zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Sonnenblumen sollen den Kreislauf schließen

In der Agrar GbR Schmidt & Frenzel versuchen zwei Landwirte, ein einfallsreiches Projekt voranzutreiben – doch massive Ernteausfälle werfen sie weit zurück

In der Agrar GbR Schmidt & Frenzel versuchen zwei Landwirte, ein einfallsreiches Projekt voranzutreiben – doch massive Ernteausfälle werfen sie weit zurück Von Michael Kaczmarek Beelitz-Wittbrietzen. Nachdenklich sitzt Jürgen Frenzel am eingedeckten Tisch und hört zu, wie sein Kollege Jörg Schmidt mit Bekannten und Mitarbeitern den Besuch von Ministerpräsident Matthias Platzeck auf dem eigenen Hof auswertet. Der Empfang ist vorbei, der Kaffee noch heiß und die belegten Brötchen schmücken noch den Tisch vor dem Büro der Agrar GbR Schmidt & Frenzel in Wittbrietzen. Haben wir auch alle Probleme deutlich genug angesprochen? Wird es etwas bringen? Frenzel ist sich nicht ganz sicher. „Naja, wir haben vorher unsere Rede immer wieder trainiert und entschieden, dass Jörg sprechen wird, weil er engagierter auftritt“, sagt Frenzel über den Mitinhaber der Gesellschaft. Tatsächlich gab es viele Probleme, die sie beim Landeschef loswerden wollten, denn der Betrieb kämpft sich mit seinen 23 Mitarbeitern und neun Lehrlingen durch harte Zeiten. 250000 Euro Verlust mussten die beiden Landwirte nach der Nässe im letzten Jahr verkraften, und in diesem Jahr bringt die Hitze gar ein Minus von einer halben Million Euro. Diese Misere lässt ein einfallsreiches Projekt wieder etwas in die Ferne rücken. Vor acht Jahren kam Frenzel auf die Idee, einen Kreislauf aufzubauen, in dem sich Boden, Pflanzen und Tiere auf dem eigenen Standort versorgen lassen, ohne dass viel Energie in das System eingebracht wird. Das heißt, dass auf dem Boden genügend Grün und Pflanzen gedeihen müssen, um die 555 Kühe zu versorgen, die wiederum den Acker düngen. Damit die Kühe jährlich 10000 Liter Milch pro Kuh liefern, brauchen sie eine Menge Eiweiß. Bisher wird zugekauftes Soja gefüttert. Doch warum Soja importieren, wenn Sonnenblumen auf den eigenen Ackern stehen? Sonnenblumen sind eiweißreich und gedeihen in Sonnenschein-verwöhnten Regionen wie der Mittelmark besser als an den meisten Standorten in Deutschland. Um Sonnenblumenkerne effektiv zu nutzen, müssen sie allerdings geschält werden. Aus den Kernen ließe sich hochwertiges, keimfreies Sonnenblumenöl herstellen. Die eiweißreichen Restbestände, der sogenannte Presskuchen, würde das Tierfutter liefern. Zum Trennen der Bestandteile gibt es moderne Schäl- und Pressmaschinen. Den angestrebten biologischen Kreislauf zu schließen, scheiterte bisher aber an einem zweiten, dem finanziellen Kreislauf des Agrarbetriebes. Denn statt des erhofften Wachstums gab es immer wieder Krisen und Rückschläge. Begonnen hat alles am 1. Dezember 1991: Die einstigen LPG-Genossenschaftler Frenzel und Schmidt gründeten aus dem ehemaligen LPG-Betrieb ihre Agrar GbR, stellten 14 Mitarbeiter ein und wurden 1992 gleich zweimal hart getroffen. Zum einen wurde der ursprüngliche Kaufpreis nach einer Neubewertung überraschend fast verdoppelt. Doch da schon viele Verträge abgeschlossen wurden, gab es kein Zurück mehr. Es kam noch schlimmer, denn die Banken gaben keine Kredite und die Trockenheit vernichtete 1992 den Großteil der Ernte. Die harten Zeiten zwangen Frenzel, Schmidt und deren Familien und die Mitarbeiter zu extremer Sparsamkeit. Dann kam die Dürrehilfe und damit der Durchbruch. Sie kauften das Grundstück, auf dem die heutigen Kuhställe und die immensen Scheunen stehen. Plötzlich stritten sich die Banken, den Landwirten Kredite zu gewähren und es konnte ordentlich investiert werden. „Wir mussten ja auch viel Geld in das Unternehmen stecken, aber im Nachhinein war es vielleicht sogar zu viel.“ Aus den ehemaligen Schweineställen wurden Kuhställe. „Wir haben uns gedacht, dass die Kühe sich am wohlsten fühlen, wenn in dem Stall ähnliche Bedingungen herrschen wie draußen“, so Frenzel. Von den alten Stallanlagen blieben also nur die Pfeiler samt Dächer übrig. Dazu kamen noch ein Drahtschutz gegen Vögel und eine Plane gegen Wind. Das Geschäft mit den Kühen, deren Milch und dem Getreide auf den insgesamt über 2000 Hektar Land lief gut und erreichte 2001 seinen bisherigen Höhepunkt. 36 Angestellte waren bei der Agrar GbR in Lohn und Brot, davon auch viele Handwerker, die ein modernes Melkhaus aufbauten, in das Frenzel und Schmidt 1,2 Millionen Euro investierten. Doch 2002 stand der Hof plötzlich einen halben Meter unter Wasser und die Ernte versank im Dreck. Da der Verlust mit 22 Prozent am Betriebsergebnis unter der Richtlinie von 30 Prozent blieb, gab es keine Ausgleichszahlungen. Dieses Jahr sieht es „besser“ aus: Ein Minus von 35 Prozent bei der Rapsernte und ein Ernteausfall von über 50 Prozent beim Getreide, lässt Frenzel hoffen, dass der Betrieb diesmal auch etwas von den 30 Millionen Euro Hilfszahlungen abbekommt. „Soweit unten, wie wir zur Zeit sind, waren wir noch nie“, sagt der Landwirt. Erstmalig seit 13 Jahren werde man einige Angestellte in Kurzarbeit schicken müssen. An neue Investitionen in eine Schäl- und Pressmaschine für Sonnenblumenkerne ist dabei kaum zu denken. Oder vielleicht doch? „Die Hoffnung stirbt immer zuletzt“, motiviert sich Frenzel. Um die neue Technik besser kennen zu lernen, haben sich die Landwirte bereits in einer Ölmühle bei Magdeburg umgeschaut, wie dort die Kerne geschält werden. Im Spreewald sahen sie zu, wie Hafer die Schale verliert. „Doch niemand wollte so richtig über Einzelheiten mit der Sprache rausrücken“, sagt Frenzel. All die großen und kleinen Probleme wurden dem Landesvater Platzeck geschildert. „Hoffentlich weiß er, wieviel für uns davon abhängt“, meint Jörg Schmidt über den Tisch hinweg. Nach einigen Zwangsverschiebungen ist nun geplant, das Projekt in zwei Jahren umzusetzen. Wenn es nicht wieder ein Hochwasser gibt – oder eine Dürre wie in diesem Jahr.

Michael Kaczmarek

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false