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Potsdam-Mittelmark: Kraniche und Orchideen

Seit 50 Jahren engagiert sich Hermann Noack in Teltow für den Naturschutz – gewürdigt wird das kaum

Teltow - Die Kraniche sind immer noch da. Und die Wacholderdrossel schmettert eifrig „Tschack tschack“. Die milden Temperaturen haben nicht nur die Zugvögel verwirrt, auch die Singvögel stimmen nun schon zu Jahresbeginn ihren Balzgesang an.

Milde Winter gab es schon früher, erinnert sich Teltows Naturschutzbeauftragter Hans-Herrmann Noack, aber diesmal sei es schon extrem. Anfang der 90er Jahre hatten bereits einige Kraniche ihre Winterreise in Brandenburg beendet, in diesem Jahr sollen es schon rund 10 000 sein, die nicht mehr ins spanische Winterquartier ziehen. Noack sieht jetzt fast täglich die Kranichketten hoch über Teltow auf dem Weg zu ihren Feuchtgebieten fliegen. Feuchte Wiesen und kleine Wasserflächen gab es noch vor 40 Jahren am Teltower Stadtrand, erzählt der 65-Jährige, der damals als junger Biologielehrer in die Stadt kam. Damals habe es nicht nur einen Teich in Ruhlsdorf gegeben, sondern ringsum noch andere Tümpel, nebst Bächen und Gräben. Dorthin verlegte er manche Unterrichtsstunde, um mit den Schülern Strudelwürmer, Zwergtaucher und Stockenten zu beobachten. Auch mit den Arbeitsgemeinschaften, die er in der Station Junger Techniker in Stahnsdorf anleitete, war er meist in freier Natur unterwegs. Unvergessliche Erlebnisse waren das für die Kinder, wie der Lehrer von ihnen bei späteren Klassentreffen erfuhr. Geblieben ist bei vielen das Interesse für Flora und Fauna, auch weil Noack ihre Beobachtungsgabe für das eigene Umfeld schärfte und Sachen wusste, die so in keinem Lehrbuch standen. „Was man nicht kennt, kann man nicht schützen“, erklärt er sein Engagement, das bis heute andauert. Neben seiner Agendaarbeit ist er als Storchenbeauftragter des Landesumweltamtes unterwegs. Auch bei ihm sei das Interesse früh geweckt worden durch einen Biologielehrer, der Naturschutzbauftragter war und Jugendliche in die jährlichen Zählungen von Wasservögeln einbezog. Damals konnten sie noch Seeadler beim Brüten beobachten, ebenso Schwarzstörche. Im Laufe der Jahre wurde nicht nur bei Tieren die Artenvielfalt rückläufig, auch Pflanzen wie das Breitblättrige Knabenkraut und andere Orchideenarten sind nur noch an wenigen Stellen zu finden. Verantwortlich dafür ist der Mensch, sagt Noack, weil der Feuchtgebiete trocken gelegt habe, um sie landwirtschaftlich zu nutzen oder darauf zu bauen. Bauland wurden so auch die Wiesen, auf denen heute ein Teil des Flussviertels steht. Noack, der in diesem Kiez wohnt ist froh, dass die Beerensträucher wenigstens den Vögeln Futter bieten. Sorgen bereitet ihm aber, dass vor den Aufgängen der Häuser immer wieder tote Vögel liegen, die gegen die oberen Flurfenster geprallt sind. Denn in denen spiegeln sich die Wolken, was die Vögel irritiert. Abhelfen könnten da zwar Aufkleber mit Vogelsilhouetten, aber die Teltower Wohnungsbaugenossenschaft habe ihm erklärt, dafür sei kein Geld da.

Finanzen sind ein Problem bei vielen ehrenamtlichen Projekten, besonders im Naturschutz. Unermüdlich klopft Noack deshalb seit Jahren an Türen von Sponsoren, um für Niskästen Geld zu werben. Teilweise mit Erfolg, auch bei der Stadt, die seit einigen Jahren an öffentlichen Gebäuden Quartiere für Fledermäuse, Mauersegler und andere Vögel anbringen läßt. Genau 471 Nistkästen hat die Teltower Agenda-Gruppe „Artenschutz an Gebäuden“ bislang installiert.

Noacks Hartnäckigkeit bringt ihm nicht nur Sympathien, manche halten ihn für schwierig, weil er ein ungeduldiger Streiter ist. Im vergangenen Jahr blickte er auf ein halbes Jahrehundert ehrenamtliche Naturschutzarbeit zurück. Eine offizielle Anerkennung blieb aus. Es hat ihn nicht entmutigt, nur traurig gemacht. „Vielleicht war ich zu leise“, glaubt er und packt das neue Fernrohr aus, das bis zu 90fach vergrößern kann. Eine Neuanschaffung für die Agendagruppe, ebenso wie der Fledermausdetektor, mit dem die Laute der Nachtschwärmer zu hören sind. Er hofft, damit wieder Schüler begeistern zu können, mit Vorträgen gelinge das kaum. Vielmehr müssten sie wieder raus in die Natur, denn auch ihm war die Praxis schon immer lieber als die Theorie. K.Graulich

Kirsten Graulich

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