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Baumblütenfest in Werder/Havel: Vereiste Blütenträume

Die Bilanz nach Werders Baumblütenfest fällt durchwachsen aus: Die Bürgermeisterin verbreitet zwar trotz des miesen Wetters Zufriedenheit. Doch die Obstbauern klagen über Besuchermangel.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Der Regen und die Kälte der vergangenen Tage haben den Obstbauern auf dem am gestrigen Sonntag zu Ende gegangenen Werderaner Baumblütenfest zu schaffen gemacht. Die Plantage von Obstbauer Stefan Lindicke nahe des Obstpanoramaweges besuchten nur 60 bis 70 Prozent der Gäste aus dem Vorjahr. „Wir hatten nur zwei schöne Tage, den 30. April und den 6. Mai“, sagte Lindicke gegenüber den PNN. Zwar schien auch am gestrigen Sonntag die Sonne. Am letzten Tag des neuntägigen Festes kämen traditionell aber wenige Besucher. Dienstag und Donnerstag habe es durchgeregnet, Reisegruppen, die sonst zum Kaffee auf die Plantagen kommen, seien weggeblieben. Auch in seinen Garten am Hohen Weg auf dem Festgelände seien weniger Gäste gekommen. 

Die Obstbauern hofften wegen der Frostverluste auf Einnahmen durch die Besucher

Zwar sei die Festmeile in der Stadt auch bei schlechtem Wetter gut besucht gewesen, doch blieben die Gäste angesichts der Temperaturen und des Windes weniger in den Obstgärten sitzen. „Dabei hätten wir die Einnahmen jetzt stärker gebraucht als im Vorjahr, da viele Blüten erfroren sind“, so Lindicke. Er hofft, den übrig gebliebenen Obstwein im Laufe des Jahres in seinem Hofladen verkaufen zu können.

Offizielle Besucherzahlen des Baumblütenfestes werden nicht erhoben. Laut Bundespolizei sind bis zum Samstagabend 71 000 Besucher per Bahn nach Werder gefahren. Am Sonntag wurden bis zum Abend noch einmal 6000 Fahrgäste erwartet, genaue Zahlen gab es am Abend noch nicht. Im Vorjahr kamen insgesamt 76 200 Festgäste per Bahn zur Blütenstadt. Die somit wohl ähnlichen Reisendenzahlen bedeuten nicht, dass tatsächlich genauso viele Besucher wie im Vorjahr in die Innenstadt gekommen sind – womöglich sind nur mehr Festgäste dem dringenden Aufruf der Stadt gefolgt, nicht mit dem Auto anzureisen. Wie viele Gäste per Bus und Schiff nach Werder gekommen sind, blieb gestern unklar. Die Geschäftsführer der Weissen Flotte und von regiobus Potsdam Mittelmark waren gestern nicht erreichbar.

Die Bürgermeisterin zieht trotz des Wetters eine positive Bilanz 

Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) zeigte sich mit dem Festverlauf trotzdem zufrieden. „Die Händler an der Festmeile, mit denen ich gesprochen habe, waren trotz einiger schwacher Wochentage mit dem Verlauf zufrieden und auch die Plantagen unserer Obstbauern waren zumindest an den Wochenenden gut besucht“, so Saß.

Toni Geißhirt, der sieben Obstweinstände hauptsächlich in der Innenstadt betreibt, bestätigt die Einschätzung der Bürgermeisterin und spricht von ähnlichem Andrang wie im Vorjahr. Da er zwei Stände mehr als 2016 betreibt, könne er die Zahlen nicht genau vergleichen. „Ich bin aber zufrieden“, so Geißhirt gegenüber den PNN.

Bis Sonntagmittag stellte die Polizei 270 "volksfesttypische" Straftaten fest

Die in diesem Jahr erstmals eingesetzten zusätzlichen Sperrungen – an mehreren Punkten standen Radpanzer der Polizei, die angesichts der zurückliegenden Terroranschläge ein Durchfahren von Lastwagen ins Festgelände verhindern sollten – sind der Bürgermeisterin zufolge durchweg auf Verständnis gestoßen. Die volksfesttypischen Straftaten, die es dennoch gegeben habe, müssten ins Verhältnis zum Besucherandrang gesetzt werden. Bis Sonntagmittag wurden 270 Strafanzeigen aufgenommen, die meisten wegen Körperverletzung, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Beleidigungen. Mehrere Anzeigen gab es auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, konkret das Zeigen von Hitlergrüßen.

Im vergangenen Jahr waren bis Sonntagmittag 179 Straftaten gemeldet worden, in den ersten Wochen nach dem Fest waren jedoch weitere hinzugekommen. Eine genaue Bilanz gibt es in einigen Tagen, wenn alle Straftaten erfasst sind.

Die Polizei erteilte häufiger Platzverweise

Gestiegen ist indessen die Zahl der Platzverweise. Bis Samstagabend wurden 248 Menschen des Geländes verwiesen. Im Vorjahr waren es 203, im Jahr 2015 allerdings noch 280. Polizeidirektor Karsten Schiewe hält den Festablauf für gelungen. „Die Besucher konnten auch in diesem Jahr wieder ein schönes Familienfest genießen. Aus polizeilicher Sicht verlief das Fest weitestgehend ruhig und friedlich.“

Bei der Bundespolizei, die für Zwischenfälle an Bahnhöfen und in Zügen zuständig ist, sind 75 Straftaten aufgenommen worden. Das bestätigte ihr Sprecher Jens Schobranski den PNN. Dabei handele es sich um „typische Sachverhalte“ wie Körperverletzung, Diebstahl oder Widerstand gegen Beamte. Schwerverletzte seien ihm nicht bekannt.

Nur 20 Prozent der Plätze im Obstgarten auf der Insel besetzt

Gegenüber der Deutschen Presseagentur sprach Bürgermeisterin Saß gestern davon, dass immer mehr Gäste statt in die Innenstadt auf die Obsthöfe in den Plantagen gehen. Was in den Vorjahren durchaus zutreffend war, ist in diesem Jahr offenbar aber nicht der Fall, wie neben Stefan Lindicke auch Walter Kassin bestätigt. Er ist der Vorsitzende des Werderaner Obst- und Gartenbauvereines. Zwar seien die Besucherzahlen im Verhältnis zum schlechten Wetter noch gut. „Mit denen des Vorjahres sind sie aber nicht zu vergleichen“, so Kassin gegenüber den PNN. Etwa alle sieben Jahre gebe es so schlechtes Wetter zum Fest.

Frank Wache, der auf der Insel einen Obstgarten hat und dort seit Jahren Wein ausschenkt, kann sich aber nicht daran erinnern, dass ein Fest schon einmal bei so niedrigen Temperaturen angefangen hat. Besonders der 1. Mai sei schwierig gewesen. „Es war eiskalt und der Wind kam aus Osten, da waren nur 20 Prozent unserer Plätze besetzt.“ Auch Wache hatte insgesamt weniger Besucher als im Vorjahr und hofft nun, den übrigen Obstwein im Sommer zur 700-Jahr-Feier der Stadt verkaufen zu können.

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