zum Hauptinhalt

Potsdam: Royale Gaumenfreuden

Was kam bei Wilhelm I. auf den Teller? Im Schloss Babelsberg gab eine Expertin am Sonntag einen Einblick.

Potsdam - Von einem fürstlichen Mahl ist bisweilen die Rede, wenn von einem opulenten Essen berichtet wird. Vorzügliche Speisen, kredenzt in bezauberndem Ambiente, dazu eine gepflegte Konversation: Ein wirklich fürstliches Mahl ist gewissermaßen Kunst. Ein Hochfest für die Geschmacksknospen. Dazu ein Augenschmaus.

Ein solch fantastisches Erlebnis für die Sinne mag im Juli 1864 die preußische First Lady Augusta, Gattin von König Wilhelm I. (Kaiser wurde er erst später) gehabt haben, als sie von Babelsberg aus kommend Fürst Pückler auf Schloss Branitz besuchte. Jenen Hermann von Pückler-Muskau, der Jahre zuvor für Augusta und Wilhelm den Park Babelsberg aus den Lennéschen Anfängen heraus weiterentwickelt hatte, indem er den Hügel an der Havel mit einem Kleid fein austarierter Gehölzgruppen, prachtvollen Blumenrabatten, lieblichen Wasserspielen und einem ausgeklügelten Wegenetz überzog.

Nun also im Juli 1864 hatte die Königin ihr geliebtes Schloss Babelsberg für einen Kurztrip in die Lausitz verlassen, um dort Pückler einen Besuch abzustatten. Und der Gastgeber wiederum ließ sich nicht lumpen. Er wartete mit einem in jeder Hinsicht fürstlichen Mahl auf.

Davon, was damals auf dem Speiseplan stand, berichtete am Sonntag im Tanzsaal des Schlosses Babelsberg die Berliner Kunsthistorikerin Marina Heilmeyer in ihrem Vortrag „Kochen für den König“. Darin betrachtete sie die höfische Kochkunst in der Zeit von Wilhelm I. und seiner Gemahlin Augusta. Heilmeyers Forschungen zufolge empfing Pückler seinen hohen Besuch aus Babelsberg mit einem Zehn-Gänge-Menü. Die Suppen zur Auswahl waren rot oder grün, scharf oder mild. Dazu gab es „als erstes Getränk ein Glas vom feinsten goldenen und weichen Pale Sherry aus Andalusien“, wie Heilmeyer schilderte. Einer der Gänge in der Speisenfolge war der Karpfen à la Chambord, benannt nach einem Schloss an der Loire in Frankreich. Der Fisch wurde für diese Art der Zubereitung gehäutet serviert und mit Trüffeln, Aal und Karotten gespickt. Als ob dies nicht schon genug Vielfalt für die Geschmacksnerven wäre, drapierte man um den Fisch herum weitere Köstlichkeiten. In einem Abstand von vier bis fünf Zentimetern lagen rote Krebse. Die Zwischenräume wurden Heilmeyer zufolge wechselweise mit folgenden Delikatessen gefüllt: Trüffelscheiben, Kalbsbröschen – dabei handelt es sich um die fein angerichtete Thymusdrüse des Kalbs –, Champignons, gebackene Karpfenmilch, Fischklößchen sowie gar Hahnenkämme.

Und damit nicht etwa Langeweile im royalen Gaumen aufkommt: In weiteren Gängen des Menüs ließ Pückler unter anderem eine Gänseleberpastete, Reh, Fasan, Erbsen und Bohnen auftischen. Es folgten eine Ananascreme und ein Weingelee à la Richelieu, aber erstaunlicherweise auch Pumpernickel und – ganz bodenständig – Radieschen. Augusta jedenfalls scheint es gefallen zu haben. Kunsthistorikerin Heilmeyer zitierte am Sonntag aus dem Tagebuch von Gastgeber Pückler: Er habe Augusta nie „froher und zufriedener“ gesehen, schreibt der Fürst. Und die Königin selbst berichtet ihrem in Karlsbad weilenden Gatten in einem Brief: „Wir hatten das beste Diner deß ich mich seit langem erinnern kann beim Fürsten gleich nach der Ankunft.“

Doch nicht nur Pückler hatte offenkundig gutes Personal in der Küche. Wilhelm I. bediente sich eines weit gereisten Kochs, der aus Frankreich stammte: Urbain Dubois, damals auch als Autor mehrerer Kochbücher bekannt, hatte als Chefkoch ab 1857 in den Diensten des russischen Prinzen Orlov in St. Petersburg gestanden. Um 1860 kam Dubois an den preußischen Hof. Ein Höhepunkt seiner Tätigkeit: Die Zubereitung des festlichen Mahls anlässlich der Krönung Wilhelms I. zum preußischen König am 18. Oktober 1861 in Königsberg. Trüffel, Lachs, Rind, Hummer und vieles mehr erfreuten damals die adlige Gesellschaft, wie die erhalten gebliebene Menükarte verrät.

Dubois ließ sich auch von der Kochkunst anderer Länder inspirieren. So empfahl er etwa, Hummer und Schinken aus Amerika und begeisterte sich für die amerikanische Küche. In sein Buch „Küche aller Länder“ nahm er jedoch auch Rezepte auf, die in Berlin und Potsdam einen Anklang haben, wie die Berliner Biersuppe oder den Pudding à la Sanssouci, „eine Köstlichkeit aus Butter, Sahne und Äpfeln“, wie Heilmeyer verriet.

Mit Ausbruch des deutsch-französischen Krieges kehrte Dubois nach Frankreich zurück, aber schon 1871 stand er wieder in Berliner Diensten und kochte weiter für Wilhelm I. Für die Rückkehr Dubois' nach Berlin hatte der französische Journalist Victor Tissot damals folgende Erklärung: „Nach dem Kriege 1870/71 war seine Majestät gezwungen, sich mit der deutschen Kochkunst zu bescheiden, aber sein Magen revoltierte gegen dieses Übermaß an Patriotismus so entschieden, dass man Herrn Dubois bat, an die kaiserlichen Kochherde zurückzukehren.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false