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ORTSTERMIN: Der Investor und das Dorf

Werder (Havel) - Ortsvorsteher Joachim Thiele (parteilos) ist in der Kemnitzer Ortsbeiratssitzung am Dienstagabend aufgebracht. „Da geht den Leuten die Hutschnur hoch, wenn hier jemand den Urkern von Kemnitz übernehmen will.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Ortsvorsteher Joachim Thiele (parteilos) ist in der Kemnitzer Ortsbeiratssitzung am Dienstagabend aufgebracht. „Da geht den Leuten die Hutschnur hoch, wenn hier jemand den Urkern von Kemnitz übernehmen will.“ Die Verpachtung von fast 15 Hektar Grünfläche im Kemnitzer Zentrum an den Investor Christian Fox diene einzig und allein dazu, dessen Hotel „Zum Rittmeister“ attraktiver zu machen, was per se ja auch nicht verkehrt sei. „Damit wird aber auch die Verpachtung des Parkes am Plessower See mit unserer Badestelle an Herrn Fox vorbereitet, denn laut Antrag sollen die zu verpachtenden Flächen den Auftakt zu einem Pfad mit Trimm-Dich-Stationen entlang des Sees sein.“

Zustimmendes Raunen im Gemeindezentrum, mit mehr als 50 Besuchern ist jeder fünfte Kemnitzer anwesend. Der Name „Fox GmbH“ auf der Tagesordnung zieht, das Verhältnis der Kemnitzer zum größten Investor des Ortes ist seit Jahren angespannt – es ist nicht immer klar, warum. Dem Senior gibt in der Pektinfabrik Dutzenden einen Job. Der Junior Christian Fox will neben und gegenüber seinem Restaurant Grundstücke pachten, um einen kleinen Park mit einem Rundweg sowie einem Zugang zum Plessower See – für seine Gäste und auch für die Kemnitzer – zu schaffen. Derzeit gibt es dort nur einen oft unter Wasser stehenden Trampelpfad. Dazu sollen Geräte Sportmöglichkeiten für ältere Menschen bieten. Thiele stichelt: „Die Fitnessgeräte sind doch lachhaft, außerdem kann Herr Fox die auch aufstellen, ohne die Flächen zu pachten.“

Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) entgegnet mit Nachdruck, dass die Stadt den Pachtantrag ausgearbeitet habe, nachdem der Ortsbeirat den Verkauf der Flächen an Fox vehement abgelehnt und eine Alternative gefordert habe. „Die wollen wir mit einem Pachtvertrag bieten, die Flächen bleiben aber öffentlich zugänglich.“ Zudem spare die Stadt durch die Verpachtung jährlich fast 8000 Euro, da sie die Flächen nicht selbst unterhalten müsste.

Die anwesenden Kemnitzer bleiben störrisch. Eine Frau fragt, warum in den Park mit Geräten 100 000 Euro investiert werden sollen, wo das Restaurant doch eher für Kurzzeitgäste und Hochzeiten bekannt sei. „Ich glaube kaum, dass eine Braut erst auf die Fitnessgeräte klettert, bevor sie ihr Hochzeitskleid anzieht.“ Andere beschweren sich, seit im Ort so viel investiert wurde, würden „sogar nachts um drei Uhr Autos fahren“. Eine weitere Kemnitzerin lobt das dörfliche Idyll der verwilderten Grundstücke. „Wenn ich mit meinem Enkel auf dem überfluteten Pfad zum See will, ziehen wir einfach die Schuhe aus und laufen barfuß.“

Investor Christian Fox hört sich alles gefasst im hinteren Teil des Raumes an und betont anschließend, dass auch er Natur anstrebe, die man nur eben das ganze Jahr lang betreten könne. Anschließend lässt Ortsvorsteher Joachim Thiele volkstümlich alle Anwesenden über eine Verpachtung abstimmen, Ergebnis: Fünf Kemnitzer sind für einen Pachtvertrag, 48 dagegen. Die Stimmung kann man nach der Sitzung auch am Ortsausgang sehen: Unter dem Ortsschild prangert ein Plakat „Foxhausen, Stadt Werder (Havel), Landkreis Potsdam-Mittelmark.“

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