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Potsdam-Mittelmark: Klassiker mit Holznote

Stefan Lindicke lagert süßen Kirschwein im Eichenfass. Der Bauer war einer der ersten Direktvermarkter

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Bretterknaller wird er genannt, schmeckt vor allem süß und ist von Fruchtsaft oft erst durch seine Auswirkungen zu unterscheiden. Doch aus dem Obstwein, der ab Samstag auf dem 136. Baumblütenfest wieder massenhaft in Plastik-Literflaschen verkauft wird, kann ein Getränk mit vielschichtigen Aromen werden. Das beweist Stefan Lindicke mit einer Sonderedition Kirschwein, der ein Jahr lang im Eichenholzfass gelagert wurde.

Die Edition kommt pünktlich zum 20. Bestehen von Lindickes Hof auf den Markt. 225 Liter Wein sind rechtzeitig zum Blütenfest in Glasflaschen abgefüllt, die aber nur im Hofladen am Plessower Eck der Bundesstraße 1 verkauft werden, direkt neben der Kelterei. „Wir hatten nach dem vergangenen Blütenfest noch ziemlich viel Kirschwein übrig und haben überlegt, was man damit anfangen kann“, so Lindicke. Da sein Vater den Weinhang am Wachtelberg betreibt und seinen Wein beim Sohn keltert, kam die Idee, den Kirschwein einfach in ein schon mehrmals für die Weinlagerung benutztes Eichenfass zu füllen, wie es sonst auch mit Whiskey zur Reifung gemacht wird. „Aus dem Barrique hat der eher süße Wein dann die Holzaromen gezogen und ist jetzt deutlich kräftiger geworden“, so der Obstbauer.

Wenn die neue Kreation auch den Kunden gefällt, werde es im kommenden Jahr mehr davon geben. Da der Wein ein Jahr länger reift als üblich, kostet er mit 6,50 Euro für den Dreiviertelliter auch 1,20 Euro mehr als der frische Wein vom Vorjahr.

Den wird Stefan Lindicke zum Blütenfest in den aus Sicherheitsgründen vorgegebenen größeren Plastikflaschen wie in den Vorjahren auch für sieben Euro verkaufen. „Zwar treibt der Mindestlohn unsere Kosten hoch, aber die Früchte für den diesjährigen Wein wurden ja noch 2014 geerntet“, so Lindicke, der auch Geschäftsführer vom Werderaner Obst- und Gartenbauverein ist. Im kommenden Jahr müssten die Bauern die Preise wohl aber erhöhen, wie sehr, sei noch unklar. Ob dann noch in nennenswerten Größenordnungen Wein aus Beeren verkauft werden kann, sei offen. Durch die aufwendige Ernte beispielsweise von Himbeeren und den mit 7,20 Euro etwa zwei Euro höheren Stundenlohn als im Vorjahr würde sich die Produktion extrem verteuern.

Dabei bleibt der Weinverkauf auf dem Blütenfest ein wichtiges Geschäft für die Bauern, wie vor hundert Jahren ist er noch immer ihre erste große Einnahmequelle im Jahr. Wie der Anteil der Baumblüte am Jahresumsatz der Bauern ist, könne Lindicke nicht schätzen. Im Vergleich zur Hochzeit des Blütenfestes vor rund zehn Jahren sei er zwar etwas gesunken, da auch weniger Besucher kommen, was womöglich an der gestiegenen Anzahl der Feiern rund um den 1. Mai liege. „Im Gegensatz zum damaligen Massenwahn gibt es jetzt aber ein attraktiveres Fest für alle“, sagt Lindicke.

Die Bauern seien während der Blütenzeit im Zwiespalt: Einerseits müssten die wachsenden Pflanzen derzeit gepflegt werden, andererseits brauche der Obstbauer zum Fest jeweils eine Woche Vor- und Nachbereitung, um seine vier Weinstände im Stadtgebiet zu bestücken und hinterher wieder abzubauen. „Außerdem müsste es endlich einmal drei Tage durchregnen – aber bitte nicht während der Festwoche“, hofft Lindicke. Die Plantagen seien trocken und der Druck in den Leitungen mit Wasser vom Glindowsee noch nicht hoch genug, um abgelegene Felder zu bewässern.

Stefan Lindicke selbst baut auf 20 Hektar Fläche vor allem Kirschen, Äpfel und Birnen, aber auch Pflaumen und Beeren an. Angefangen hatte er 1995 mit vier Hektar, die seiner Familie gehörten. „Die Flächen wurden alle kurz nach der Wende neu aufgeteilt, da war ich noch zu jung“, so der 41-Jährige. Sein Familienbetrieb hat inzwischen fünf feste Mitarbeiter sowie drei Teilzeit- und zehn Saisonarbeiter und zählt damit zu den größeren Familienbetrieben in Werder und Umgebung.

Lindicke war einer der ersten Obstbauern, die hauptsächlich auf eine Direktvermarktung ihrer Produkte durch Hofladen und Marktstände setzten. „Heute ist der Verkauf auf unseren zwei Ständen in Berlin jedoch schwerer, da die Kunden kleinere Mengen kaufen und man als Werderaner Obstbauer nicht mehr so exotisch ist wie früher“, sagt Stefan Lindicke.

So sei die Vermarktung das, was sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten am meisten geändert habe. Der Trend gehe zum breit gefächerten Anbau von Obst und Gemüse, um den Kunden mehr zu bieten. Zudem verkauft Lindicke im 1996 erbauten Hofladen unter anderem Eier und Beeren eines Bauern aus Falkensee, Bier der Potsdamer Braumanufaktur oder Öl aus Niemegk. „Der Kunde will an sich immer mehr regionale Lebensmittel, wird mit dem Begriff aber oft verwirrt.“ So werben einige Supermärkte auch auf Produkten aus Mecklenburg-Vorpommern mit dem Begriff „regional“. Dagegen sollten sich die Bauern stärker positionieren.

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