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Bis zu 300 Flüchtlingen können in den ehemaligen Toom-Baumarkt in Nuthetal unterkommen.

© Andreas Klaer

Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark: Diese Woche kein Flüchtling

Potsdam-Mittelmark stellt Unterkünfte für Flüchtlinge bereit, die derzeit womöglich gar nicht benötigt werden – wie den leerstehenden Toom-Baumarkt in Nuthetal.

Von Eva Schmid

Nuthetal – Der alte Toom-Baumarkt in Bergholz-Rehbrücke – ein grauer, abgelegener und wenig einladender Ort. Zum ersten Mal will der Landkreis Potsdam-Mittelmark in einem Gewerbegebiet Flüchtlinge unterbringen. Die Vorbereitungen in der Halle an der Arthur-Scheunert-Alle laufen – in gut zwei Wochen soll es dort wohnlicher werden. Der Vermieter will Trennwände einziehen. Vier bis sechs Personen sollen in abgetrennten Einheiten schlafen und leben. Sanitär- und Küchencontainer sollen vor dem Gebäude aufgestellt werden. Die alte Halle biete bis zu 300 Menschen Platz. Doch ob so viele kommen, daran zweifelt man nicht nur in Nuthetal.

Viele Flüchtlinge bleiben nicht

Die Differenz zwischen prognostizierten und tatsächlichen Flüchtlingszahlen stellt derzeit Landkreise und kreisfreie Städte in Brandenburg vor eine Herausforderung. Das Problem: Das Land forderte von den Kommunen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Kommunen mussten dem nachkommen und mieteten Gebäude an oder bauten. Jetzt kommt heraus, dass so viel Platz gar nicht hätte geschaffen werden müssen, da so viele Flüchtlinge gar nicht im Land sind.

So kamen im vergangen Jahr 47 000 Asylsuchende nach Brandenburg, 28 000 von ihnen sind geblieben. Was mit den 19 000 weiteren Flüchtlingen passiert ist, sei nicht genauer bekannt, heißt es aus dem Innenministerium. Ein kleiner Teil von ihnen – rund 6300 – seien auf andere Bundesländer verteilt worden. Manche würden sich von der zentralen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt oder den weiteren elf Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes auf eigene Faust in andere Städte, andere Bundesländer aufmachen oder gar das Land verlassen, so Ministeriumssprecherin Susann Fischer.

Nur ein Bruchteil von Flüchtlingen kamen in Potsdam-Mittelmark an

Potsdam-Mittelmark hätte laut der Prognose des Landes bis zum Jahresende noch 1000 Flüchtlinge aufnehmen müssen. Nur ein Bruchteil davon kam an. Dass die Rechnung nicht aufgeht, stellt derzeit auch Thomas Schulz fest. Er ist im Kreis für die Anmietung und Herrichtung von Flüchtlingsunterkünften zuständig und fragt sich, wo die Angemeldeten geblieben sind: „Im neuen Jahr kamen bisher nur 19 Asylsuchende, in dieser Woche keiner“.

Für den Kreis, der im vergangenen Jahr händeringend nach neuen Unterkünften gesucht und viel angemietet hat, ist das Hin und Her mit den Zahlen ein Balanceakt. Jetzt wolle man einen Gang zurückschalten: „Wir schließen keine neuen Verträge ab.“ Auch das Aufstellen von Traglufthallen sei hinfällig, wenn man sich die tatsächlichen Zahlen anschaue, die aus den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen kommen, heißt es aus dem Landratsamt.

In Kreisen wie Oberhavel, Havelland und Teltow-Fläming gebe es derzeit sogar Leerstand, berichtet Schulz. Er fordert nun vom Land, die Statistik zu bereinigen und die Anforderungen den tatsächlichen Flüchtlingszahlen anzupassen. Man rechne im Potsdamer Ministerium und in Eisenhüttenstadt noch mit alten Quotierungen.

Viele freie Plätze

Das Innenministerium will das nun ändern: Laut Sprecherin Fischer werde derzeit diskutiert, wie man mit der Differenz der angemeldeten und der am Ende tatsächlich gebrauchten Plätze umgehen wird. Derzeit jedenfalls würden dem Ministerium von den Kommunen viele freie Plätze gemeldet – die Zeiten, in denen Städte und Kreise gezwungen werden mussten, ihre Quote zu erfüllen, sind im Moment vorbei.

Auch wenn die Lage derzeit entspannt ist – laut Ministeriumssprecherin Fischer kann sich das schnell wieder ändern: „Wir brauchen die Unterkünfte.“ Das Land warte nun auf eine neue Prognose, die der Bund Anfang Februar veröffentlichen will. Brandenburg indes rechnet für dieses Jahr – ähnlich wie 2015 – bisher mit 55 000 Menschen, von denen rund 30 000 bleiben werden.

Toom-Baumarkt wird noch leerstehen

Einige davon werden wohl auch im alten Toom-Baumarkt in Bergholz-Rehbrücke unterkommen. Vorerst wird er aber leerstehen. Wann die ersten Flüchtlinge kommen werden, ist angesichts schwankender Zahlen offen. Mitte Februar will die Nuthetaler Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) mit Fachleuten aus dem Landratsamt den Anwohnern Rede und Antwort zu der neuen Unterkunft stehen. Das Gebäude sei für zwei Jahre angemietet, teilte die Kreisverwaltung am Mittwoch mit. Der Kreis müsse bei Leerstand keine Miete zahlen. Laut Fachbereichsleiter Schulz werde erst bei Belegung die Miete an den Eigentümer fällig, das habe man vertraglich so geregelt.

Mit dem eilig gesuchten Provisorium ist man in der Gemeinde nicht zufrieden: „Baumärkte sind nicht geeignet, um dort Menschen unterzubringen“, sagt Hustig. Ihre Position habe sie auch schon Landrat Wolfgang Blasig (SPD) klargemacht. Mit viel Aufwand werde das Gebäude zum Wohnen hergerichtet, dabei hätte es geeignetere Objekte in der Gemeinde gegeben. Die Nuthetaler Rathauschefin verweist auf einen Vorschlag von Nuthetals Linken-Chef Werner Wienert.

Unwürdige Unterbringung?

Er hat einst im Gewerbegebiet ein Hotel mit 18 Zimmern betrieben, das mittlerweile von der Autowerkstatt ATU gekauft wurde. Es wird als Lager genutzt. Würde man mit dem derzeitigen Besitzer verhandeln, so die Überlegung Wienerts, und das alte Hotelgebäude wieder nutzbar machen, so hätten bis zu 50 Menschen darin Platz. Mit Blick auf die Differenz zwischen den prognostizierten und den realen Flüchtlingszahlen sei der Landkreis besser beraten gewesen, kleinere und geeignetere Objekte anzumieten, stimmt Hustig zu. „Ich finde es nicht gerade eine menschenwürdige Art, Flüchtlinge in einem alten Baumarkt unterzubringen.“

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