zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Champagnerroggen im Bier

Burgbräuhaus hat mit Getreideinstitut ein neues Produkt entwickelt. Publikumstest zur Grünen Woche

Bad Belzig / Nuthetal - Champagnerroggen-Bier. Die Assoziationen springen an, französische Lebenskunst paart sich mit deutscher Brautradition. Marketing-Experten hätten keinen edleren Namen erfinden können. Dazu die Neugier: Wie schmeckt Roggenbier? Was hat es mit Champagner zu tun? Seit sechs Wochen wird das Bier von Norbert Eggenstein im Burgbräuhaus Bad Belzig ausgeschenkt, am nächsten Montag soll es auf der Grünen Woche den Publikumstest bestehen.

Die Belziger sind dann zu Gast am Stand des Kreises Potsdam-Mittelmark, der auch in diesem Jahr kleinen regionalen Anbietern einen Tag lang eine Gastrolle ermöglicht. Dann ist Zeit für Erklärungen. Champagnerroggen ist eine Sorte, die Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Champagne nach Deutschland kam. Roggen gilt als anspruchslos, wächst auch bei schwierigen Bedingungen auf kargen Böden. Ideal also für Mittelmark, wo die Sorte bis in die 1960er Jahre angebaut wurde. Eggenstein kann auch erklären, wie der Weg zur regionalen Marke aussehen könnte.

Der Bierbrauer hat schon Erfahrungen mit Roggenbieren, hat mit fachlicher Unterstützung des Instituts für Getreideverarbeitung in Bergholz-Rehbrücke mit drei verschiedenen Sorten experimentiert. Bei einer Verkostung war Bernd Schulz dabei. Er betreibt in Gömnigk eine Freilandhaltung für Schweine, baut seit fünf Jahren jene Roggen-Sorte an. Der schöne Name fiel – und der Brauer konnte sich die Wirkung auf Verbraucher sofort vorstellen. Dagegen klingt es fast profan, wenn Bernd Schulz die Gründe für seine Anbau-Wahl aufzählt: Der Roggen gibt viel Stroh, dreimal so viel wie andere Sorten, und bindet den Kot seiner Schweine gut. Das Korn wird meist verfüttert. Bei Bäckern sei es wenig begehrt, zu viel Stärke.

Aber Eggendorf wollte vor allem das Korn – trotz des Pentosans, jenes „Klebstoffs“, der das Brauverfahren bei Roggen schwierig macht. Davon sei beim Champagnerroggen sogar weniger enthalten als in anderen Sorten, sagt er. Ein Gast merkt davon nur etwas, wenn er genau hinschaut: Etwas dickflüssig ist das Untergärige. Eggenstein ist zufrieden. Es geht in die Richtung eines Weizens, ist nicht so spritzig: fünf Prozent Alkohol, 12,9 Prozent Stammwürze. In Berlin wird es vom Fass ausgeschenkt, zu messeüblichen Preisen. „Aber nicht in Champagnergläsern“, sagt Eggenstein und lacht.

Die Entwicklung des Bieres ist nicht abgeschlossen. Gemeinsam mit Eggenstein hat das Getreideinstitut geforscht. Dort beschäftigt man sich seit Jahren damit, Roggen wieder hoffähiger zu machen. Jürgen Volk vom Institut hat das Bier gekostet: „Man trinkt, was man verzapft“, witzelt er. Das Bier habe eine fruchtige Note, sei vollaromatisch, mild. Die Farbe erinnere an Schöfferhofer mit Orange.

Einfach war es nicht, das Bier in seine Konsistenz zu bringen, sagt Volk. Zu 60 Prozent wird Roggen, zu 40 Gerste verarbeitet. Roggen speichere viel Wasser ein, im Läuterbottich sei die Filtration dadurch schwierig und einmal sogar zum Stehen gekommen. Am Ende soll möglichst ein reines Bier stehen. Um die Prozesse zu beeinflussen, könnte mit Enzymen gearbeitet werden; aber dies verstoße gegen das Reinheitsgebot, sagt Volk. An der Optimierung wird noch bis März gearbeitet.

Optimierung bedarf auch noch die Konstruktion eines regionalen Wirtschaftskreislaufes. Vermalzt werden musste der Roggen bei der Firma Klostermalz in Erlangen, sagt Volk. Ein grundsätzliches Problem: Im agrarstarken Brandenburg, zählt er auf, gebe es noch eine Mühle, drei größere Brauereien – und keine Mälzerei mehr. Die benötigten geringen Mengen seien kaum zu bekommen. Bestrebungen, für die lokale Nachfrage wieder eine Produktionsstätte aufzubauen, sind erst ganz am Anfang.

Auch Norbert Eggenstein überlegt weiter. Dieser Tage geht in Bad Belzig eine Whiskey-Destillerie in Betrieb – natürlich wird der Hochprozentige auf Roggenbasis entstehen. Und weil er mindestens drei Jahre und einen Tag lagern muss, denkt Eggenstein weit voraus: sein Whiskey 2016 bei der Grünen Woche.

Ingmar Höfgen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false