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Angelika Zacek ist für einen Perspektivwechsel. Mit „Das brennende Aquarium“ zeigte sie 2017 in Cottbus, wie das aussehen kann.

© Marlies Kross

Geschlechtergerechtigkeit im Theater: „Karrieren von Frauen müssen auf den großen Bühnen stattfinden"“

Angelika Zacek feiert heute mit Konstantin Küsperts „Europa verteidigen“ in der Potsdamer Reithalle Premiere. Hier spricht die Regisseurin über ihre zweite Leidenschaft: den Kampf für eine Frauenquote am Theater.

Frau Zacek, heute Abend hat Ihre Inszenierung von Konstantin Küsperts „Europa verteidigen“ Premiere. Worum geht es?

In dem Stück geht es um Zukunftsvisionen für Europa. Aber auch um die Vergangenheit des Kontinents. Und das ist sehr lustvoll mit dem Mythos „Europa“ verbunden. Es geht aber auch um Frauen und um Gleichberechtigung.

Das ist ein Thema, das Sie auch neben Ihrer Regie- und Lehrtätigkeit umtreibt. 2017 haben Sie in Berlin zusammen mit anderen Regisseurinnen den Verein Pro Quote Bühne gegründet. Was sind dessen Ziele?
Wir wollen eine 50-prozentige Frauenquote in allen künstlerischen Ressorts, aber vor allem in Leitungs- und Führungspositionen. Bis heute werden an deutschen Theatern die Intendanten-Positionen in der Mehrheit mit Männern besetzt. Nur 22 Prozent der Häuser werden von Frauen geleitet. Bei der Mehrzahl der Inszenierungen auf großen Bühnen sieht das Verhältnis von Frauen zu Männern im Bereich Regie ähnlich aus.

Die Regisseurin Angelika Zacek im Hans Otto Theater, wo sie "Europa verteidigen" von Konstantin Küspert inszeniert. 
Die Regisseurin Angelika Zacek im Hans Otto Theater, wo sie "Europa verteidigen" von Konstantin Küspert inszeniert. 

© Andreas Klaer

Wir haben uns mal die Hans-Otto-Theater-Statistik der letzten Spielzeit von Tobias Wellemeyer angesehen: Von 14 Neu-Inszenierungen auf der Großen Bühne stammte eine einzige von einer Frau. Nur bei den Inszenierungen für junge Zuschauer waren die Frauen deutlich – fünf von sechs – in der Mehrheit. Also alles so, wie es die Studie von Monika Grütters „Frauen in Kultur und Medien“ von 2016 beschreibt?
Ja. Wirklich erschreckend. Es ist gut, dass jetzt eine neue Leitung da ist, die ein Bewusstsein dafür hat, und mehr Frauen inszenieren lässt. Das ist wichtig für uns Regisseurinnen, damit wir die Chance haben, künstlerisch gesehen zu werden, und zum Beispiel beim Berliner Theatertreffen bei den Preisen mitspielen können. Es geht um die Karrieren von Frauen, die zwingend auf den großen Bühnen stattfinden müssen. Nicht nur im Kinder- und Jugendtheater oder in der freien Szene. Und es geht auch um Themen für und von Frauen. Man muss bedenken, dass zwei Drittel des Theaterpublikums Frauen sind. Ich bin davon überzeugt, dass ich dieses Stück „Europa verteidigen“ anders inszeniere als ein Mann, weil ich einen anderen Fokus habe. Und letztendlich geht es immer auch um Macht.

Haben Sie in Ihrer freien Regietätigkeit seit 2008 selbst Benachteiligungen erfahren?
Es ist schon so, dass Frauen weniger zugetraut wird. Das ist ja nicht nur bei den Autoren so, dass ein Stück von einer Theaterautorin schlechter bewertet wird als das eines Autors. Darüber gibt es Studien, die zeigen, dass man Frauen von vornherein weniger zutraut. Das habe ich auch erfahren. Oder, wenn Sachen gut gelaufen sind, als ich zum Beispiel als beste Nachwuchskünstlerin nominiert wurde, habe ich an dem betreffenden Theater in der darauf- folgenden Spielzeit keinen Auftrag mehr bekommen. Auf meine Frage nach dem Warum wurde ich auf die übernächste Spielzeit vertröstet. Zu dem Zeitpunkt war dort im Regiefach keine einzige Frau engagiert.

