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Romantisches Landleben? Der Beruf des Bauern ist bei Jugendlichen wieder beliebter. In Groß Kreutz gibt es so viele Azubis wie seit Jahren nicht mehr.

© Patrick Pleul/dpa

Potsdam-Mittelmark: Die neue Lust aufs Land

Lange haben Bauern im Landkreis über Nachwuchsprobleme geklagt. Jetzt entscheiden sich wieder mehr Jugendliche für die Ausbildung als Landwirt und die meisten Betriebe finden Nachfolger

Von Enrico Bellin

Frei einteilbare Arbeitszeit, täglich an der frischen Luft sein und sehen, wie Tiere und Pflanzen unter der eigenen Hand wachsen. Dafür Abhängigkeit von Wetter und Weltmarkt sowie Urlaubssperren in der Saison: Auf der heute startenden Grünen Woche zeigen die Landwirte der Region nicht nur ihre Produkte. Sie stellen damit auch dar, warum ihr Beruf im 21. Jahrhundert auch für junge Menschen interessant sein kann.

Während noch vor wenigen Jahren die Zahl der Auszubildenden in der Landwirtschaft stark rückläufig war, ist sie inzwischen wieder deutlich angestiegen. „Von 2009 bis 2015 hatten wir bei uns nur eine Auszubildendenklasse pro Lehrjahr, seit dem Schuljahr 2016/17 sind es wieder zwei“, sagt Corinna Zeidel, Abteilungsleiterin des Oberstufenzentrums Werder, das an seiner Außenstelle Groß Kreutz Landwirte und Techniker für Landbau ausbildet. Auch landesweit sei die Zahl in den vergangenen Jahren stetig gestiegen – und das, obwohl die Zahl junger Menschen abgenommen hat.

In Groß Kreutz werden die Auszubildenden von Betrieben aus Potsdam-Mittelmark, dem Havelland und Teltow-Fläming geschult. Derzeit würden in fünf Klassen 84 junge Menschen ausgebildet, eine Klasse mit 15 fertig ausgebildeten Landwirten würde zum Techniker weitergebildet – eine Mischung aus Meister- und Bachelor-Abschluss, nach der die Teilnehmer selbst eine Eignungsprüfung ablegen und dann in ihren Betrieben eigene Azubis ausbilden können.

„Für uns stehen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gut, da in den größeren Betrieben in den kommenden Jahren viele Verwalter in Rente gehen“, sagt die 19-jährige Johanna Juhl, die im zweiten Lehrjahr ist. Ihrem Ausbilder zufolge werden vom einfachen Traktoristen bis zum Betriebsleiter in den kommenden Jahren jede Menge junge Leute gebraucht. „Es ist ein vielfältiger Beruf, in dem man mit Technik, Tieren und Pflanzen umgehen kann. Zudem komme ich selbst vom Dorf“, beschreibt Johanna ihre Motivation für die Ausbildung. Ursprünglich kommt sie aus der Nähe von Kiel, doch die brandenburgischen Betriebe mit ihren großen Strukturen sagen ihr mehr zu als die kleinen Bauernhöfe mit nur wenigen Hektar Land in der Heimat. Dort seien es fast immer die eigenen Kinder, die später den Hof der Bauern übernehmen. Für Neueinsteiger gebe es wenig Chancen.

Doch auch bei den kleineren Obstbaubetrieben rund um Werder (Havel) sind es oft die Kinder, die die Zukunft sichern, erzählt Walter Kassin. Dem Vorsitzenden des Werderaner Obst- und Gartenbauvereins zufolge, der auf seinem Stand auf der Grünen Woche unter anderem die Vielfalt heimischer Apfelsorten präsentiert, hätte etwa beim Obsthof Seidel in Schmergow jüngst der Sohn den Betrieb übernommen, auch bei Stefan Hübner in Derwitz hat der Junior schon die entsprechende Ausbildung absolviert und hilft beim Obstbau mit. „Unsere Betriebe hier sind nun einmal Familienbetriebe, mit entsprechendem Nachwuchs“, so Kassin. Der müsse natürlich schon von der Kindheit an mit den schönen Seiten des Berufes wie der freien Arbeit auf dem Feld vertraut gemacht werden. Nicht immer gelinge das, so werde wohl der Obsthof von Jürgen Deutscher in den kommenden Jahren schließen müssen, die Kinder hätten sich gegen den Obstbau entschieden.

Von der nächsten Generation weitergeführt wird unterdessen wohl der Weinbau in Werder, der Weinverein stellt sich und die Werderaner Weinbautradition in den Berliner Messehallen vor. Laut Winzer Manfred Lindicke werde in den kommenden zwei bis drei Jahren seine Tochter Katharina den Betrieb übernehmen, sie leitet bisher schon die Gastwirtschaft auf dem Wachtelberg. Die Arbeit auf dem Feld wird dem 67-Jährigen zufolge wohl der Kellermeister übernehmen, der seit August 2015 im Unternehmen ist und auch den Anbau des Weines gelernt hat. Ausgebildet wird der Beruf in Brandenburg allerdings nicht. Wer Winzer werden möchte, muss Lindicke zufolge dafür in die klassischen Anbaugebiete Westdeutschlands fahren.

Neben dem Weinbau gibt es inzwischen immer mehr Nischen in der Landwirtschaft, wie auch die Groß Kreutzer Azubis in ihren Ausbildungsbetrieben mitbekommen. So arbeitet Christoph Hohmann in einem Betrieb nahe Fürstenwalde, der auf 30 Hektar Fläche Kresse anbaut, um Samen für den Einzelhandel zu produzieren. „Mein Vater hat einen eigenen Landwirtschaftsbetrieb in Thüringen. Ich könnte mir vorstellen, den einmal zu übernehmen“, sagt der 22-Jährige, der ebenfalls im zweiten Lehrjahr ist.

Im ersten Lehrjahr habe er auf einem großen Milchviehbetrieb in Damsdorf gearbeitet, dort sei die Ausbildung aber zu unpersönlich gewesen. Jetzt auf dem Biohof bekomme er wesentlich mehr Wissen vermittelt. Christophs Vater arbeite konventionell. Er habe jetzt aber gesehen, dass „nicht nur Leute mit Dreadlocks“ nach den biologischen Methoden arbeiten. Er selbst finde die Methoden interessant, ist sich aber unsicher, ob er auch Bio-Bauer werden möchte. „Wenn alle umstellen, bringt es nichts“, so Christoph. Dann wäre der Markt überfüllt.

Einen neuen Markt für sich gefunden hat die Agrargenossenschaft Hoher Fläming, bei der Richard Preuss seine Ausbildung macht. „Als der Dieselpreis hoch war, hat man eine Rapspresse angeschafft und die Traktoren auf Rapsöl umgestellt“, so der 18-Jährige. Dann fiel der Preis, Diesel war wieder günstiger, die Presse und Raps aber noch da. Also wurde Öl für die Küche gepresst. Inzwischen gibt es mehrere Variationen, etwa mit Knoblauch oder Chili. Sie werden am Gemeinschaftsstand des Landkreises auf der Grünen Woche präsentiert. Zu kaufen gibt es das Öl auch im Hofladen in Rädigke.

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