zum Hauptinhalt
Ud Joffe und das Chor-Festival Vocalise in Potsdam.

© Sophie Malzo

Neustart nach Ausnahmezeit: Die 22. Ausgabe des Festivals Vocalise

Am 19. November beginnt die 22. Vocalise. Das Motto: „Rückblick nach vorn“. Bis zum 31. Dezember sind sieben Konzerte und ein Gottesdienst zu erleben.

Wenn am Samstagabend (19.11.) das Potsdamer Vokalfestival „Vocalise“ in die 22. Runde geht, ist das kein gewöhnlicher Auftakt. Nach zwei Jahren pandemischer Ausnahmezeit wollen der Künstlerische Leiter Ud Joffe und der Verein Musik an der Erlöserkirche e.V. wieder gemeinsam mit Zuhörerinnen und Zuhörern, Singenden und Musizierenden in eine Zukunft voller Musik, begeisternder Erlebnisse und Emotionen gehen.

Ud Joffe, geboren in der Nähe von Tel Aviv, ist seit 1997 Kantor der Erlöserkirche Potsdam.

© Andreas Klaer

Zugleich steht für Joffe ein persönliches Jubiläum ins Haus: Vor 25 Jahren kam er nach Potsdam. Seit 1997 leitet er in der Nachfolge des Kantors Friedrich Meinel die Chöre an der Erlöserkirche – und ist Initiator des herbstlichen Musikfestes Vocalise. Als Titel für die Ausgabe 2022 wurde „Rückblick nach vorn“ gewählt. Ud Joffe sagt dazu: „Die Musikgeschichte zeigt uns, dass Komponisten und Aufführende oft ganz bewusst die Zukunft aus der Vergangenheit heraus gestalteten.“

Zum Auftakt ein Prophet, der auch Resignation kennt

Als Eröffnungskonzert ist in der Erlöserkirche das Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy zu erleben, der vom Judentum zum Christentum konvertierte. Mit dabei sind die Potsdamer Kantorei, das Neue Kammerorchester Potsdam sowie renommierte Gesangssolisten wie der Bariton Sebastian Noack, der die Titelpartie singt, der Tenor Christian Elsner, die Sopranistin Dana Marbach und die Altistin Regina Jakobi.

Für Joffe ist Mendelssohns Oratorium ein Werk voll musikalischer Farbigkeit und inhaltlicher Tiefe. Das Oratorium war eines der populärsten chorsinfonischen Werke des 19. Jahrhunderts. In Deutschland war es während der nationalsozialistischen Zeit verboten. Elias gehört zu den bedeutenden Propheten des Alten Testaments. Sein Vertrauen in den Glauben ist bis in unsere Zeit hinein richtungweisend – für Juden und Christen gleichermaßen. Er ist ein Gottesmann, der auch Resignation und Einsamkeit kennt.

Hommage an eine Sängerin und Mutmacherin

Das Konzert schließt auch das wegen der Corona-Pandemie verschobene Gedenken an die bedeutende Potsdamer Konzert- und Oratoriensängerin Adele Iwer-Stolte mit ein. Sie verstarb am 26. September 2020, im Oktober hätte sie ihren 90. Geburtstag gefeiert. Seit Ende der fünfziger Jahre war sie regelmäßig Sopransolistin der Potsdamer Kantorei. Iwer-Stolte war Joffes Gesangsprofessorin an der Universität der Künste Berlin und wurde für ihn eine wichtige Mutmacherin: für die musikalische Arbeit an der Erlöserkirchengemeinde, als Dirigent der Potsdamer Kantorei, der Kantoreischule, des Knabenchors, der Seniorenkantorei sowie des Neuen Kammerorchesters.

1997 war es noch ungewöhnlich, dass ein jüdischer Musiker Dirigent evangelischer Kirchenchöre wird. Um Kantor zu werden, wäre die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche notwendig gewesen. Während der Proben profitiert die Kantorei von ihrem künstlerischen Leiter nicht nur in Sachen Musik, sondern auch von den Hintergrundinformationen zur jüdischen Religion. Joffes Verwurzelung im jüdischen Glauben manifestiert sich auch in seinem leidenschaftlichen, streitbaren Vorsitz der Synagogengemeinde Potsdam.

Das 22. „Vocalise“-Festival, gestreckt auf sechs Wochen, wartet bis zum Jahreswechsel mit einem vielfältigen Programm von sieben Konzerten und einem Gottesdienst auf. Im Orchesterkonzert am 24. November wird das Neue Kammerorchester Potsdam unter der Leitung von Ud Joffe die atmosphärisch dichte Serenade für Tenor, Horn und Orchester von Benjamin Britten sowie die tänzerisch-beschwingte Suite „Apollon musagète – Apollon, Führer der Musen“ von Igor Strawinsky musizieren.

Unter dem Titel „Kleiner Kaktus“ erklingen am 3. Dezember in der Aula der Rosa-Luxemburg-Schule Schlager und Filmmusik der 20er und 30er Jahre, gesungen von den Hannover Harmonists und dem Knabenchor Potsdam. Auch in der zweiten Hälfte des Festivals stehen echte Höhepunkte an: Arvo Pärts Magnificat-Vertonung (10. Dezember), Bachs Weihnachtsoratorium (17. Dezember), internationale Weihnachtslieder (26. Dezember) und das Silvesterkonzert mit Beethoven optimistischer 7. Sinfonie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false