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Potsdam-Mittelmark: Das Moor der Vernunft

Landwirt Jürgen Frenzel wurde eines Besseren belehrt: Statt Natur auszubeuten, schützt er sie heute

Beelitz - Seine Kollegen aus der Landwirtschaft würden sagen, er hat einen radikalen Lebenswandel vollzogen. Er hat sich dem Naturschutz verschrieben und ist so auf seine alten Tage vielleicht sogar ein bisschen verrückt geworden. Doch für den Beelitzer Bauern Jürgen Frenzel war es eine Sache der Vernunft: Jahrzehntelang hat er auf Kosten der Natur gelebt. Hat sie mit seinen Maschinen durchpflügt, empfindliche Feuchtgebiete trockengelegt, die Erde ausgebeutet, seltene Tiere und Pflanzen vertrieben – alles, um seinen Ertrag zu steigern. Doch damit ist Schluss.

Auf den Beelitzer Grenzelwiesen erobert sich die Natur ihre Räume zurück. Dort, wo im heutigen Naturpark Nuthe-Nieplitz zwischen Bockwurstgraben und der schmalen Nieplitz einst über Jahrzehnte Kühe die Grasnarbe zertrampelten und Bauern für Monokulturen sorgten, wächst heute wieder Gras über die früheren Schäden der Landwirtschaft.

Mit dem Geld von zahlreichen Straßen-, Häusle-, oder Windkraftbauern aus dem Landkreis entsteht im Südwesten von Beelitz seit drei Jahren ein etwa 41 Hektar großer sogenannter Flächenpool. Immer dann, wenn im Kreis für Neubauten Natur verschwindet und Böden versiegelt werden, wächst auf den Grenzelwiesen unter Aufsicht der Flächenagentur Brandenburg zum Ausgleich etwas mehr Natur heran. Dafür müssen die Bauherren vor Baubeginn zahlen.

Das Areal, so groß wie 28 Fußballfelder, gilt als sogenannte Ausgleichsfläche. Wer zum Beispiel ein Haus auf unversiegelter Fläche mit einer Grundfläche von 80 Quadratmetern baut, muss im Gegenzug 160 Quadratmeter Ausgleichsfläche erwerben. Auf den Grenzelwiesen kostet der Quadratmeter 3,50 Euro netto. Mit dem Geld wird das alte Niedermoor Stück für Stück wieder bewässert, dafür wurde die Nieplitz angestaut und Wasser auf den Acker geleitet. An einigen Stellen steht es heute schon zwölf Meter tief. Auf acht Hektar hat sich das Moor bereits ganzjährig ausgeweitet. Zusätzlich wurden neue Gräben angelegt und auch ein Aussichtsturm zur Vogelbeobachtung ist entstanden. In Zusammenarbeit mit der Stadt Beelitz wurden Rad- und Wanderwege gebaut, die Touristen in die einsame Natur führen. Erst am Dienstag wurde eine Infotafel aufgestellt.

„Andere Landwirte bezeichnen mich als grünen Bauern“, sagt Bauer Frenzel. Dem 61-jährigen Elsholzer mit der ruhigen Stimme ist es zu verdanken, dass heute wieder gefährdete Arten wie der Kiebitz auf den Grenzelwiesen im Schutz seltener Pflanzen brüten und in der Luft Milane ihre Kreise ziehen. Vor etwa fünf Jahren war der Landwirt zu der Einsicht gekommen, der Natur etwas zurückgeben zu müssen, auch wenn ihn seine Kollegen mahnten: „Geh nicht zu weit. Sei vorsichtig, die Naturschützer wollen immer mehr“, erinnert sich Frenzel. Das Gerede der anderen hat ihn nicht geschert. Er bot das trockene Moor der Flächenagentur an. „Wir konnten es uns leisten“, sagt Frenzel. Noch immer bewirtschaftet er andernorts 1600 Hektar Acker.

Doch auch trotz der dazu im Vergleich kleinen Fläche von 41 Hektar, die Frenzel zur Verfügung stellte, ist der Bauer einer von wenigen Landwirten im gewaltig großen Naturpark Nuthe-Nieplitz, der die Arbeit der Naturschützer damit aktiv unterstützt, sagt Parkleiterin Kordula Isermann. Seit die Biogasindustrie auch in Brandenburg einen Acker nach dem nächsten für sich reserviert, falle es dem Naturpark immer schwerer, Freiflächen in dem insgesamt 62 000 Hektar großen Park zu sichern. Geschweige denn, Landwirte zur Zusammenarbeit zu überreden. „Der Stellenwert des Naturschutzes sinkt“, sagt Isermann. „Mich begeistert, dass jemand wie Jürgen Frenzel, der vor 20 Jahren noch mitgewirkt hat, die Landschaft auszubeuten, heute ein Stück Natur zurückgewinnen will“, sagt Isermann.

Dabei lässt sich für einen Landwirt auch auf diesem Weg zumindest ein wenig Geld verdienen, sagt Frenzel. „Auch ich muss wirtschaftlich denken, ein Geschäft machen wir hier aber nicht.“ Noch immer kann er aber die Moorflächen im abgesprochenen Rahmen bewirtschaften. Er hält dort eine übersichtliche Herde Kühe. Im Auftrag der Flächenagentur mäht Frenzel zudem allzu hoch gewachsenes Gras ab und kümmert sich so um die Pflege des Moores.

Über 25 Jahre hat sich der Bauer dazu verpflichtet, sagt Anne Schöps, Chefin der Flächenagentur Brandenburg. Und danach? „Dann ist es dort schön“, sagt Schöps. Mit dem Geld der zahlreichen Bauherren im Kreis sei dann ein wertvolles Stück Natur dauerhaft gesichert worden. Denn auch im Anschluss dürfen die Grenzelwiesen nicht bebaut werden, sagt Schöps. Überhaupt müssten sich Bauherren sputen, noch freie Ausgleichsflächen an dem schönen Niedermoor zu erhalten. Etwa die Hälfte des Flächenpools sei bereits vergeben. Zuletzt habe sich ein Windparkinvestor gleich acht Hektar des Moores gesichert. Er braucht das Ausgleichsareal, um im Süden von Teltow 22 Windkraftanlagen bauen zu können.

Windkraft hin oder her, Landwirt Frenzel kann sich jeden Tag an seinem Moor erfreuen, sagt er. Schon als Kind war er oft hier und hat gemeinsam mit seinem Vater Heu geerntet. „In Gummistiefel mussten wir damals durch das Moor waten“, sagt Frenzel. Direkt ab dem Wegesrand stand schon das Wasser. Bald könnte es wieder so weit sein.

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