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Potsdam: Schorlemmer gegen Garnisonkirche

Die Kritiker des umstrittenen Wiederaufbaus der Garnisonkirche bekommen einen prominenten Unterstützer: den evangelischen Theologen und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer.

Potsdam - Die Initiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ hat jetzt einen Brief des 67-Jährigen veröffentlicht, worin es Schorlemmer begrüßt, dass die Gegner des Wiederaufbaus der Kirche mit ihrer „so problematischen Geschichte“ eine Stimme bekommen. Ein Mitglied der Garnisonkirchen-Gegner, die in Marquardt lebende Friedensaktivistin Hedwig Raskob, hatte Schorlemmer zuvor per Brief auf die Wiederaufbau-Debatte in Potsdam aufmerksam gemacht und ihn um eine Meinungsäußerung gebeten.

Den PNN sagte Schorlemmer am Dienstag auf Anfrage, die Garnisonkirche sei als Symbol untrennbar mit dem „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 verbunden. Die „braune Asche“ lasse sich nicht von der Kirche abwaschen. Bekanntlich hatten damals die Nationalsozialisten anlässlich der Feier zur Eröffnung des kurz zuvor gewählten deutschen Reichstages in der Residenzstadt der preußischen Könige die Vereinigung des national-konservativen Lagers um Reichspräsident Hindenburg mit der NSDAP von Reichskanzler Hitler inszeniert. Hitler verbeugte sich an der Garnisonkirche vor Hindenburg, ein Foto davon ging um die Welt.

Schorlemmer sagte, die Kirche sei angesichts ihrer Geschichte mit dem „Ungeist von Potsdam verbunden“. An diesem Ort habe es einen Schulterschluss des Militärs, des Bürgertums, der Kirchen und des braunen Mobs gegeben. Dies sei ein Signal gewesen, aus dem sich ein „Zustimmungssog“ für die NS-Herrschaft ergeben habe. Wegen der Symbolik müsse die Frage gestellt werden, ob das nötige Geld „nicht auch für andere Sachen ausgegeben werden kann“. Es sei ihm auch nicht bekannt, dass die Gotteshäuser in Potsdam zu wenige freie Bänke hätten, sodass noch eine neue Kirche benötigt würde, so Schorlemmer. Insofern wünsche er sich allgemein größere Anstrengungen, dass mehr Menschen in die Kirchen kämen, statt einen „teuren Symbolort“ zu schaffen. Schorlemmer sagte auch, es gäbe aus seiner Sicht auch keinen Bedarf für noch einen weiteren Gedenkort für die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 – mehrere der dabei beteiligten Offiziere waren Mitglied in der Garnisonkirchengemeinde. Zudem seien viele der Verschwörer erst nach der Niederlage bei Stalingrad zu Gegnern von Hitler geworden. Den Kritikern des Wiederaufbaus der Kirche wünschte Schorlemmer in seinem Schreiben, bei aller Emotionalität die Sachlichkeit zu wahren: „Was nicht heißt, dass man nicht auch entschieden sein ,Nein’ sagen kann.“

Für Hedwig Raskob ist der Brief Schorlemmers erfreulich. Die 75-Jährige hat kritische Briefe zu den Plänen zur Garnisonkirche auch an andere bekannte Theologen geschickt, etwa an die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, gesendet. „Ihr Büro schrieb zurück, sie habe keine Zeit, sich mit der Frage zu befassen.“ Auch dem früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, jetzt Ehrenkurator der Garnisonkirchenstiftung, sendete sie einen Brief. „Herr Schorlemmer war nun der erste, der positiv reagiert hat“, sagte Raskob gegenüber den PNN. Sie zweifle daran, ob die Garnisonkirche tatsächlich wie angekündigt als Versöhnungszentrum genutzt werde. Mehrere Punkte in dem Projekte seien aus ihrer Sicht „Zeugnisse militärischen Geistes“.

Seit Monaten wird wieder heftig über das Bauvorhaben diskutiert. Anfang Februar hatte Landeskonservator Detlef Karg beklagt, dass sich die dass sich die evangelische Kirche „mit beträchtlichen Mitteln“ am Wiederaufbau beteiligen wolle, während anderswo Gotteshäuser verfallen würden. Dies hatte die Landeskirche zurückgewiesen. Für Aufsehen hatte zuletzt Peter Leinemann vom Verwaltungsvorstand der Stiftung Garnisonkirche gesorgt: Er hatte vorgeschlagen, ein Drittel der Baukosten von 100 Millionen Euro mit öffentlichen Geldern abzudecken. Dabei war jahrelang versichert worden, dass die Kosten ausschließlich aus Spenden finanziert werden sollen. Zumindest Stadt und Land wolle man aber nicht mehr fragen, bestätigte gestern ein Sprecher von Altbischof Wolfgang Huber, der dem Kuratorium der Garnisonkirchenstiftung vorsitzt. Allerdings gebe es noch andere öffentliche Fördermittelquellen außer in Potsdam, so der Sprecher. Huber hatte zuletzt angeregt, die Kirche könne zu einem Ort werden, an dem „in einer besonderen Form an diejenigen erinnert wird, die in Bundeswehreinsätzen der neueren Zeit ums Leben gekommen sind“.

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