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Gut gestimmt. Die Schuke- Orgel soll in den Konzertsaal der Universität von Shanghai eingebaut werden. Pfeifen mit einer Höhe von bis zu 4,60 Metern können in den Hallen produziert werden.

© A. Klaer

Werder: Generationswechsel beim Orgelbauer

Das Insolvenzverfahren der Firma Schuke ist beendet. Jetzt will Matthias Schuke das Werderaner Unternehmen an seine Söhne übergeben - rechtzeitig vor dem 200. Firmenjubiläum im Jahr 2020.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Aus dem Konferenzraum in den Werderaner Havelauen blickt man durch eine große Glasscheibe auf ein Arsenal an Orgelpfeifen, die darauf warten, gestimmt zu werden. In den Nachbarräumen beim Orgelbauer Schuke werden Pfeifen poliert und Holzplatten geschliffen, die Stimmung in den Werkshallen ist gelassen. „Der Betrieb bei uns lief die ganze Zeit, inzwischen haben wir sogar neue Mitarbeiter einstellen können“, sagt Johannes Schuke. Er ist der Sohn des Geschäftsführers und wird künftig gemeinsam mit seinem Bruder Michael den Betrieb übernehmen.

Die finanziellen Schwierigkeiten hat Schuke überwunden. Das 1820 gegründete Unternehmen musste im Jahr 2014 Insolvenz anmelden, da aufgrund der Krim- Krise eine fertige Orgel für den Konzertsaal im ukrainischen Charkow nicht aufgestellt werden konnte und auch nicht bezahlt worden war. Im Sommer vergangenen Jahres habe sie aber aufgestellt werden können, auch die Bezahlung habe geklappt, erzählt Firmenchef Matthias Schuke. Zudem wurde 2016 eine neue Chor- Orgel für die Wittenberger Schlosskirche in den Havelauen gefertigt, auch eine Kirche in einem Ortsteil von Bernau (Oberhavel) bekam nach der Insolvenz ein neues Instrument. Die Auftragswerte wollen Schukes lieber nicht in der Zeitung lesen. Ende 2016 habe aber der Verwaltungsakt zum Insolvenzende beginnen können. Vor kurzem gab es auch den entsprechenden Eintrag ins Handelsregister, damit ist das Verfahren endgültig abgeschlossen.

Zahl der Mitarbeiter von 22 auf 14 gesunken

Spurlos ging die Zeit der finanziellen Schieflage allerdings nicht am Unternehmen vorbei. Statt 22 Mitarbeitern sind es jetzt 14, trotz einiger Neueinstellungen. „Der Mitarbeiterstand war während der vergangenen Zeit fließend, wir konnten mit unserer Kernmannschaft aber alle Aufträge abdecken“, sagt Matthias Schuke. Einige Mitarbeiter hätten sogar gewartet, bis sie wieder eingestellt werden konnten. „Wir bauen ja Instrumente mit eigenem Stil, deshalb ist es besser, selbst ausgebildete Mitarbeiter zu haben“, erklärt der 62-Jährige. Schließlich baue jede Firma die Orgeln etwas anders, woraus sich auch Unterschiede beim Stimmen der Pfeifen ergäben.

Bei Schuke ausgebildet wurde auch Matthias' Sohn Michael. Der 28-Jährige arbeitet seit elf Jahren im Unternehmen und hat vor einem Jahr die Prüfung zum „Orgel- und Harmoniebaumeister“ in Ludwigsburg bei Stuttgart bestanden, der einzigen Berufsschule für Orgelbauer in Deutschland. Er soll künftig die fachliche Leitung übernehmen. Bruder Johannes arbeitet seit einem Jahr im Unternehmen mit. Der 32-Jährige hat an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen studiert und soll die kaufmännischen und organisatorischen Tätigkeiten leiten.

Orgelbauer vor dem Generationenwechsel: „Höchste Zeit, die Betriebsübergabe anzugehen“

Im kommenden Jahr soll entschieden werden, wer von beiden die Geschäftsführung übernehmen wird. „Es ist höchste Zeit, die Betriebsübergabe anzugehen“, sagt Matthias Schuke. Er rechne mit zwei bis drei Jahren, bis sich der Betrieb unter neuer Leitung eingespielt hat - also rechtzeitig zum 200. Firmenjubiläum im Jahr 2020. Auch soll in den nächsten Monaten entschieden werden, wie das Altersproblem im Betrieb gelöst werden soll. Ein Großteil der Belegschaft ist 55 Jahre und älter. Auszubildende hat der Betrieb derzeit nicht, aber Bewerbungen.

Neue Lehrlinge könnten frühestens zum März eingestellt werden, wenn auch an der Schule in Ludwigsburg Kurse beginnen. Matthias Schuke zufolge dauert es etwa zehn Jahre, bis die Fachkenntnisse vertieft sind. „Wer sich beispielsweise aufs Restaurieren von Orgeln spezialisiert, muss auch Sütterlin lesen können, um die Unterlagen zum jeweiligen Instrument lesen zu können.“

Schuke schickt Orgel nach Australien

Das Restaurieren ist neben Pflegearbeiten und dem Bau neuer Instrumente ein Standbein bei Schuke. Derzeit entstehen in den Havelauen, wo das Unternehmen 2004 von Potsdam aus hingezogen ist, die Register der neuen Orgel für die Potsdamer Pfingstkirche. Die Gemeinde habe sich die Anschaffung einer kompletten neuen Orgel nicht leisten können, daher wird sie schrittweise installiert. Ein Register ist eine Pfeifenreihe, die durch die Klaviatur bedient wird. Durch das Ziehen von Hebeln entscheidet der Organist, durch welche Register die Luft beim Tastendruck strömen soll. Je mehr es sind, desto voller wird der Klang - daher stammt auch die Redewendung „alle Register ziehen“.

Matthias Schuke wird sich nach dem Rückzug aus der aktiven Betriebsleitung indes wohl nicht langweilen: Er will endlich das riesige Firmenarchiv über Orgeln auf der ganzen Welt katalogisieren. Und das Archiv wird weiter wachsen: Im vergangenen Monat hat Schuke erstmals eine kleinere Truhenorgel nach Australien verschickt. Für weitere Projekte seien Kostenvoranschläge versandt worden. Laut Matthias Schuke haben sich die Verantwortlichen der Babelsberger Friedrichskirche am Weberplatz schon entschieden, ein Instrument aus Werder zu kaufen - dort fehle aber noch die Finanzierung.

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