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Die Hoffnung wird im Stück von „Tarántula“ immer wieder zerschlagen.

© Philip Baumgarten

Premiere in der fabrik: Eine Handvoll Glück

Das Stück „Hoffnung, ein Ding mit Federn“ verwebt drei Texte zu einer einzigen, dichten Erzählung. Es geht um Flucht und die Flüchtigkeit von Hoffnung.

Von Astrid Priebs-Tröger

Schon der Titel macht neugierig. „Hoffnung, ein Ding mit Federn“ heißt er und das Theaterkollektiv „Tarántula“ vom Offenen Kunstverein (OKeV) hat die gleichnamige Inszenierung am Freitagabend in der fabrik zur Uraufführung gebracht. Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Hoffnung – diese stirbt sprichwörtlich zuletzt - erscheint wichtig wie nie in unserer, von vielfältigen existenziellen Krisen zerrütteten Welt.

Im Mittelpunkt der fast zweistündigen und oft surreal-bedrückenden Inszenierung steht ein Kind oder besser gesagt, eine lebensgroße Puppe, die von zwei Spielerinnen bewegt wird. Dieses kleine Mädchen liegt gerade noch friedlich schlafend seinem Bett. Als mitten in der Nacht Soldaten mit Gewehren und Flüchtende mit Koffern auftauchen und die vorherige Stille von Schüssen und Schreien zerrissen wird.

Das Kind und wir mit ihm wissen anfangs nicht, ob wir uns mitten in einem schlechten Traum oder doch in einem realen Albtraum befinden. Doch spätestens als ihr Vater vor ihren Augen erschossen wird, beginnt letzteres und eine beschwerliche Flucht, die auf der Erzählung „Das Kind träumt“ von Hanoch Levin basiert.

Drei Texte – aus dem 12., aus dem 19. und einer aus 20. Jahrhundert - bilden die Grundlage dieser kollektiv gewebten, sehr verdichteten, vielschichtigen Textfassung, die unter der Regie von Philip Baumgarten und Alon Lior entstand.

Baumgarten sammelte in den 1990er Jahren erste Theatererfahrungen beim OKeV, hat ein Philosophie- und Regiestudium an der Ernst Busch-Hochschule beendet und arbeitet seitdem als freier Regisseur. Sein Regie-Partner Alon Lior ist ein israelischer Schauspieler und jetzt europäischer Freiwilliger beim Offenen Kunstverein.

Die (ursprünglich jüdische) Fluchtgeschichte wird mit der mystischen Erzählung „Die Konferenz der Vögel“ des Sufi-Gelehrten Farid Ud-Din Attar zu einer universellen verwoben. In „Hoffnung, ein Ding mit Federn“ tragen diese buntschillernden Figuren zwar Vogelnamen, sind aber eher im Lebenskünsterler:innen-Milieu angesiedelt. Sie bilden so etwas wie einen kommentierenden Part, blicken wie aus der „Vogelperspektive“ und philosophisch überhöht auf das reale menschliche Grauen. Eingebettet wird das alles in einen dichten Klangteppich, den Ilya Gusarov live erzeugt. Und in den unter anderem auch Schuberts „Leiermann“ eingewebt wurde.

Mehr als zwanzig erwachsene Schauspielerinnen und Schauspieler stehen dabei auf der Bühne, sie wechseln in der grotesken Schattenwelt – es gibt sowohl Gewalt- als auch Zirkusszenen – blitzschnell die Rollen. Besonders eindringlich sind vor allem die Szenen, die das Mutter-Kind-Verhältnis extrem auf die Probe stellen.

Eindringlich an die Situation geflüchteter Menschen gemahnt der „Staatsempfang“. Bei dem der Inselherrscher sich gekonnt medial windet und schließlich auch dem Kind das Überleben auf seiner Insel verwehrt. Wo aber bleibt die Hoffnung, dieser ausdauernde menschliche Glaube an Alternativen aus ausweglosen Situationen?

In „Hoffnung, ein Ding mit Federn“ wird sie immer wieder brutal zerschlagen – bis hin zur Szene mit den toten Kindern und deren messianischem Glauben an die eigene Auferstehung. Doch ganz am Ende gibt es noch diese zwei alten braunen Lederkoffer. Sodass sie sich zwar als ungemein flüchtiges Ding aber letztendlich doch als beständiges Gefühl erweist.

Hoffnungsvoll waren auch die Gründer:innen des OKeV vor über 30 Jahren. Und jetzt, wo Ulrike Schlue, Nikki Bernstern, Eva Kowalski und Sabine Raetsch älter geworden sind, hat sie sich mit der gut ausgebildeten Generation manifestiert. Neben Philip Baumgarten treten auch Tanja Wehling (Puppenregie) und Wieland Hilker (Videodesign) eindrucksvoll deren künstlerisches Erbe an.

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