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Kultur: Seminar für den rechten (Hör-)Weg

„Klassik am Sonntag“-Gesprächskonzert zum 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart

„Warum ist Wolfgang Amadeus Mozart so faszinierend“, fragt Moderator Clemens Goldberg sich und das Publikum. „Jedes Jahrhundert hat seine Mozart-Kugel produziert!“ Wem will er selbige geben? Doch zunächst möchte er dem Publikum „Hörwege zu Mozart eröffnen“. Da lagen wir also jahrzehntelang dem Wolferl aus Salzburg zu Füßen, haben ihn bewundert, seine Sinfonien, Konzerte, Opern, Messen und sonstigen Hinterlassenschaften heiß und innig geliebt – und keinen Zugang zu ihm gefunden. Nun also ist endlich und messiasgleich Herr Goldberg gekommen, um uns Banausen bei einem „Klassik am Sonntag“-Konzert anlässlich des 250. Komponistengeburtstages auf den rechten (Hör-)Weg zu führen. Eine hehre, edle und reine Absicht, von der schon in der „Zauberflöte“ erzählt und gesungen wird und deren Ouvertüre den Auftakt zu „Goldbergs Mozart“ bildet.

In dem bis auf den letzten Platz ausverkauften Nikolaisaal wird sie vom diesmal in kleiner Besetzung aufwartenden Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter der zielstrebigen Leitung von Roland Kluttig gespielt – energisch, kraftvoll, klangschlank, voller Unrast. Diese Ruhelosigkeit versinnbildliche nicht nur Taminos Entrinnen vor der Schlange, erläutert zuvor der Moderator, sondern gleiche Mozarts Flucht vor seinen Gläubigern. Auch mit solchen Ansichten kann man sich in der Öffentlichkeit durchaus lächerlich machen. Dies also der rechte Weg zu Mozart!? Glücklicherweise spricht dessen Musik eine andere, vom größten Teil des Publikums auch richtig verstandene Sprache.

Vehement legt sich Goldberg mit den Ansichten des Mozart-Experten Ulrich Konrad an, dessen Thesen zur G-Dur-Serenade KV 525 „Eine kleine Nachtmusik“ im Programmheft abgedruckt sind. Bei seiner Erläuterung des „hinlänglich bekannten“ Werkes nebst klingenden Beispielen redet er sich schnell in Rage. Er analysiert, weil das Werk seiner Meinung nach eben nicht hinlänglich bekannt sei, schon das Eingangsthema, und stellt fast triumphierend fest: „In dem einfachen Thema ist eine Fehlkarte“! Mozart der Spieler und Zocker, hier bereits habe er sich mit seiner ganzen Persönlichkeit offenbart. O heilige Einfalt. Mit der fast manischen Akribie des Eiferers sucht Goldberg nach weiteren „gezinkten Karten“, deutet und deutelt, dass sich die Balken biegen. Fast scheint es, als bereite es ihm Lust, das Geheimnisvolle der Mozartschen Musik bloßzulegen, es zu sezieren. Nach dem Anatomielehrgang bemühen sich die Musiker erfolgreich um die Reanimation des (Klang-)Organismus''. Energisch und akzentbetont gehen sie zu Werke, dabei das Gefällige bewusst meidend.

Rhythmisch prägnant, lebendig und klanglich modern geht es auch bei der Wiedergabe der „Prager“ D-Dur-Sinfonie KV 504 zu, denen wiederum ein aufklärerisches Goldberg-Seminar voraus geht. In der Sinfonie bekomme man gratis Operneinblicke, verkündet der Tutor: in der Adagio-Einleitung des ersten Satzes in den ersten „Don Giovanni“-Akt (Fechtszene), im dritten Satz in das flinke Duettino aus „Figaros Hochzeit“. Und wieder breitet Goldberg eine Fülle von verbalen Deutungen und musikalischen Details aus. „Etwas zu viel des Guten“, grummelt es in des Rezensentens Rücken. Dann kommt erneut die Musik zu überzeugendem Wort. Dabei verstehen es die Musiker tatsächlich, kleine Opernszenen überaus bildhaft zu gestalten. Scheinbar Langweiliges mischt der Dirigent durch unverhoffte dramatische Zuspitzungen und jähe Rhythmuswechsel auf, treibt es so in die dissonanzengeschwängerte Unrast. Für das Andante findet er eine empfindsame Gesangslinie. Doch nicht nur hier liebt er das Leise – man muss nur genau hinhören. Kapriziös und quirlig tollt das Prestofinale vorüber. Und warum ist Mozart so faszinierend? Weil die Musiker um das Geheimnisvolle seiner Musik wussten, es nicht antasteten. Peter Buske

Peter Buske

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