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Potsdam unter Wasser: Es regnet, es regnet

Potsdam und das Umland kämpfen mit aufgeweichtem Untergrund, Straßen- und Ernteschäden. Doch einige profitieren vom Dauerregen.

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Auf Starkregen folgt Dauerregen. Das extreme Wetter stellt viele Menschen in Potsdam und den umliegenden Gemeinden vor Herausforderungen. Ein Überblick.

Wie viel Regen ist gefallen, wie entwickelt sich die Wetterlage?

Zwar wirkte der Regen, der am Montagabend begann, nicht so dramatisch wie die Sturzfluten von Ende Juni. Doch das trügt: „Wir haben in der Nacht von Montag auf Dienstag 50 bis 70 Liter pro Quadratmeter abbekommen, also das, was normalerweise im ganzen Monat Juli herunterkommt“, sagt der Potsdamer Meteorologe Thomas Endrulat vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Allerdings handele es sich eben nicht um Starkregen, sondern um Dauerregen. Am Dienstag gab es eine kleine Verschnaufpause, aber Endrulat gibt keine Entwarnung: „Wenn das Tief von Thüringen Richtung Polen an uns vorbeizieht, kommt ein ziemlicher Rattenschwanz hinterher.“

Welche Folgen hatte das Wetter bisher in Potsdam?

Trotz der Wassermassen: Die Feuerwehr Potsdam musste in der Nacht von Montag auf Dienstag nur zu sieben Einsätzen ausrücken: „Wir können für die Nacht nicht von einer Ausnahmelage sprechen, es war relativ ruhig“, sagt Schichtleiter Thomas König. Neben umgestürzten Bäumen und vollgelaufenen Kellern wurde am Vormittag auch Wasser vom Dach des Markt-Centers an der Breiten Straße abgepumpt. Doch Thomas Endrulat warnt trotzdem: „Der Boden ist voll mit Wasser – und da regnet es jetzt weiter rauf.“ Problematisch ist etwa die Situation an der Nuthe-Schnellstraße: Der Boden zwischen Friedrich-List-Straße und Neuendorfer Anger ist stark aufgeweicht, dort gibt es Risse in der Fahrbahn sowie Randabsenkungen und eine abbrechende Böschung. „Das Potenzial für eine Unterspülung und ein Abrutschen der Böschung ist auf jeden Fall vorhanden“, sagt Cornelia Mitschka, Sprecherin vom Landesbetrieb Straßenwesen. Dies könne bei anhaltenden Regenfällen auch zur Sperrung der Nuthe-Schnellstraße führen.

Wie war die Lage im Potsdamer Umland?

Vollgelaufene Keller, angehobene Gullydeckel und umgestürzte Bäume – auch im Potsdamer Umland hat der Dauerregen die Einsatzkräfte gestern in Atem gehalten. In Kleinmachnow etwa musste die Freiwillige Feuerwehr eigenen Angaben zufolge 15 Mal wetterbedingt ausrücken. Unter anderem seien zwei Bäume umgestürzt, weil das Erdreich im Bereich der Wurzeln komplett durchgeweicht gewesen sei, berichtete ein Feuerwehrsprecher auf PNN-Nachfrage. Personen oder Fahrzeuge seien dabei aber nicht zu Schaden gekommen. Im benachbarten Teltow fuhr die Feuerwehr nach eigenen Angaben zu zehn Einsätzen. Unter anderem seien die Lichterfelder Allee und die Oderstraße zum Teil überflutet gewesen.

Auch in Stahnsdorf und Werder (Havel) wurde gegen bahnbrechende Fluten gekämpft. Im Stahnsdorfer Ortsteil Schenkenhorst etwa stand nach Angaben der Feuerwehr die Dorfstraße unter Wasser, einige Keller seien vollgelaufen. Auf dem Gelände der Zille-Grundschule mussten zur Entlastung die Zisternen leergepumpt werden, weil das Wasser bereits in die Sporthalle zu fließen drohte. Auch der Hortgarten habe komplett unter Wasser gestanden. In Werder musste die Feuerwehr laut Stadtverwaltung unter anderem die Straßenkreuzung Potsdamer Straße/Am Gutshof trockenlegen. Im Werderpark sei zudem zur Entlastung ein Teil des Wassers in einem Regenauffangbecken an der Straße Am Strengfeld abgepumpt worden, hieß es. Medienberichten zufolge seien rund 100 000 Liter entnommen worden. Eine Meldung des rbb, wonach die Autobahn 10 nahe dem Dreieck Nuthetal 30 Zentimeter tief unter Wasser gestanden haben soll, hat sich allerdings als falsch erwiesen. Wie eine Mitarbeiterin der Bauplanungsgesellschaft Deges, die dort derzeit Bauarbeiten durchführt, den PNN sagte, habe es keinerlei Probleme gegeben. Man habe beim Sender um Korrektur gebeten.

