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Von Henry Klix: Flauer Rückenwind

Laut Energiestrategie 2020 soll es in Brandenburg 50 Prozent mehr Windparks geben – aber wo?

Potsdam-Mittelmark - Brandenburg will seine Windkraftflächen laut Energiestrategie 2020 um 50 Prozent erhöhen. Doch mit der märkischen Energiewende ist es keine einfache Sache. Jürgen Socher erlebt es gerade: Vier Windräder will er auf der Glindower Platte aufstellen, die Glindow und Plötzin komplett mit Strom versorgen könnten. Die Stadt Werder (Havel) klagte, obwohl die angefragte Fläche im Glindower Flächennutzungsplan als Sonderbaufläche für Windkraftanlagen verzeichnet war. Windräder würden nicht in die Obstflur passen, wie es plötzlich hieß. Drei Jahre hatte sich der Streit hingezogen, bevor das Oberverwaltungsgericht im Dezember 2006 einen Schlussstrich zog und Sochers Unternehmen, die Firma Enersys in Neuseddin, Recht behielt. Der Zeitverzug hat Folgen, die Branche ist in Bewegung: Inzwischen ist die Firma Enersys in die Firma WPD aufgegangen. Und die 1-Megawatt-Windräder, für die einmal der Antrag gestellt wurde, gibt es nicht mehr – sie wurden aus dem Katalog gestrichen, als Vestas mit Micon fusionierte.

Auch Harald Knauer, Geschäftsführer der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming, kennt die Böen der Energiewende. Das jüngst formulierte Ziel der Landesregierung, anderthalb Prozent der Landesfläche für Windparks vorzuhalten, hatte Knauer auf dem Papier bereits erfüllt, als er im Jahr 2003 den Entwurf für einen „Teilregionalplan Windenergie“ für seine Kommunen vorlegte – Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming, Havelland, Potsdam und Brandenburg (Havel). Doch der Gegenwind aus den Gemeinden – und aus der Landesregierung selbst – sei damals so groß gewesen, dass aus 17 Eignungsbieten für große Windparks 13 wurden. Von den Anrufen der Bürgermeister ließ sich mancher Staatssekretär und Minister erweichen. „Wir hatten sämtliche Ausschlusskriterien erfüllt, aber plötzlich kamen Gründe hinzu, warum die Windparks an diesen Standorten nicht gebaut werden dürfen.“

Mit der neuen energiestrategischen Leitlinie des Kabinetts muss Knauer neu überlegen. Die Windparks, die damals entfallen sind, können nicht einfach wieder ins Portfolio aufgenommen werden. „Wir würden unseren eigenen Abwägungsprozess infrage stellen.“ Ist mehr Windenergie hier also überhaupt machbar?

Jürgen Socher muss fürchten, dass in Erinnerung an die stürmischen Proteste der Verlängerungsantrag für seine vier Windräder nicht durchkommt. Die alten Typen will er aus zweiter Hand von Windparks bekommen, die „repowert“, also aufgerüstet werden. Sinn mache dieses Recycling nicht, inzwischen gäbe es effizientere Technik. Aber die Genehmigung wurde für die 1-Megawatt-Fabrikate und deren Geräuschpegel erteilt. Ein neuer Antrag hätte noch weniger Chancen als die Bitte um Verlängerung.

Zumal inzwischen der Teilregionalplan als Planungsgrundlage gilt – und somit nur noch große Windparks in ausgewiesenen Gebieten zulässig sind. Mit Regionalplaner Knauer ist Socher oft im Gespräch. Probleme machen nicht nur die Widerstände vor Ort, sondern vom Land selbst gesteckte Grenzen. Nirgendwo seien die tierökologischen Abstandsregeln so streng wie in Brandenburg, sagt Socher. Und dass ein Schreiadlerhorst in vorgeschriebener Entfernung von drei Kilometern ein k.o.-Kriterium für eine ganze Anzahl möglicher Windparks ist, da ist er sich mit Knauer einig.

Bei einer Abstandsfläche von 1000 Metern zu Wohnsiedlungen bleiben dann kaum noch Flächen in Knauers Planungsgebiet. Der Regionalplaner hat als Alternativen Konversionsareale wie die Döberitzer Heide oder die alten Truppenübungsplätze in Jüterbog im Blick. Die Öko-Bilanzen von globalem Klimaschutz und lokalem Naturschutz wären aber wohl noch aufzurechnen, um Windrädern in munitionsverseuchten Wendebiotopen einen Chance zu geben. Verbleibende Chancen: Die bestehenden Eignungsgebiete vergrößern. Oder in den Wald ausweichen. Bei Nabenhöhen von 110 bis 150 Metern – noch vor wenigen Jahren waren es 50 – kommen neuerdings Forstflächen für Windparks in Betracht. Ob die Forstverwaltung mitspielt?

Auch weil Raumordnungsminister Reinhold Dellmann (SPD) die eigenen Kabinettspläne torpedierte und sich gegen weitere Windparks aussprach, ist für Knauer die Energiestrategie 2020 ein flauer Rückenwind vom Land. „Die Region würde mehr Windparkflächen gut vertragen, aber ich fürchte, dass Land wird uns wieder die Beine weghauen.“

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