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Kultur: Schmonzette aufgebügelt

Katharina Thalbach wirbelt den „Raub der Sabinerinnen“ am Hans Otto Theater auf

Als die Wiener Gebrüder Schönthan ihren Schwank vom Schmierendirektor Striese 1884 in Stettin uraufführen ließen, hatten sie Generationen von Theatergängern einen amüsanten Knaller beschert. Striese zu spielen, der auf der Jagd nach einem Bühnenerfolg hanebüchenen Provinzdilettantismus zur hohen Kunst erklärt, lockte viele Talente auf das Terrain der Edelklamotte.

So jetzt auch Katharina Thalbach in Potsdam. Die Trägerin des Grimme- und Deutschen Filmpreises, die Darstellerin des Jahres 1980 und jüngst erfolgreiche Opernregisseurin von „Hänsel und Gretel“ an der Semperoper schlägt hier gleich dreifach zu. Sie inszeniert das Ganze und spielt zudem auch den Bühnendirektor und dessen Ehefrau.

Beide haben ihre liebe Müh und Not, die Honoratioren einer Kleinstadt für den Besuch ihrer Wandertruppe zu gewinnen. Deshalb schmeichelt er dem Gymnasialprofessor, dass dessen verschämt aufbewahrter Schreibversuch einer Römertragödie geradezu genial und ein potenzieller Straßenfeger sei. Sie macht ihr Nähkästchen wirkungsvoller Bühnentricks auf und gewährt begriffsstutzigen Anfängern, wie man als beifallheischende Rampensau pointensicher reüssiert. Gefährlich an der ganzen Sache ist nur, dass die Gattin des Professors von all dem nichts wissen darf. Solange sie mit ihrer Tochter in Heringsdorf weilt, ist das auch zu händeln. Als sie aber plötzlich früher als erwartet in der Tür steht, müssen Intrigen und Geheimnisse her, die das Leben derProfessorenfamilie blitzartig zum Irrenhaus machen. Die Sabinerinnen kommen gerade noch so mit Ach und Krach zur peinlichen Aufführung, die durch einen Trick zum riesigen Publikumserfolg umstilisiert wird. Die Bühne (Mike Hahne) ist ein altdeutsches Wohnzimmer mit Goldschnittbuchrücken neben Goethebüste vor Gummibaumalkoven und Butzenscheiben. Der sprechende Kakadu belebt die Schwere eines Salons, in dem Zigarrenqualm und Chaiselongue von der Reputation ihrer Bewohner zeugen. Dass unter dieser Decke behäbiger Wohlanständigkeit in züchtigem Gewande (Kostüme: Jenny Schall) dennoch eine verkappte Sehnsucht nach großer Gefühlsraserei wohnt, das entpuppt sich erst nach und nach. So kann es Rahel Ohms übergriffiges Dienstmädchen, eine dampframmige Rosa im Witwe Bolte-Habitus, gar nicht mehr erwarten, dass die Komödianten endlich kommen. Der Professor (Hans-Jochen Röhrig) wiederum ist das stille und leise Gegenteil seiner Perle, eher ein Gast im eigenen Heim, der niemanden stören kann. Voll weicher Bescheidenheit kostet es ihn enorme Selbstüberwindung, auch mal den gestrengen Herrn des Hauses herauszukehren.

Das ist auch kein Wunder bei der Ehefrau. Rita Feldmeier zieht dieser die harten Stäbe einer betrogenen Gouvernante ein, die stets von den Ereignissen geprellt und überholt auf Rache sinnt. Als ihr im aussichtslosen Kampf um Contenance auch noch der Alkohol in die Quere kommt, gibt es Komödie satt vom Feinsten. Jennipher Antoni spielt die verliebte Professorentochter Paula. Ein Kabinettstückchen, über welch heiligen Ernst sich wahre Komik einstellt. Diese trockene Lakonie mit dem genauen Sensus für Situation – das brachte in alle Turbulenzen jenes Maß an Menschlichkeit, um deren Willen das ganze Tohuwabohu ja wohl schließlich erfunden wurde. Der und die Striese von der Thalbach: eine ausgebuffte, flinke Kugel auf kurzen Beinen kämpft im kleinkarierten Karo mit Seidentuch und Brillantine-Mittelscheitel um ihre Existenz; schmachtende Kulleraugen kontra knarrende Bassstimme zeigen eine geschmeidige Self made-Prinzipalin, die den Effekt „römischer Soldat“ genauso gut kann wie „verliebtes Frauenzimmer“. Dabei lässt der Humor der Thalbach auch immer in Abgründe blicken und sieht Menschen als arme Kreaturen, denen man wenigstens durch Mitleid helfen sollte. Diese Klasse hätte man dem ganzen Abend gewünscht, dessen laute Überdrehtheit auch schon mal unfertig wirkt.

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