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Kultur: Gegen alle Widerstände angemalt

Vier Arbeiten der Moderne-Malerin Magda Langenstraß-Uhlig gehen als Schenkung ans Potsdam Museum – aus gutem Grund

Das Innere der Dinge sichtbar machen. Nicht das, was ist, beschönigen, sondern ihren eigenen Blick entwickeln, experimentell arbeiten. Darum ging es den Künstlern der Moderne – von denen, wie so oft in der Kunstgeschichte, vor allem die Männer in Erinnerung geblieben sind. Dabei drängten um 1900 erstmals auch Frauen an die Akademien, protestierten vehement dagegen, dass ihnen der Zugang zu einer staatlich anerkannten Kunstausbildung verwehrt war.

Um so erstaunlicher wirken die Bilder von Magda Langenstraß-Uhlig: 1914 – also quasi mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges – hatte sie Karl Langenstraß geheiratet, einen Truppenarzt, mit dem sie während des Krieges die Lazarette besuchte. Während er die Verwundeten verarztete, skizzierte und porträtierte sie. Ein ungewöhnliches Thema für diese Zeit – vor allem für eine Künstlerin. Viele Arbeiten können heute als sozialkritische Zeitdokumente gelesen werden. Eines der Gemälde, die so entstanden, geht jetzt als Schenkung ans Potsdam Museum – und zwar aus der Sammlung ihres Nachlass-Verwalters Siegmar Uhlig. Von den Schrecken des Krieges zeigt es oberflächlich wenig, es ist ruhig, kühl, blau. Es ist das Porträt eines Arztes, er guckt ernst, melancholisch vielleicht, aber er posiert nicht, scheint nicht extra Haltung angenommen zu haben, wie das sonst Porträtierte bis dahin gern getan haben.

Trotz dieses kritischen Blicks werden Magda Langenstraß-Uhligs Arbeiten noch vor dem Ende des Krieges, 1917, ausgestellt, in Halberstadt und Weimar und im Jenaer Kunstverein. Die zeitgenössische Presse lobte ihr starkes künstlerisches Empfinden. Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, hat dieses Bild des Arztes auch deshalb aus dem Nachlass Langenstraß-Uhligs ausgewählt, weil es für eine frühe Schaffensperiode Magda Langenstraß-Uhligs steht und – beeinflusst vom Impressionismus – den virtuosen Umgang mit Farbe demonstriert.

Neben diesem Bild gehen noch drei weitere als Schenkungen ans Potsdam Museum, dazu kommen mindestens zwei Bilder, die als Dauerleihgabe zugesagt sind, eines davon mit unmittelbarem Bezug zu Rehbrücke. Ab diesem Samstag sind sie – zusammen mit 102 weiteren ihrer Arbeiten sowie 60 Werken von Zeitgenossinnen wie Sella Hasse, Jacoba van Heemskerck, Käthe Kollwitz oder Julie Wolfthorn – im Potsdam Museum zu sehen.

Während der größte Teil der dort gezeigten Werke ab 31. Januar Potsdam wieder verlassen muss, werden zumindest diese vier Bilder aber bleiben. Jutta Götzmann hofft, dass es noch mehr werden könnten. Sie will hier ein Magda-Langenstraß-Uhlig-Zentrum aufbauen, einen Ort schaffen, an dem zu ihr geforscht werden kann und an dem ihre Arbeiten in verschiedenen Kontexten ausgestellt werden.

Eigentlich liegt das nahe, schließlich hat sich die 1888 in Thüringen geborene Künstlerin um 1926 für Potsdam – genauer für die Künstlerkolonie Rehbrücke – als Wohnort entschieden. Da war sie schon alleine mit den beiden Töchtern, Karl Langenstraß war ein Jahr zuvor in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert.

Einerseits, weil er beruflichen Ehrgeiz hatte – er ging nach Washington, wo er als Gehirnforscher arbeitete. Zunächst schien noch unklar, ob sie und die Mädchen nachkommen würden. Magda Langenstraß-Uhlig, so schließt Jutta Götzmann es aus ihren Tagebüchern, wollte das wohl, Karl Langenstraß aber wahrscheinlich nicht. „Er war wohl durch den Krieg so schwer gezeichnet, ja wesensverändert, dass er die Nähe der Familie nicht mehr ertrug“, so Götzmann.

Magda Langenstraß-Uhlig aber begann, zusammen mit ihren beiden Töchtern, die Natur rund um Rehbrücke zu erkunden, das zeigt „Herbstwald“, ein zweites Ölgemälde, das jetzt in den Besitz des Potsdam Museums übergeht. Wie noch beim Porträt des Lazarettarztes glühen hier die Farben, die Formen lösen sich nicht auf, aber es hat etwas Expressives.

Stilistisch, sagt Götzmann, stehe es noch zwischen den Stühlen, „es zeigt aber schon ihre Vorliebe für Landschaftsbilder.“

Ganz anders wirkt daneben die „Geburt Christi“. Unmittelbar nach dem Krieg, so Götzmann, „haben sich zig Künstler ganz intensiv mit religiösen Themen auseinandergesetzt“. Vielleicht, weil sie die Katastrophe, die sich da ereignet hatte, an der nicht wenige mitgewirkt hatten, gar nicht anders fassen konnten. Weil sie irgendwie, irgendwo wieder einen Sinn finden mussten in diesem allen Illusionen beraubten Sein. Bei Magda Langenstraß-Uhlig stürzen hier langgezogene Leiber über und untereinander, biegen sich. Vom Glühen, der frohen Farbigkeit des Im- und Expressionismus, ist hier keine Spur mehr, die Töne sind gedämpft, alles ist klarer konturiert.

Vielleicht schon ein erster Hinweis auf die Neue Sachlichkeit? Mitte der 1930er-Jahre verlässt Magda Langenstraß-Uhlig Deutschland, reist viel, unter anderem für drei Monate in die USA. Klar, sie will auch Karl Langenstraß aufsuchen, will es noch einmal versuchen. Vergeblich.

Künstlerisch aber bringt sie die Reise weiter, wieder verändert sich ihr Stil, wieder probiert sie etwas aus, experimentiert. Kaum in New York angekommen, ist sie – die sich in Deutschland gegen Berlin und für ein Leben in der Natur, im beschaulichen Rehbrücke, entschieden hat – begeistert von den funkelnden Lichtern, den Leuchtreklamen, der Großstadt. Sie weiß aber auch: Sie muss hier malen, sie muss etwas mit nach Hause bringen, das sie verkaufen kann. Denn finanzielle Unterstützung bekommt sie von Karl Langenstraß nur sporadisch, sie aber will ihren Töchtern eine gute Ausbildung garantieren. Ihm, dem Vater, soll das nicht wichtig gewesen sein. „Er soll schon bei der Geburt der Mädchen gesagt haben, sie könnten ja Haushälterinnen werden“, sagt Götzmann. Auch aus dieser Periode geht eine Arbeit – „New York Blick in eine Straßenschlucht“ – jetzt ans Potsdam Museum.

Sechs Bilder, das mag erst mal wenig klingen. Für eine Stadt wie Potsdam, in der man Kunst der Moderne zwischen all dem Barock bisher so sehnsüchtig wie vergeblich sucht, ist es aber eine Menge.

Die Ausstellung „Künstlerinnen der Moderne – Magda Langenstraß-Uhlig und ihre Zeit“ ist ab dem 24. Oktober und dann bis zum 31. Januar 2016 im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, zu sehen.

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