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Seit 1994 nutzt die Feuerwehr das Depot, das einst ein Kutschstall war.

© A. Klaer

Feuerwehr in Stahnsdorf: Unhaltbare Zustände

Die tote Ratte im Stiefel eines Feuerwehrmannes hat die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Zustände bei der Stahnsdorfer Feuerwehr gelenkt. Ein Streifzug durch die Ekel-Wache.

Von Eva Schmid

Stahnsdorf - Der Pieper klingelt, Sebastian Diwiszek schnappt die Autoschlüssel und fährt zum Einsatz in die Stahnsdorfer Feuerwache. Am Dorfplatz angekommen stehen im Hof der Freiwilligen Feuerwehr die Autos kreuz und quer – es gibt nur sieben offizielle Parkplätze. An einem normalen Einsatz sind aber im Durchschnitt etwa 15 Retter beteiligt.

In der Fahrzeughalle geht das Gedränge weiter, direkt hinter den Löschfahrzeugen ziehen sich die Einsatzkräfte um, eine Umkleide gibt es nicht. Werden die Motoren der Einsatzwagen gestartet, stehen die Feuerwehrmänner im Dieseldunst. Auch eine Anlage, um die Abgase abzusaugen, gibt nicht. Dazu kommt die Angst der Einsatzkräfte, in ihren hohen schwarzen Stiefeln Ungeziefer, Mäuse oder Ratten zu finden. Vor jedem Ausrücken geht das so, sagt der 34-jährige Feuerwehrchef Diwiszek.

Tote Ratte im Stiefel gefunden

Die Zustände im Stahnsdorfer Depot sind katastrophal: Der jüngste Fund einer toten Ratte in einem Stiefel (PNN berichteten) war nur die Spitze des Eisberges. Die Rattenplage glaubte man dank Kammerjäger im Griff zu haben. Mit den vielen anderen Widrigkeiten müssen die 50 ehrenamtlichen Retter aber weiterhin leben. Der Feuerwehrchef lacht, als er nach den Mängeln in der Wache gefragt wird: „Ich sage Ihnen lieber was funktioniert, das geht schneller.“

Diwiszek bittet auf dem Rundgang durch das Depot zuerst in den Schulungsraum. Achtung, nicht stolpern, sagt er beim Hineingehen. Hinter der Türschwelle klafft eine tellergroße Kuhle im Boden. Stolperfallen gibt es viele in der Wache. Eine der größten und gefährlichsten ist derzeit ein wackliger Treppenabsatz. Wenn die Kollegen in Eile die Treppe rauf- und runterrennen, dann wackelt der schwere Steinabsatz gefährlich. Zieht man fest das Geländer nach oben, löst sich leicht die Treppenstufe.

„Ich weiß nicht was passieren würde, wenn hier mal die Bauaufsicht vorbeikommt“, sagt Diwiszek. Bisher kam sie noch nicht, nur die Mitarbeiter aus dem Stahnsdorfer Rathaus: „Und die kamen auch nur, wenn wir sie darum gebeten haben.“ Bei einem der letzten Verwaltungsbesuche wurde eine der auf dem ehemaligen Vierseitenhof stehenden Garagen verriegelt. Keiner dürfe da mehr rein, Einsturzgefahr. Danach hatte man dann noch weniger Platz.

Feruerwehrgebäude in Stahnsdorf: Die Balken hängen durch

Weiter mit der Besichtigungstour, jetzt geht es in die Fahrzeughalle. Der Feuerwehrchef schaut an die Decke, die Balken hängen durch. „Die hintere Wand, an der unsere Garderobe angebracht ist, haben wir selber eingezogen.“ Von der ursprünglichen Wand sei der Putz ständig abgebröckelt, vor jedem Einsatz mussten die Putzreste aus den Stiefeln geklopft werden. Überhaupt die fehlende Umkleide mache den Einsatzkräften viel Arbeit. „Wenn wir von Einsätzen kommen, zum Teil schwer verrußt oder mit Blut an unserer Ausrüstung, dann kommt das alles auch auf unsere Privatkleidung“, sagt Diwiszek. Laut der DIN für Feuerwehrhäuser, einem Regelwerk, auf das sich vor allem die Unfallkasse bezieht, ist das verboten. Die Feuerwehranzüge dürfen nicht mit Privatkleidung in Kontakt kommen. Nicht nur die Kleidung ist nach Einsätzen dreckig, die Einsatzkräfte kommen auch verschwitzt und ungeduscht nach Hause. Für 50 Einsatzkräfte gibt es nur eine Dusche.

Trotz der unzumutbaren Zustände seien die Kollegen nach wie vor motiviert, „ich weiß aber nicht mehr, wie lange noch“, sagt der Feuerwehrchef. Zu 223 Einsätzen sei man im vergangenen Jahr ausgerückt, die Stahnsdorfer Feuerwehr werde gebraucht. „Und wir haben eine Ausrückzeit von vier bis fünf Minuten“, sagt Diwiszek stolz. Das sei gut, besonders wenn man wüsste, wie eng und chaotisch es vor dem Ausrücken zuginge. „Da stehen wir uns schon mal auf den Füßen, schubsen uns weg.“ Die Platznot führe auch zu Spannungen im Team. Bisher habe man die zum Glück immer abbauen können.

Noch wurde keiner von einer Biene gestochen

Überhaupt hätte man oft Glück: So sei noch keiner der Retter von Bienen gestochen worden. Die Feuerwehrmänner vermuten, dass sich die Bienen in den unzähligen Löchern im Mauerwerk eingenistet haben. Im Sommer schwirrten die Bienen in Scharen in einer der Garagen. Einst hätten sie sich auch in ein Martinshorn eingenistet. Der Defekt am Horn, aus dem kein Ton mehr kam, sei zum Glück bei einer Übung aufgefallen.

Weniger Glück jedoch haben die Stahnsdorfer Retter mit der Kommunalpolitik: Seit fünf Jahren kann die sich nicht auf einen neuen Standort einigen. Enttäuscht, verdrossen sei man, sagt Diwiszek. „Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Ihm wurde gesagt, dass es auf der kommenden Gemeindevertretersitzung Ende Februar eine Beschlussvorlage geben solle. Es ist mal wieder ein neuer Vorstoß. Im Hauptausschuss am vergangenen Mittwoch gab es dazu aber noch nichts. Auf Nachfrage bei den Fraktionen, welchen Standort sie favorisieren würden, kam erneut ein gemischtes Meinungsbild heraus. Ginge es nach der Feuerwehr, der Wählergruppe „Bürger für Bürger“ und den Grünen soll die neue Wache neben das Rathaus in die Annastraße. Dort bestehe Baurecht, der Neubau könne womöglich mit einem aktuellen Förderprogramm des Landes um bis zu 60 Prozent gefördert werden.

Thema für den Wahlkampf?

Die Gegner dieser Lösung wollen keine Wache in einem Wohngebiet, zudem wurde der Standort dem Landkreis für einen Schulneubau angeboten. Die anderen Stahnsdorfer Fraktionen sehen die neue Wache im Gewerbegebiet, Ruhlsdorferstraße oder am Güterfelder Damm, gegenüber von Edeka. Das Thema könnte zum dominierenden Wahlkampfthema werden. Wenn Diwiszek das hört, winkt er resigniert ab. Von der Kommunalpolitik sei er enttäuscht. Vielleicht müsste die Feuerwehr einfach mal streiken.

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Die Feuerwehrleute haben weder die typischen Stahnsdorfer Ränkespiele verdient noch das Rattenloch, in dem sie inzwischen hausen. Ein Kommentar >>

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