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Potsdam-Mittelmark: Gallin und Wildpark-West

Umfangreiches Buch über die Geschichte der Siedlung im Geltower Heimatverein vorgestellt

Schwielowsee - Mit Schrotkugeln gespicktes Entenfleisch mochten die Hohenzollern nicht. Sie ließen die Wildenten für die königliche Tafel deshalb nicht schießen, sondern fangen. Dafür wurde ab 1701 und nach einer Unterbrechung noch einmal ab 1746 nahe dem Wildpark jeweils ein Gewässer eingerichtet. Durch flugunfähige Artgenossen mit gestutzten Flügeln angelockt, ließen sich die Vögel auf dem Kleinen, später dem Großen Entenfangteich nieder. Dort wurden sie durch Futtergaben in von Netzen überspannte, spitz zulaufende Kanäle gelenkt und mittels einer Falltür gefangen. Ihr Leben endete durch das Kringeln (fachgerechtes Erwürgen), eine barbarisch anmutende Methode, die dennoch viele Schaulustige anzog.

Ausführlich findet der Leser die Story vom Entenfang in dem soeben erschienenen Buch „Wildpark-West a.d. Havel. Die Geschichte der Wiese Gallin“. Die Pädagogin Marianna von Klinski-Wetzel, im Jahr 2002 aus Heidelberg in ihren Heimatort zurückgezogen, hat dem 565-seitigen, bebilderten Werk die Forschungsergebnisse und Texte des 2005 verstorbenen Heimatforschers Ernst Mieth zugrunde gelegt, sie behutsam u. a. um Auszüge aus historischen Urkunden ergänzt und einige Angaben korrigiert.

Nach seiner Pensionierung hatte der Geschichtslehrer Mieth fast zwei Jahrzehnte eine Unzahl von Dokumenten über die Siedlung Wildpark-West zusammengetragen und gesichtet. Die Abschriften fertigte er handschriftlich an. Ernst Mieth veröffentlichte einzelne Abhandlungen, so 1993 in der Broschüre zum 1000-jährigen Bestehen Geltows. Sein Wunsch, eine umfassende Darstellung über die Geschichte des Ortsteils herauszubringen, erfüllt sich aber erst jetzt. Dafür dankte der Vorsitzende des Heimatvereins Geltow, Dr. Heinz Ofcsarik, Marianna von Klinski-Wetzel, die das Buch unlängst in einer Lesung in der Gaststätte Baumgartenbrück vorstellte.

Den Ortsnamen Wildpark-West gibt es erst seit 1931. Die Grundstücksgesellschaft, die das von Exkaiser Wilhelm II. erworbene Gelände parzellierte und zum Hausbau anbot, fand ihn wohl werbewirksamer als die alte Bezeichnung Gallin. Mit Golyn (slawisch) wurde eine nur mit Gras und Strauchwerk bewachsene, wassernahe Anhöhe benannt, die sich gut als Viehweide eignete. Seit der ersten urkundlichen Erwähnung 1339 stritten die Geltower Grundherren, die Bewohner der Insel Werder und das Kloster Lehnin vor Gericht immer aufs Neue um deren Besitz.

1542 gelangte es in kurfürstliches Eigentum. 1685 siedelte Friedrich Wilhelm hier drei Schweizer Einwanderfamilien an. Damit begann die neuzeitliche Bebauung des Gallin. Aber schon 1722 gaben die Schweizer ihre Kolonistenstenstellen aus wirtschaftlichen Gründen wieder auf, danach wurde die „Wiese Gallin“ u.a. für die Haltung königlicher Jagdpferde und -hunde, zur Milchviehhaltung durch das Potsdamer Militärwaisenhaus, von Bornstedter Kossäten (Kleinbauern) als Weideland und vom Potsdamer Schlächtergewerk als Zwischenweide für Schlachtvieh genutzt.

Ab 1864 war es Krongut. Nach Kriegsende 1945 wurden die Villen von der sowjetischen Besatzungmacht als Offizierswohnungen beschlagnahmt und erst 1949 bis 1952 schrittweise wieder freigegeben. Damit schließt das Buch. Die Entwicklung des Ortes im letzten halben Jahrhundert, schreibt die Herausgeberin, wolle sie kommenden Generationen überlassen.

Ernst Mieth, der Mitbegründer des Geltower Heimatvereins war, hatte allerdings zu diesem Zeitraum ebenfalls bereits Material gesammelt. Auch der war durchaus spannend: 1972 zog das Kommando der Landstreitkräfte der NVA in die heutige Henning von Tresckow-Kaserne. Für das Führungspersonal wurde in Wildpark-West die Siedlung Am Birkengrund mit 20 Häusern errichtet Auch eine neue Kaufhalle, asphaltierte Straßen, eine Arztpraxis und noch 1987 ein Klubhaus erhielt der Ort.

Mieth/v. Klinski-Wetzel, Wildpark-West a.d. Havel. Die Geschichte der Wiese Gallin. 565 Seiten, 160 Abbildungen. Selbstverlag, Geltow 2007. 34,80 Euro. ISBN 978-3-00-023039-4

Erhart Hohenstein

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