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KulTOUR: „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“

Werder (Havel) - Es ist schon merkwürdig mit den Leuten, mit Knallern und mit Freuden begrüßen sie das neue Jahr, und wollen doch auch rückwärts schauen, ach damals, damals. Hatte es nicht vor mehr als fünfzig Jahren einen Schlager/Ost dieses Namens gegeben, von einer gewissen Bärbel Wachholz mit Herz und Schmalz gesungen?

Werder (Havel) - Es ist schon merkwürdig mit den Leuten, mit Knallern und mit Freuden begrüßen sie das neue Jahr, und wollen doch auch rückwärts schauen, ach damals, damals. Hatte es nicht vor mehr als fünfzig Jahren einen Schlager/Ost dieses Namens gegeben, von einer gewissen Bärbel Wachholz mit Herz und Schmalz gesungen? Rainer Sommer ist zwar nicht die Bärbel, dennoch sang er zum Petzower Silvesterkonzert ihr unvergessenes Lied auf ähnliche Art. Der dortige Heimatverein als Veranstalter war sichtlich stolz, ihn und seine Mannen, besser bekannt als „Metropolitan Swing Quartett“, auf den Grelleberg zu holen, wo man ab 16 Uhr ob der Nachfrage gleich drei Konzerte im Zweistundentakt gab. Ohrwürmer und Evergreens, verquer gemischt von den 20ern bis in die 80er, alles von damals, da-a-mals. Die Leute von heute hören das gern, mit Ohr und Sinn von gestern. Alles ausverkauft. Älteres Publikum meist, es waren ja die Hits ihrer Jugend, egal, ob nun Bill Ramsey „Souvenirs, Souvenirs“ anpries, die süße (wer hat sie verkostet?) Gerda besungen wurde, oder Mr. Aker Bilks Klarinettenversion von „Petite Fleur“ erklang, das Publikum war angehalten, mitzusingen, mitzuschunkeln, gar zu tanzen, was, zumindest in der 16-Uhr-Ausgabe, unterblieb.

Rainer Sommer (Moderation, Gesang, Klarinette, Saxophon), Gitarrist Christian Kullak, Timo Tietz (Piano) und Ralph Graessler am Kontrabass sorgten auf sehr unterhaltsame Weise für Stimmung, wobei man des Swings („Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, „Bona Sera, Senorita“) ebenso frönte wie dem populären Schlager alias Evergreen. Da raunte es von der Waterkant „Junge, komm doch wieder!“, von Wien her wollte einer als Reblaus wiedergeboren sein, auch das Mädchen von Piräus war präsent, schon witzig, wie Rainer Sommer das in der Ich-Form sang. Hans Albers besang nasal die Reeperbahn, auch Max Raabe gab sich die Ehre, mit Schwein und Sau sozusagen. Tutti frutti eben. Zwei Hommagen gab es, eine für den jüngst verstorbenen Udo Jürgens, die andere für die unvergessenen Comedian Harmonists, den kleinen grünen Kaktus inklusive. Dass bei all dem Spaß an der Freude hier und dort das Original nicht ganz getroffen wurde, bleibt silvestergeistig nachzusehen, „Ich war noch niemals in New York“ jedenfalls klang spitzenmäßig! Anderes schwang eher zum Tangeltingel hin.

So ging es durch die Welt – mit Blick nach vorn, die Ohren im Vergangenen. Die Souvenirs der Welt von gestern, wo „alles so schöön“ war. Alles! Seufz. Drei Konzerte für mehr als 300 Leute! Der Heimatverein ist ja seit 14 Jahren silvesteraktiv. Punkt zehn am Neujahrsmorgen folgt schon die Entlüftungswanderung, da blieb der Kater zu Hause! Toll, was dieser Verein mit Lust und Liebe auf die Beine stellt, in der Kirche oben, zum Parkfest unten, beim Museumstag oder in Petzows Sanddorndickicht, erlebniswandernd. Auf ein Neues dann! 

Gerold Paul

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