Von den 23 geplanten Neuinszenierungen in der ersten Potsdamer Saison von Bettina Jahnke werden 14 von Frauen umgesetzt. Auch das Leitungsteam von „Europa verteidigen“ ist komplett mit Frauen besetzt. Was machen Frauen anders in der Zusammenarbeit als Männer?
Ich finde es angenehm, mit Frauen zusammen zu arbeiten, aber es gibt natürlich auch Männer, mit denen ich gern zusammenarbeite. Ich würde das nicht werten. Es hat immer etwas mit dem Bewusstsein, dem Respekt im Umgang miteinander zu tun. Meine spezifisch weibliche Sicht hat natürlich Einfluss auf das Ergebnis. Ich habe andere Erfahrungen, einen anderen Fokus als männliche Kollegen. In der jetzigen Arbeit arbeite ich mit Studierenden und habe auch Männerrollen mit Frauen besetzt, um eine Gleichberechtigung zu erreichen. Auch der Europa-Mythos ist von mir erweitert worden, da mir das Thema Gleichstellung sehr wichtig ist. In Frankreich wird schon lange mit Quoten gearbeitet, weil es den politischen Willen dafür gibt. Das wünsche ich mir auch für Deutschland, in dem man gerade das Gefühl haben kann, das man als Frau noch mehr kämpfen muss, um das zu erhalten, was da ist.

Ist das Inszenieren unter einer Intendantin anders als unter einem Mann? Bezahlt das HOT – auch das eine Forderung von Pro Quote Bühne – Frauen und Männer gleich?
Ich fühle mich hier sehr wohl und finde, dass Bettina Jahnke eine tolle Intendantin ist, denn sie schafft ein angenehmes Arbeitsklima. Und sie sagt: „Bei uns gilt die Richtlinie: Bei gleicher Qualifikation, gleichem Alter und gleichen Dienstjahren zahlen wir auch gleichen Lohn.“

Was bleibt in Sachen Quote noch zu tun?
In Sachen Quote: Vorgestern waren wir im künstlerischen Ausschuss der Intendantenrunde und haben über die Quote diskutiert. Diese festzulegen, dazu konnten sie sich noch nicht entschließen. Es kamen aber Stimmen, die meinten, dass es kein Zurück geben wird. Doch es gab noch nicht die Bereitschaft zur Selbstverpflichtung. Der Bühnenverein hat Weiterbildungen im Bereich Gleichstellung angeboten. Ich glaube, da fehlt noch ganz viel Input und vor allem Bewusstsein.

Und was bleibt zwei Tage vor der Premiere bei „Europa verteidigen“ noch zu tun?
Meine Schauspieler, Studierende der Filmuniversität Babelsberg, die mit „Europa verteidigen“ das erste Mal auf der Bühne stehen, brauchen zwei Tage vor der Premiere noch ganz viel Sicherheit. Das Thema „Pro Quote“ habe ich natürlich auch mit ihnen diskutiert und mich gefreut, wie politisch interessiert sie sind und dass sie ein gutes Leben für alle wollen.

„Europa verteidigen“, Premiere heute um 19.30 Uhr in der Reithalle des Hans Otto Theaters

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Angelika Zacek, geboren 1971 in Wien, arbeitet seit 2008 als freie Regisseurin, u. a. in Cottbus und Karlsruhe. 2017 war sie Co-Gründerin von „Pro Quote Bühne“, deren Vorstandsvorsitzende sie heute ist.

Astrid Priebs-Tröger

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