.“ Für durchschnittliche Mieter sei es „fast unmöglich, so eine Abrechnung zu lesen, vor allem, wenn noch die Heizkostenabrechnung dazu kommt“.

Der Ärger ist in dem Zahlenwerk sichtbar, das Radloff den PNN vorlegt. Rund 5000 Mitglieder gehören dem Mieterverein Potsdam an, weitere 2500 sind es im Babelsberger Verein. Allein im Zentrum gab es im Vorjahr 5000 für die Mitglieder kostenlose Rechtsberatungen – und in 49,99 Prozent der Fälle, also rund 2500 Gesprächen, ging es um die Betriebskosten; Auseinandersetzungen um Mängel (15 Prozent) und den Mietvertrag an sich (zehn Prozent) liegen weit dahinter.

Viele Fehler finden die Juristen beim Wasser

Der promovierte Jurist Radloff, der auch Vorsitzender des brandenburgischen Landesverbands im Deutschen Mieterbund ist, zählt zu den alten Hasen des Geschäfts. Er führt durch den Dschungel der 17 Betriebskostenarten, die umlegbar sind. Viele Fehler, so Radloff, gebe es bei den sogenannten kalten Betriebskosten für Wasser und Abwasser und bei den warmen wie Heizung und Warmwasser. „Unsere Juristen prüfen das als Erstes, weil es immer um viel Geld geht.“ Manche Mieter bekamen bis zu 400 Euro im Jahr erstattet.

Aber es geht dem Mieterverein nicht nur ums Geld, sondern auch um Gerechtigkeit. Er erstreitet selbst Beträge von 30, 50 oder 100 Euro. „Wenn wir das durchgehen lassen, macht das Schule“, sagt Radloff. Sehen seine Juristen ein Mitglied im Recht, halten sie ihre Bewertung in einem Schreiben fest: „Wenn die Vermieter das sehen, lenken sie zumeist ein. Wir halten uns deswegen für den größten Streitschlichter auf diesem Feld.“

In Potsdam sind Betriebskosten besonders hoch

Wenig ändern kann der Mieterbund daran, dass Potsdam hinsichtlich der Nebenkosten nach Radloffs Angaben „bei den Betriebskosten einen Spitzenplatz in ganz Deutschland hat“. Die seien im Osten generell höher als in den alten Bundesländern „und in Potsdam nochmal ein bisschen teurer“. Im Bundesdurchschnitt müssen Mieter pro Quadratmeter und Monat 2,16 Euro aufwenden, in Potsdam seien es „zwischen 2,30 und in Ausschlägen bis zu drei Euro“.

Die Gründe: Wasser sei unter anderem teuer, weil die Stadt etwa für neue Wohngebiete keine Erschließungsbeiträge nehme, sondern ihre Kosten nur über Verbrauchsgebühren finanziere – also über die Mieter. Im Energiesektor werde, so Radloff, „richtig Geld verdient“, auch beim kommunalen Versorger Energie und Wasser Potsdam. Damit werde vor allem die defizitäre Straßenbahn „quersubventioniert“. Es stelle sich die Frage, „ob das gerecht ist, wenn es überhaupt zulässig ist“. Es sei nicht in Ordnung, „wenn Mieter, die gezwungenermaßen für ihre Fernwärme zahlen und sich nicht für billigere Anbieter entscheiden können, die Tram subventionieren“.

Radloff hat zu dem Gespräch mit den PNN eine Potsdamerin gebeten, die sich seit Jahren gegen ihren Vermieter, ein Münchener Wohnungsunternehmen, und die in Berlin residierende Verwaltung zur Wehr setzt. Sie heißt in diesem Text Frau B., sie wohnt in der Speicherstadt.

Eine Mieterin berichtet von nie erbrachten Leistungen

Frau B. trägt eine lange Mängelliste über das Verhalten ihres Vermieters vor: Kleinere Reparaturen wie das Auswechseln von Lampen würden berechnet, obwohl das rechtlich unzulässig sei. Täglich sollen Verunreinigungen in der Tiefgarage beseitigt werden, vierteljährlich die Mülltonnen mechanisch gereinigt werden, beides geschehe nicht. „Unsere Wärmezähler haben 80.000 Kilowattstunden mehr erfasst als Wärme geliefert wurde“, sagt die pensionierte Bauingenieurin. Dagegen habe sie im Januar Einspruch eingelegt, erst im Oktober habe sie eine wiederum fehlerhafte Abrechnung erhalten.

Tief verärgert ist Frau B. darüber, dass ihr die Einsicht in Verträge, die das Unternehmen mit seinen Dienstleistern geschlossen hat, verweigert wurde. Mieterbund-Mann Radloff beruhigt sie: „Das werden wir einklagen.“ Sie sucht jetzt eine andere Wohnung.

Manche Fälle landen vor Gericht

Mitunter lernen Wohnungsunternehmen erst vor Gericht. Das Amtsgericht Potsdam beschied einem kommunalen Vermieter in einem Urteil vom 15. Mai, Mietern eines Mehrfamilienhauses in der Kiepenheuerallee im Bornstedter Feld Einblick in die Abrechnungsunterlagen unter anderem für die Aufzugsanlagen, die Hausreinigung, die Gartenpflege und diverse Versicherungen zu ermöglichen, der verweigert worden war.

Außerdem wurde der Großvermieter dazu verurteilt, 161,88 Euro an seine Mieter auszuzahlen. Sie hatten die Abrechnung über Warmwasserkosten um 15 Prozent gekürzt, weil das Unternehmen den Verbrauch nicht, wie vorgeschrieben, mit einem Wärmemengenzähler gemessen hatte.

Die Kürzung, entschied das Gericht, geschah völlig zu Recht.

Carsten Holm

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