Was passiert mit dem ganzen Wasser?

Das Wasser wird laut einem Sprecher der Potsdamer Stadtwerke zum Teil als Trinkwasser aufbereitet. Der Rest wird in die Havel oder auf Sickerwiesen geleitet.

Was sagen die Landwirte und Obstbauern?

Die genauen Folgen des Regens für die Landwirtschaft sind noch nicht absehbar, sagt Jens Schreinicke, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Potsdam-Mittelmark. Der Roggen sei noch nicht reif und daher weniger betroffen. Da es nicht stürmt, liegen die Halme meist nicht auf dem feuchten Boden. „Den genauen Schaden können wir aber erst abschätzen, wenn die Böden trocken genug für die Erntemaschinen sind“, so Schreinicke. Dabei sind die Unterschiede örtlich allerdings sehr groß: Landwirt Michael Schultz aus Werder, der auf 60 Hektar Fläche Getreide anbaut, spricht vom Verlust der halben Roggenernte. „Die Halme liegen auf dem Boden, die Körner keimen bereits aus.“ Den Roggen könne man so nicht einmal mehr als Futter verkaufen. Ob er überhaupt noch Getreide mit der nötigen Qualität zum Brotbacken ernten kann, sei ungewiss. Laut Walter Kassin vom Werderaner Obst- und Gartenbauverein ist das Obst in der Region hingegen kaum vom Starkregen betroffen. Äpfeln und anderen Obstbäumen mache der Regen nichts aus. Auch auf den Werderaner Wein hat das Wetter dem Weinbauer Manfred Lindicke zufolge keine Auswirkungen. Die Beeren seien noch fest genug und würden nicht platzen. „Zwei Wochen später hätten wir allerdings große Probleme mit dem Regen“, so Lindicke.

Sind die Badeseen durch den Regen verschmutzt?

Brandenburgs Verbraucherschutzministerium zufolge gibt es keine Probleme mit den Seen im Potsdamer Umland. Zwar räumte ein Sprecher ein, dass Starkregen für Verschmutzung und die Bildung von Blaualgen sorgen könne. Das sei aber bisher nicht der Fall. Die Kontrollen der Wasserqualität erfolgten engmaschig und auch beim Starkregen im Juni habe es keine Probleme gegeben. Der Badesaison stehe außer dem Regen nichts im Weg.

Das Wetter sorgt bei einigen auch für gute Geschäfte.

Zum Beispiel bei Baumärkten und Verkäufern von Regenbekleidung. Jan Athmann, Filialleiter des Outdoor-Ladens „Der Aussteiger“, hat nach eigenen Angaben dank Schmuddelwetter schon jetzt so viele Regenjacken und -ponchos verkauft wie sonst in einem ganzen Jahr. „Dafür haben wir weniger Laufkundschaft, weil die Leute lieber im Trockenen bleiben.“ Auch der Baumarkt toom in Potsdam-Babelsberg profitiert vom Regen: „Wir verkaufen zurzeit deutlich mehr Gummistiefel und Regenpumpen als im vergangenen Jahr“, sagt ein Sprecher. Deutlich besser als sonst verkauft sich derzeit auch Anti-Mücken-Spray. Im Rossmann in der Wilhelm-Galerie waren am Montagnachmittag die günstigen Mittel nahezu ausverkauft, obwohl erst am Morgen geliefert wurde. Markenprodukte gab es aber noch. Laut einer Mitarbeiterin werden nahezu täglich neue Sprays bestellt, so einen Andrang habe sie noch nie erlebt. In der Wilhelm-Apotheke war ebenfalls ein Mittel ausverkauft. Noch könnten aber alle Hersteller liefern, so eine Mitarbeiterin. Auch Schwimmbäder profitieren vom schlechten Wetter: Am ersten Juli etwa, einen Tag nach dem Jahrhundertregen, besuchten 2285 Menschen das blu, während die Strandbäder Templin und Babelsberg leer blieben.

Kommen trotz des Regens Touristen?

Gerade für die Campingplätze ist der Regen eine schlechte Nachricht: Viele Gäste sagen ab. Dieter Lübberding, Chef des Campingplatzes Sanssouci, ärgert sich über die Zunahme der Wetterwarnungen, vor allem die, die sich nicht bewahrheiten. „Manche reisen wegen einer Warnung ab und ärgern sich, weil das Unwetter gar nicht kommt.“ (mit mat, eb und juf)

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