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600 Cannabispflanzen hat der junge Mann im Bungalow seiner Eltern angebaut.

© dpa

Prozess am Potsdamer Landgericht: Angeklagte gestehen Aufzucht von Cannabis

Ein 29-Jähriger baute in Stahnsdorf 600 Pflanzen an, seine Mutter will davon nichts gewusst haben. Während der Gerichtsverhandlung offenbart sich ein Familiendrama.

Von Enrico Bellin

Stahnsdorf - Beim Prozess um den Anbau von etwa 600 Cannabispflanzen in einem Stahnsdorfer Bungalow (PNN berichteten) haben die Angeklagten am gestrigen Montag im Potsdamer Landgericht die meisten Anklagepunkte bestätigt.

Der 29-jährige Sven S.(*) gab zu, hinter dem Haus seiner Adoptiveltern im Sommer 2013 einen Bungalow umgebaut und darin Cannabispflanzen aufgezogen zu haben. Eigentlich sollte laut S. in dem Bau eine Garage für sein Auto entstehen und Bücher seines Vaters eingelagert werden. „Die Idee, dort Marihuana anzubauen, kam mir erst während des Umbaus“, so Sven S. Vorher habe er sich über die Anzucht informiert. Die Pflanzen bekam er vom 33-jährigen Berliner Herbert A.(*), der – wie er gestern zugab – seit 2010 eine Plantage in einer Wohnung in Potsdam betrieb, mit der er insgesamt etwa viereinhalb Kilogram Cannabis produzierte und rund 18 000 Euro einnahm. S. und A. sitzen seit April 2014 in Untersuchungshaft. „Statt zu ernten, habe ich von meinen Pflanzen Ableger gezüchtet und nach Stahnsdorf gebracht“, so Herbert A. Dazu habe er die nötige Technik wie Lampen und Ventilatoren für die Anzucht besorgt und insgesamt etwa 7 500 Euro investiert.

Die erste Ernte verschimmelte

Die 600 Pflanzen wurden nicht gleichzeitig im Bungalow gezogen. Wie ein Kriminaltechniker beschrieb, waren in einem Raum 144 Pflanzen untergebracht, dreimal sollen dort Pflanzen aufgezogen worden sein. Dazu fanden die Polizisten etwa 150 junge Ableger, die Sven S. aus seinen Pflanzen gezogen hatte. „Damit wollte ich mich selbst mit neuen Pflanzen versorgen können“, so der Stahnsdorfer. Doch der junge Mann, der 2009/10 bereits mehr als ein Jahr in Haft saß – warum, wurde nicht erörtert – und dort seinen 9. Klasse-Abschluss nachholte, hatte Pech: Seine erste Ernte verschimmelte nach eigenen Angaben im Keller der Adoptiveltern. Daraufhin entstand ein Streit zwischen dem Stahnsdorfer und seinem Berliner Helfer, der auch wegen des Besitzes von 161 kinderpornografischen Dateien angeklagt ist.

Neben den beiden wird auch Steffi R. (*) beschuldigt, an der Plantage beteiligt gewesen zu sein. Über die 29-Jährige, die derzeit eine Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin macht, sollen sich die Männer kennengelernt haben. Zudem bestätigte sie, die Pflanzen auch gegossen und S. zur Plantage gefahren zu haben.

Adoptiveltern: Das Leben mit ihm war die Hölle

Daneben tat sich in den Aussagen der ebenfalls angeklagten Adoptiveltern, deren leibliche Tochter ein schwerer Pflegefall war und mit neun Jahren starb, ein Familiendrama auf. Ein Jahr nach seiner Geburt adoptierten sie Sven, der damals in einem Heim war. „Erst ein weiteres Jahr später fing er an zu lachen“, erinnert sich die Mutter. Sie selbst, die Lehrerin und seit August 2014 vom Dienst suspendiert ist, ist nach einem Gehirntumor teilweise gelähmt. Das Leben mit Sven beschreibt sie zeitweise als Hölle. Als er 16 war, haben sie und ihr Mann ihn angezeigt, nachdem er mit ihrem Auto unterwegs war. „Schlüssel und Bargeld haben wir abends immer zu uns genommen“, so die Mutter.

Der Vater sagt sogar, dass die erste Inhaftierung von Sven für sie eine Erleichterung war. „Wir haben zwar geheult, waren aber froh über die Ruhe.“ Nach abgebrochener Lehre und Arbeitslosigkeit seien sie erleichtert gewesen, dass Sven beim Umbau des Bungalows durchhielt und viel Engagement gezeigt habe.

Angeklagter wollte Gärtner werden

Wann genau der Vater von der Plantage erfuhr, konnte er nicht sagen. Zwar habe es ihn stutzig gemacht, dass es für die Räume des Bungalows verschiedene Schlüssel gab und er nur in einen Vorraum kam. Eingeweiht wurde er vom Sohn aber nach beider Aussagen erst, als im Keller zwei Zelte zur Trocknung der geernteten Pflanzen aufgebaut werden sollten. Die Mutter will auch davon nichts mitbekommen haben, ihr Mann habe ihr erst am Wochenende vor der Razzia das Treiben des Sohnes gebeichtet. Am 31. März 2014 flog die Plantage auf, für Sven S. ein ungünstiger Zeitpunkt: Zwei Tage später sollte er bei einer Gärtnerei anfangen zu arbeiten.

Der Prozess wird nun am 19. Januar fortgesetzt. Dabei gilt es insbesondere zu klären, ob die Angeklagten – neben ihnen soll auch eine Minderjährige beteiligt gewesen sein, deren Fall vor einem anderen Gericht verhandelt wird – in bandenmäßigem Stil handelten. Dann würden ihnen Haftstrafen von mindestens fünf Jahren drohen. (* Name geändert)

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