zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Geld zurück vom Versicherer

Widerspruch bei Lebensversicherungen kann sich lohnen

Manche brauchen dringend Geld, andere wollen ihr Erspartes gewinnbringender anlegen. Es gibt viele Gründe, warum Verbraucher ihre Lebensversicherung rückgängig machen wollen. Doch dies ist in der Regel mit deutlichen Einbußen verbunden.  Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes haben manche Verbraucher die Chance, durch einen Widerspruch noch Jahre nach Vertragsabschluss einen größeren Anteil ihrer Prämien zurückzubekommen (Az.: C-209/12). Betroffen sind Versicherungen, die zwischen 1994 und 2008 nach dem Policenmodell abgeschlossen wurden.

Diesen Verträgen können Kunden auch Jahre nach Abschluss widersprechen. Bedingung dafür ist allerdings, dass die Versicherung den Kunden bei Vertragsabschluss nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt hat.

Bei dem Policenmodell erhielt der Versicherte die gesamten Unterlagen erst mit dem Versicherungsschein. Widersprach er nicht innerhalb von zwei Wochen, galt der Vertrag als wirksam. Erhielt er keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung, zahlte aber ein Jahr lang seine Beiträge, galt der Vertrag jedoch bisher ebenfalls als abgeschlossen.

Ein Widerspruch war danach nicht mehr möglich. Diese deutsche Sonderregelung mit dem Ausschluss des Widerspruchs hat der Europäische Gerichtshof 2013 überprüft – und für nicht vereinbar mit europäischem Recht erklärt. Verträge, die auf diese Art zustande gekommen sind, seien letztlich „schwebend unwirksam“, sagt Dirk Lennartz, einer der zuständigen Richter am Oberlandesgericht Stuttgart. Das Policenmodell wurde 2007 abgeschafft. Mittlerweile müssen Verbraucher entsprechend der europarechtlichen Vorgaben alle Unterlagen vor Vertragsabschluss vorliegen haben.

Doch ob sich ein Widerspruch bei der Versicherung lohnt, muss von Fall zu Fall entschieden werden, heißt es bei der Verbraucherzentrale. So sei zunächst zu prüfen, ob der Versicherte wirklich nicht über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden sei. Diese Belehrung musste in den Unterlagen deutlich hervorgehoben sein, beispielsweise durch Fettung der Schrift. Es gebe allerdings keine „Muster-Widerspruchsbelehrung“, sagt Richter Lennartz.

Darüber hinaus ist nach Aussage der Verbraucherzentrale zu klären, ob der Versicherte bei einem Widerspruch überhaupt Chancen auf eine höhere Auszahlung hat als bei einer Kündigung. Nach Entscheidungen des Bundesgerichtshofes kann der Verbraucher bei einer Kündigung auf mindestens 40 Prozent seiner Prämien hoffen. Das Gericht hat im vergangenen Jahr wiederum festgelegt, dass bei einem Widerspruch auch der Versicherungsschutz berücksichtigt werden muss, den der Verbraucher genossen habe – beispielsweise bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Az.: IV ZR 76/11).

Wie viele Verträge nach dem Policenmodell abgeschlossen wurden, ist unklar, auch inwiefern standardmäßig über das Widerspruchsrecht aufgeklärt wurde. Die große Klagewelle ist bisher ausgeblieben. S. Järkel

S. Järkel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false