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Kunst als Kommunikation. Tina Flau tritt in ihren Künstlerbüchern in den Dialog mit Autoren. Sie gibt dabei die Themen vor. Mit Durs Grünbein ging es um die Tiefsee, mit Oswald Egger um grüne Gedichte (Foto) und Wortakrobatik.

© Andreas Klaer

Kultur: Tief hinab und hoch hinaus

Die Potsdamer Grafikerin Tina Flau erhielt einen der elf Brandenburgischen Kunstförderpreise

Immer wieder erzählt sie begeistert von Dresden, wie sehr die Künstler dort in der Öffentlichkeit wahrgenommen und auch gefördert werden. „Eine kunstsinnige Gesellschaft, die man hier in Potsdam so nicht findet“, sagt Tina Flau. Zwar sieht die Grafikerin den starken Zuzug gebildeter und kunstsinniger Leute, aber sie zweifelt daran, dass auch die hiesigen Künstler geschätzt werden. „Brandenburgische Künstler haben nicht so den guten Ruf oder besser gesagt, sie haben gar keinen.“ Diese Erfahrung habe sie oft gemacht, wenn sie irgendwo im tiefen Westen ausstellte und man ihren Wohnort einfach von Potsdam in Berlin umbenennen wollte. Dennoch hat sich die 50-Jährige entschlossen, nach ihrem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden hier zu leben: hier in Potsdam, in der Stadt ihrer hugenottischen Vorfahren. Und sie freut sich, dass nun endlich auch hier im Brandenburgischen etwas Bewegung in die öffentliche Anerkennung der Bildenden Kunst kommt. Denn zum ersten Mal vergibt das Kulturministerium in diesem Jahr elf Brandenburgische Kunstförderpreise in den Genres Literatur, Darstellende Kunst, Musik und Bildende Kunst. Tina Flau ist eine der drei Preisträgerinnen auf ihrem Gebiet. Das bedeutet für sie eine Einmalzahlung von 2200 Euro mit der Auflage, bis zum Jahresende eine neue Arbeit zu beenden.

Natürlich sei das keine Riesensumme. Aber für sie ist nicht das Geld allein entscheidend, sondern dass die Bildende Kunst überhaupt mehr ins Licht rückt. „Endlich wird die Förderung auf ein Niveau gehoben, das vergleichbar ist mit anderen Bundesländern“, so Tina Flau, die durchaus schon einige Stipendien und Preise erhalten hat, so in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Und nun gibt es in Brandenburg 2013 nicht nur die elf Kunstförderpreise und verstärkt auch Aufenthaltsstipendien im Künstlerhaus Wiepersdorf. „Ganz neu ist auch das ,Interstip’, mit dem brandenburgische Künstler erstmalig ins Ausland gehen können.“ Tina Flau verfolgt genau die wenigen Ausschreibungen zu Kunst im öffentlichen Raum. „Wenn es mal eine gab, wie etwa bei der Buga, kam es zu einem Ansturm von bis zu 1000 Künstlern, von denen dann ein oder zwei ausgewählt wurden. Da hatte man gar keine Lust, sich überhaupt zu beteiligen.“

Doch die schlanke Frau in Jeans und grauer gemütlicher Fleecejacke, die früher in der Landwirtschaft arbeitete, ist keine Künstlerin, die ständig klagt. Es nervt sie, immer gefragt zu werden, ob sie von ihrer Kunst auch leben kann. Sie kann es, denn sie sitzt nicht tatenlos in ihrem lichtdurchfluteten Atelier unter den Dachschrägen in Potsdam-West und wartet, bis sie von einem kunstsinnigen Käufer aufgestöbert wird. Während sich manche Kollegen einigeln und resignieren, wenn sie keine Ausstellungen bekommen, macht sie sich selbst auf den Weg. Sie fährt zu Messen, hält Verbindung mit mehreren Galerien und organisiert vielerorts Ausstellungen wie in diesem Jahr in Weimar, Ahrenshoop und im März im Kulturministerium Potsdam.

Es zieht sie in ihrer Kunst hoch hinaus und tief hinab, in die unerforschten Randsphären, ins Geheimnisvolle. Tina Flau interessiert sich für schwarze Löcher und fremde Planeten, für das oft Unsichtbare. In ihrem Atelier hängen derzeit Grafiken mit eigenwilligen blauen Verschlingungen zum Thema Astronomie, die scheinbar mühelos in den Kosmos vordringen. Die wochenlange schwere Arbeit, in der sie ihre Fantasiebündel spiegelverkehrt in Tiefdrucktechnik auf Platten radierte, ist diesen schwerelosen Giganten nicht anzumerken. „Schaue nicht auf deine Füße, sondern in die Sterne. Sei neugierig“, ist ein Ausspruch des Wissenschaftlers Stephen Hawking, den Tina Flau über ihren Ausflug in das Weltall gehängt hat.

Zuvor hat sie für ein Künstlerbuch gemeinsam mit dem Lyriker Durs Grünbein die Tiefsee durchforscht. Für ihre mittlerweile etwa 35 aus handgeschöpftem Papier selbstgebundenen Bücher sucht sie sich die entsprechenden Autoren aus, die ein von ihr gesetztes Thema literarisch begleiten. Bei Durs Grünbein wusste sie, dass er das Tauchen liebt und er war sofort auch mit einem Gedicht dabei.

Jetzt ist die Künstlerin auf die Bohne gekommen. Ihr eingereichtes Thema für den Brandenburgischen Kunstförderpreis heißt „Fremde Gärten“. Wieder soll ein Künstlerbuch entstehen. In Bibliotheken will sie recherchieren, wie die Reise der Bohne aus Südfrankreich nach Preußen verlief und dabei wohl zugleich auch Ahnenforschung betreiben. Denn es waren die Hugenotten, die die Hülsenfrucht hierher brachten. Die Calvinisten wurden aufgrund ihres Glaubens in Frankreich verfolgt und flohen unter Todesangst aus ihrem Land. „Dabei haben sie alles stehen und liegen gelassen, aber das Saatgut noch in ihre letzte Tasche gesteckt.“ Was passiert mit dem Fremden? Wie geht man mit alten Sorten um? Leisten wir uns Vielfalt oder setzen wir nur auf neue Züchtungen, die resistenter gegen Krankheiten sind, dafür aber weniger Geschmack haben? Hinter diesen scheinbar nur botanischen Fragen steckt für Tina Flau durchaus eine größere Dimension: wie die Gesellschaft mit Leistungsschwächeren umgeht, ob sie sich abgrenzt oder auf ein Miteinander setzt. Die Künstlerin zieht eine Verbindung mit dem Hugenottengarten im Holländischen Viertel, der hinter dem „Eine Welt“-Laden am Bassinplatz von der Französischen Kirchgemeinde seit etwa zwei Jahren betrieben wird, gedacht als interkultureller Garten zum Thema Toleranz.

Tina Flau fliegt gedanklich zwar hoch hinaus, ist aber tief geerdet. Vielleicht bedingt durch ihre Arbeit als Landwirtin, als sie auf Bauernhöfen ausgemistet und Kühe gemolken hat. Doch die Landwirtschaft ist ihr inzwischen zu maschinell. Sie mag es lebendiger, handgreiflicher und bestellt ihren eigenen Garten. Auch mit Bohnen. Und sie will mit ihrer Kunst kommunizieren, hinaustreten, sich über sinnstiftende Inhalte austauschen. Deshalb freut sie sich, dass zum Kunstförderpreis am Ende des Jahres eine Ausstellung im Dieselkraftwerk Cottbus stehen soll.

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