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KulTOUR: Schnee von morgen

Konzert mit visionärer Rückschau in Kleinmachnow

Kleinmachnow - Silvesterfreud’ mit Sekt und Spaß und guter Laune ist nun schon wieder Schnee von gestern. Lohnt es sich da, noch einmal zurückzuschauen, wo doch kein Mensch weiß, wo der vergangene Tag eigentlich geblieben ist? Beim traditionellen Jahresabschlusskonzert im Kleinmachnower Bürgerhaus mit Camerata Potsdam ging man deshalb vorsorglich ganz andere Wege. Den letzten Stunden des alten Jahres war eine visionäre Rückschau auf das Jahr 2015 gewidmet, wie sie das Publikum noch nie gehört haben konnte.

Oder wusste einer im ausverkauften Bürgersaal, dass die Merkel mit dem Gabriel durchgebrannt, aber in Putin verliebt ist? Oder dass Conchita Wurst aus gutem Grund zum Gleichstellungsbeauftragten der EU ernannt wurde? Eben, dies und vieles andere steht dem armen Wahlbürger jetzt als Schnee von morgen bevor. Auch das mysteriöse Verschwinden von Joachim Löw im „fußballfreien Jahr 2015“. Mitzuteilen hatten dies zwei Berliner Solisten, die zugleich eine glanzvoll-heitere, wenn auch nicht immer bis zur letzten Silbe verständliche Moderation hinlegten, die Sopranistin Cornelia Zerm und der kraftvolle Bariton Felix Bruder. Schön, dass es noch Leute gibt, die sich trauen, richtig brisante Themen wie den Gender-Wahn anzusprechen!

Musikalisch war diese Gala bei Camerata gut aufgehoben. Es ging ja schon ganz frisch und programmatisch mit der „Europa-Fanfare“ von Marc-Antoine Charpentier los. Dann folgte ein Satz aus Mozarts Divertimento D-Dur, Figaros berühmtes „largo al factotum“ aus Rossinis „Barbier von Sevilla“, Auszüge auf Operetten von Lehar („Lippen schweigen“) und der „Goldarie“ aus Beethovens „Fidelio“, wobei hier „Gold“ durch „Wein“ ersetzt wurde, gute Idee zum Ultimo! Zu Offenbachs berühmtem „Cancan“ tanzte Felix Bruder mit kurzem Röckchen einmal vorne um die Bühne herum, toll, wenn jemand nicht den Bier-Ernst intus hat.

Solo-Arien, Duette, Instrumentalstücke – irgendwie ging es immer nur um das eine, um die Liebe im und zum Herzen, was das überwiegend ältere Publikum im ausverkauften Saal sichtbar berührte. Von Straussens „Tritsch Tratsch-Polka“ bis zu Jakob Gades „Dänischer Jalousie“ war alles dabei. Man hatte den Eindruck, als formten sich die musikalischen und die moderierten Anteile zu einem glücklichen Ganzen, eine Balance von Niveau! Dazu trugen auch die Ensemble-Gäste Ingo Stelzer (Saxophon, Flöte, Klavier) und Sebastian Weiss (Piano) mit Benny Goodmans „Stompin’ at the Savoy“ und Georges Gershwins „Fascinating Rhythm“ bei. Schöne Solopartien gab es darin für Saxophon und den Flügel, guter Applaus.

Da Cornelia Zerm, Felix Bruder und die Camerata Potsdam eigentlich schon Stammgäste im Rathaussaal sind, verwöhnt man ihr Stammpublikum an gleicher Stelle jedes Jahr mit einem neuen Programm, das ist man ihm schuldig. Zum Schluss des etwa 90-minütigen Programms bekamen alle Ausführenden von der Moderation ein Gläschen Sekt, vom Haus einen Strauß, die Welt einen Gruß („damit 2015 bloß nichts aus dem Ruder läuft“) des Friedens, das Publikum aber Zugaben wie „Eine Frau wird erst schön durch die Liebe“ oder „Es muss was Wunderbares sein ...“ der ganz sentimentalen Art, gut fürs Gemüt.

Fußball-Löw verschollen, die Frau Merkel im Schnee von morgen verwirrt, Bayern aus der EU ausgetreten. Ja, gab es 2015 denn gar keine gute Meldung? Doch, eine: „Der Papst ist noch ledig!“ Na dann: Prosit Neujahr! Gerold Paul

Gerold Paul

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