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Aus dem GERICHTSSAAL: Die Schwester vorgeschoben

Angeklagte bestritt, Passantin angefahren zu haben

Werder – Am Anfang saß noch Birgit B.* auf der Anklagebank: Während des Baumblütenfestes 2004 soll sie aus Unachtsamkeit eine Fußgängerin, die in der Damaschkestraße zwischen haltenden Bussen hervorgetreten war, angefahren und sehr schwer verletzt haben. So lautete die Anklage. Doch am Ende dieser Verhandlung war das Amtsgericht davon überzeugt, dass sich die Münchnerin überhaupt nicht in dem Auto befunden hatte und sprach Birgit B. vom Vorwurf der fahrlässige Körperverletzung frei. Schuld an dem Unfall trage vielmehr ihre Schwester Andrea A.*. Sie habe an jenem 24. April 2004 am Steuer des Wagens gesessen, der Polizei allerdings die Personalien ihrer Schwester angegeben.

Jetzt musste sich Andrea A. (43) wegen falscher Verdächtigung und Unfallflucht vor Justitia verantworten. Im Gerichtssaal versuchte sie sogar noch, ihrer damaligen – inzwischen verstorbenen – Freundin Regina R.* die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber Staatsanwaltschaft und Gericht glaubten der Frau nicht mehr und verurteilten sie zu einer Geldstrafe von 1000 Euro.

„Weder Regina noch ich hätten Auto fahren dürfen“, berichtete Andrea A.. Wegen einer Erkrankung hätten sie beide starke Medikamente nehmen müssen. Da die Freundin in Werder (Havel) einen Mann kennengelernt hatte, den sie unbedingt wiedersehen wollte, hätten sie sich entschlossen, den Ausflug mit dem Wagen von Regina R. dennoch zu unternehmen. „Falls wir in eine Polizeikontrolle geraten würden, wollten wir meine Schwester als Fahrerin angeben“, so die Angeklagte. „Das haben sie sich also schon vorher ausgedacht“, vergewisserte sich Amtsrichterin Kerstin Devriel. „Ja, aber wir haben doch nicht mit einem Unfall gerechnet“, räumte Andrea A. ein.

Sie blieb auch auf Nachfrage dabei, am Unglückstag lediglich Beifahrerin gewesen zu sein. „Schildern sie doch einmal den Unfallhergang“, wandte sich der Staatsanwalt an die Angeklagte. Die berichtete von mehreren haltenden Bussen, die ihnen die Sicht versperrt hätten. „Meine Freundin fuhr langsam vorbei. Da spürte ich plötzlich einen Knall von der Seite und sah, wie eine Fußgängerin zwischen den Bussen hervorgerannt kam“, erzählte Andrea A.. Die Polizei sei sofort zur Stelle gewesen, und Regina R. habe die vorher besprochene falsche Identität zu Protokoll gegeben. Einen Ausweis habe niemand verlangt.

„Andrea A. ist gefahren. Das hat sie mir kurz nach dem Unfall selbst gesagt“, erklärte der Sohn von Regina R. im Zeugenstand. Und Andrea A. habe auch zugegeben, den Polizisten, die den Unfall aufnahmen, den Namen ihrer Schwester genannt zu haben. „Meine damals schwer kranke Mutter wäre gar nicht mehr dazu in der Lage gewesen: Ihr rechter Arm war mit einer Schiene fixiert, die mit dem Körper verbunden war. Die hat sie fast immer getragen, weil sie sonst starke Schmerzen hatte. Wie hätte sie mit diesem Teil die Gangschaltung des Autos bedienen sollen?“

Die Angeklagte sei durch die Aussage des Sohnes von Regina R. überführt. „Sie saß am Steuer“, betonte der Staatsanwalt in seinem Abschlussplädoyer. „Das ist schon starker Tobak: Seelenruhig zusehen, wie gegen die eigene Schwester ermittelt wird, die dann auch noch ein Verfahren bekommt, bloß um sich der Feststellung der eigenen Personalien zu entziehen.“ (*Namen geändert.) Hoga

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