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Ding-Dong in Saarmund. Zum Ortsjubiläum schlägt ab Sonntag wieder die Kirchturmuhr.

© H. Klix

Saarmund wird 800 Jahre alt: Bischof Siegfried sei Dank

Saarmund feiert sein 800. Jubiläum mit einer Festwoche – und einer neuen Kirchturmuhr mit Stundenschlag

Nuthetal - Am Sonntag um 12 Uhr beginnt in Saarmund ein neues Zeitalter, im wahrsten Sinne des Wortes: Nach vielen Jahrzehnten wird eine neue Kirchturmuhr erstmals wieder die Stunde schlagen – und zugleich die Feierlichkeiten zum 800. Ortsjubiläum einläuten. Neun Tage lang werden mit verschiedenen Veranstaltungen Anknüpfungspunkte zur Geschichte des charmanten Örtchens gesucht, das durch die verschollene Nutheburg ebenso bekannt ist wie als Schauplatz der Western mit Gojko Mitic, als Station von Fontanes Wanderung oder als Eingangstor zur Nuthe-Nieplitz-Niederung.

Sogar Wein wurde hier einmal angebaut, er soll richtig gut gewesen sein. Das Braurecht verlor Saarmund derweil unverhofft, als 1862 aus fiskalischen Erwägungen das Stadtrecht abgemeldet wurde – was manche Einwohner an aktuelle Geschehnisse in der EU erinnert. Saarmunder Versuche, wieder Stadt zu werden und Bier brauen zu dürfen, wurden vom König brüsk abgewiesen. Saarmund hat es überlebt, darauf darf man schon mal anstoßen.

Im Domstiftsarchiv zu Brandenburg an der Havel befindet sich die Ersterwähnungsurkunde mit dem Datum 12. Dezember 1216. Saarmund, damals zur Zauche gehörend, war Grenzort zum slawischen Teltow. In der Urkunde geht es um eine Grenzbefestigung des Brandenburger Archidiakonats durch Bischof Siegfried II. Bei einem Festumzug am 9. Juli um 11 Uhr wollen die 300 Teilnehmer in 26 Bildern von all dem erzählen.

Das Festprogramm, vom Nuthetaler Geschichtsverein auf den Weg gebracht, ist für einen so kleinen Ort proppevoll. So wird eine Verkaufsausstellung des bekannten Potsdamer Landschaftsmalers Olaf Thiede stattfinden, der – wie es heißt, nach gutem Zureden – ein Saarmund-Motiv als Titelbild seines nächsten Thiede-Kalenders 2017 gewählt hat. Grundschüler übergeben ein Fliesenrelief mit Ortsmotiven, die Schule veranstaltet eine ganze Projektwoche zum Jubiläum. Es wird zur Soiree „Alt wie ein Baum“ in die Kirche geladen und auf dem Festplatz gefeiert mit einem  Kindermusical, kulinarischen Köstlichkeiten, Blasmusik und Zumba. Am 9. Juli ist ab 20 Uhr Party mit Livemusik, ein Feuerwerk darf natürlich nicht fehlen, alles im Zeichen des Geburtstags. Vereine und die Feuerwehr machen mit und Ortsvorsteher Kurt Kühne hofft, dass es fröhlich feiernd gelingt, einige der vielen neuen Einwohner zum Mitgestalten des Ortslebens zu gewinnen. Seit 1990 ist die Zahl der Saarmunder von 970 auf 1770 gestiegen.

Größter Höhepunkt im Jubiläumsjahr ist derweil am 3. Juli die Einweihung der Kirchturmuhr. Mitgliedern des Geschichtsvereins ist es mit der Kirchengemeinde gelungen, für die beiden neuen Ziffernblätter – eines an der Süd- und eines an der Ostseite des Turms – 13 000 Euro bei den Saarmundern und bei Freunden des Ortes zu sammeln. Seit wann es die Kirchturmuhr nicht mehr gegeben hat, ist unklar. Offenbar wurde sie im Zweiten Weltkrieg beschädigt, womöglich hat sie danach noch einige Jahre funktioniert, sagt Dieter Hinze vom Geschichtsverein, der den Wiederaufbau initiierte. Anhand weniger übriggebliebener Teile sei das Aussehen der Uhr am Computer visualisiert worden, bevor das 1,20 Meter durchmessende Ziffernblatt und die Zeiger bei Glockenschmidt in Berlin nachgebaut wurden. Uhr und Schlagwerk sind jetzt elektronisch.

Bei Turmuhr und Festwoche ist es im Jubiläumsjahr nicht geblieben: Nebenher wird seit Wochen zu Sonderführungen und Filmveranstaltungen mit Defa-Streifen eingeladen, die im Ort entstanden sind und für die Einwohner als Komparsen dienten. Bei den flockigen DDR-Western gingen die Saarmunder Berge mit dem richtigen Kamerawinkel als amerikanische Prärielandschaft durch.

Außerdem hat der Geschichtsverein, der in ganz Nuthetal aktiv ist, gemeinsam mit Einwohnern eine reich bebilderte Saarmunder Ortschronik mit 64 Seiten herausgegeben. Sie soll demnächst ergänzt werden durch eine Internetdatenbank mit allen relevanten Informationen der Chronik – und um 13 Schautafeln im Dorf, die QR-Codes zur Datenbank erhalten, wie die Vorsitzende des Geschichtsvereins, Angela Schneider, erzählt.

Die Recherchen zur Vergangenheit Saarmunds hätten sich gelohnt, besonders zu den Ereignissen rund um den Zweiten Weltkrieg seien neue Details ans Licht gekommen. Eine aus Tremsdorf anrückende Einheit der Ukrainischen Front beschoss den Ort am 23. April 1945 mit den gefürchteten Stalinorgeln, als drei Wehrmachts- und eine Waffen-SS-Kompanie sinnlose Gegenwehr leisteten. Die Einschusslöcher sind an der Kirche noch zu sehen, der Ort wurde noch am gleichen Tag eingenommen.

Eine zivile Sprengung dürfte Saarmund unterdessen im Dezember 1938 erschüttert haben: Beim Bau des Autobahnsüdrings traf man im Saarmunder Abschnitt auf ein Moor. Mit 20 Tonnen Sprengstoff erfolgte die seinerzeit größte Moorsprengung Europas. Es ist nur eine von dutzenden Anekdoten, die in der Ortschronik zu finden sind.

Für den Geschichtsverein ist die neue Kirchturmuhr der „nachhaltigste“ Beitrag zum Ortsjubiläum. Davon würden auch künftige Generationen profitieren, meint der Verein. Für den Lauf der Saarmunder Zeiten wird der Stundenschlag ein starkes Symbol.

Das komplette Programm zur Festwoche im Internet unter www.nuthetal.de, Reiter „800 Jahre Saarmund“

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