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Auf der Karriereleiter. „Wenn ich nicht für Vögel so schwärmen könnte, säße ich nicht hier“, sagt die Autorin Nell Zink im Gespräch mit Moderator Knut Elstermann.

© Johanna Bergmann

Zwiegespräch unter Vogelkundlern: Die Schriftstellerin Nell Zink las im Literaturbüro

Immer dieser Jonathan Franzen. Der amerikanische Autor scheint über Nell Zink zu schweben wie das Bildnis Theodor Fontanes im Brandenburgischen Literaturbüro, wo die Schriftstellerin, Shooting-Star des Literaturbetriebs, aus ihrem kürzlich erschienen Roman „Der Mauerläufer“ am Dienstagabend las.

Immer dieser Jonathan Franzen. Der amerikanische Autor scheint über Nell Zink zu schweben wie das Bildnis Theodor Fontanes im Brandenburgischen Literaturbüro, wo die Schriftstellerin, Shooting-Star des Literaturbetriebs, aus ihrem kürzlich erschienen Roman „Der Mauerläufer“ am Dienstagabend las.

„Ich verdanke ihm alles in meiner Karriere“, sagt die US-Amerikanerin über Franzen. Dabei war dieser mit seinem Roman „Korrekturen“ eine „literarische No-Go-Area“ für Zink, in einer Zeit, als ihr Vater, so wie der Protagonist im Roman, dement wurde. Die Entstehungsgeschichte von „Der Mauerläufer“ steht inzwischen in allen Feuilletons großer deutscher Zeitungen, und Zink musste sie auch hier noch mal, von Moderator Knut Elstermann darum gebeten, zum Besten geben: Die Vogelliebhaberin Zink schrieb einen zweiseitigen Brief an den Hobby-Ornithologen Jonathan Franzen, um für ihren Freund Martin und dessen Vogelschutzprojekt auf dem Balkan zu werben. „Du schreibst so gut“, habe Franzen zurückgeschrieben. Ein Briefwechsel entspann sich zwischen beiden. Franzen lobte ihren Stil, wollte ihr helfen, Schriftstellerin zu werden. Das empfand Zink, die seit mehr als zehn Jahren in Deutschland lebend kaum noch Englisch sprach, eher als verstörend. Und: „Ich wollte nicht ermutigt werden.“

Um dem Star-Autor zu beweisen, dass sie längst Schriftstellerin ist, sandte Zink, die bislang nur für ihre Freunde Texte verfasste, einen Drittel ihres Romans „Der Mauerläufer“ an Franzen – geschrieben in vier Tagen, „zehn Stunden Tipptipp“. „Meine höchste Tugend als Schriftstellerin: Ich bin fleißig“, sagt Zink in einem hinreißend feinen Deutsch, bei dem nur die Aussprache sie als Amerikanerin outet. Franzens Agentin nahm Zink unter Vertrag. Mit sechsstelligen Beträgen als Vorschuss für die Autorenrechte könne sie nun „arbeiten im utopischen Sinne“, nicht entfremdet, nur das tun, was Spaß mache, nämlich schreiben.

„Der Mauerläufer“ ist denn auch eine Reminiszenz an Franzen, und lässt sich zugleich als Zwiegespräch mit ihm lesen. Voller literarischer Verweise, amerikanischer Idiome, die der Autor sicherlich wiedererkenne, so Zink. „Ich schrieb für Jonathan Franzen.“ Der Debütroman der 1964 in Kalifornien geborenen Zink liest sich so rasant, wie er geschrieben wurde. Er handelt, kurz gefasst, von einem amerikanischen Vogelkundler-Paar, Stephen und Tiffany, das in Bern lebt, dem Vogel namens Mauerläufer (Tichodroma muraria) und nicht zuletzt vom Balzverhalten von Mensch und Tier. Das Ehepaar engagiert sich im Umweltschutz und im Ehebruch. Beides führt sie in die Elbwiesen Sachsen-Anhalts und nach Berlin. Wie eigentlich an allem – außer vielleicht an Vögeln – lässt Zink an der Hauptstadt und ihren internationalen Bewohnern kein gutes Haar: „Es war an die 20 Grad, und die jungen Frauen trugen ausrangierte Armeeparkas und Pudelmützen; ihre Haut war ganz winterlich und bleich, als hätten sie im letzten halben Jahr nichts als Nikotin und Nudeln zu sich genommen und in Verliesen gewohnt.“

Zink selbst habe sich Berlin nie leisten können, wie sie sagte. Nach ihrem Studium in Tübingen und einer Promotion in Medienwissenschaften lebte sie erst kurz in Israel und zog dann nach Bad Belzig, wo sie für nicht einmal 400 Euro warm (auch das steht bereits vielerorts geschrieben) immer noch wohnt. Nur eine Lesung aus ihrem Roman gab es in Bad Belzig noch nicht. „Rowohlt will für eine Lesung 300 Euro, die Belziger können sich eine Lesung mit mir nicht leisten“, sagte sie. Vieles gibt Zink preis und verschont mit ihrem Spott, der auch ihren Roman durchzieht, nicht einmal ihren Verlag. Ihr Übersetzer Thomas Überhoff, zugleich Belletristik-Chef des Verlags, sei gelobt worden für seine Fassung, sagt sie. In der Lesung vergleicht sie trotzdem munter das Deutsche mit dem Original an Stellen, an denen sie die Übersetzung für nicht gelungen hält, aber Überhoff auf seine Wortwahl bestand.

Inzwischen ist in den USA ein weiterer Roman von ihr erschienen, an einem dritten arbeitet sie derzeit. „Damit Franzen mir bei meiner Karriere helfen konnte, musste ich kommerzieller schreiben“, sagte sie. „Mein Plan ist aufgegangen, seiner auch.“ 2015 schrieb sie „Mislaid“ und war damit für den National Book Award nominiert. Jonathan Franzen nicht, konnte sie sich nicht verkneifen hinzuzufügen. Grit Weirauch

 

 

 

 

Nell Zink: Der Mauerläufer. Erschienen im Rowohlt-Verlag. Preis: 19,95 Euro (Hardcover), 16,99 Euro (E-Book).

Grit Weirauch

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