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Silvesterparty im Nikolaisaal: Eine musikalische Safari

Potsdams Kammerakademie unter Leitung von Clemens Schuldt bot der „wahren Musikhauptstadt“ im Nikolaisaal eine heitere, tierische Silvesterparty. Zugaben waren bereits eingeplant.

Weg mit aller Besinnlichkeit, denn das Jahr 2015 hatte in der Politik genug Dramatisches und Trauriges parat: Bei den Silvester- und Neujahrskonzerten im Nikolaisaal setzte man auf Vielfalt. Vergnügen pur war das Leitwort zum Jahreswechsel. Mit Hilfe von musikalischen Knallbonbons sollten am Silvesterabend die bösen Geister vertrieben werden. Das war auch der Wunsch von Clemens Schuldt, der zur aufstrebenden jungen Dirigentengeneration gehört. Ab kommender Saison wird er Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters.

Am Silvesterabend, auch am Nachmittag des letzten Tags des Jahres, dirigierte er die Kammerakademie Potsdam im vollbesetzten Nikolaisaal. Mit großen Dirigenten- und Solistennamen der Klassikszene, die für Glamour sorgen, wartete man nicht auf, sondern mit Künstlern, die reine Freude am Musizieren haben und mit Qualität und Originalität glänzen. Dafür waren Schuldt und die Kammerakademie Potsdam ein Garant.

Der moderierende Dirigent erinnerte an Tief- und Höhepunkte im Musikleben des vergangenen Jahres. Die Nachrichten vom Tod Kurt Masurs und der Rückzug Nikolaus Harnoncourts vom Dirigentenpult sind höchst traurig, doch schnell kam er auf erfreuliche Botschaften von 2015 zu sprechen, nämlich, dass Kirill Petrenko Nachfolger von Sir Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern wird. Und dass Potsdam die wahre Musik-Hauptstadt sei. Applaus konnte er für diese Schmeichelei natürlich einheimsen, aber dass die Kammerakademie den Echo-Preis als „Bestes Orchester des Jahres“ gewann, ist schließlich nicht von der Hand zu weisen.

Clemens Schuldts Auflistung seiner Dirigate bei renommierten Orchestern ist beträchtlich, doch ist ein erfolgreiches Musizieren am jeweiligen Konzertabend ausschlaggebend. Souverän hielt er am Silvesterabend die Fäden in der Hand. So konnten die Musikerinnen und Musiker sich mit großer Lockerheit durch das Konzert bewegen. Dazu warteten sie gewohnt mit feiner Spielkultur auf. Es schien, dass sie Freude an der Gestaltung des bunten Programms hatten. Zu einer musikalischen Safari in die Tierwelt begaben sich Dirigent und Kammerakademie. Dabei wurde ganz nebenbei ein Blick in die Musikgeschichte geworfen.

Tiere haben immer wieder ihre Komponisten gefunden, die Spaß daran hatten, Stimmen von Vögeln, Hunden und so weiter „nachzuäffen“ oder „verwandtschaftliche“ Beziehungen von Mensch und Tier humorvoll zu untersuchen. So wurde die jahresendliche Kammerakademie-Exkursion ins Tierreich zu einer heiteren tierischen Silvesterparty. In der Nachmittagsvorstellung ging es für Kinder und Familien besonders bunt und sogar kostümiert zu, aber auch die Abendvorstellung hatte es in sich. Begonnen wurde mit dem charmanten ersten Satz aus der Suite „Die Vögel“ des Spätromantikers Ottorino Respighi, der mit ihr ein Loblied auf die singende Vogelschar Roms anstimmte.

Dann ging es zum emsigen Gegacker der Henne, der Joseph Haydn im ersten Satz seiner Sinfonie in g-Moll Nr. 83 eine Hommage verpasste. Der Witz und die Entdeckerfreude des Hofkapellmeisters des Fürsten Esterhazy kamen dabei wunderbar zur Geltung, nicht minder beim vierten Satz seiner g-Moll-Sinfonie. Schuldt legte Wert auf ein frisches Tempo, seine akzentuierten Rhythmen überließen dabei nichts dem Zufall. Die Kammerakademie wusste freilich ihre langjährigen Haydn-Erfahrungen ins Spiel zu bringen, agierte mit Spielfreude und Esprit.

Das erlebte man auch bei der Fantasie für Violine und Orchester mit dem etwas verrückten Titel „Der Ochse auf dem Dach“ des Franzosen Darius Milhaud. Erzählt wird eine karnevalesk-surrealistische Geschichte in einem Pariser Lokal, die vor allem durch die fetzigen lateinamerikanischen Klänge und Rhythmen sehr für sich einnimmt. Hierbei kommt der Konzertmeister Peter Rainer als Solist ins Spiel, der wie seine Kolleginnen und Kollegen musikalisch für köstliche Unterhaltung sorgte.

Darüber hinaus sorgte er für manchen Spaß, der beim Silvester-Publikum gut ankam. Er animierte es beim Nachtfalter-Walzer von Johann Strauss Sohn sogar zum Mitschwingen. Zu guter Letzt tanzten einige Paare zwischen den engen Stuhlreihen im Dreivierteltakt. Das Bläsernonett der Kammerakademie hatte mit der Fledermaus-Ouvertüre seinen großen launig und klangschönen Auftritt. Zum Finale folgten noch zwei beschwingte Polkas von Strauss.

Nach dem langanhaltenden Beifall waren die Zugaben natürlich eingeplant. Zunächst Nikolai Rimski-Korsakows schwirrend-eiliger Hummelflug, dann der unverwüstliche Radetzky-Marsch von Johann Strauss Vater, bei dem man mal so „richtig auf die Pauke hauen“ konnte. Pardon, lieber Paukist Friedemann Werzlau. Dass er mit kultivierten Schlägen aufwarten kann, ist hinlänglich bekannt, aber dass er auch zugleich ein großartiger Kuckuck ist, konnte man in der Krapfenwald’l-Polka mit großer Freude feststellen.

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