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Caterina Westphal schildert in ihrem Buch den harten Alltag von Pflegekräften.

© Foto: Ottmar Winter

Die Not der Pflegenden: Caterina Westphal blickt hinter die Kulissen der sterilen Krankenhauswelt

Mit „Herzstation. Lach doch, wenn du noch kannst“ legt die gebürtige Potsdamerin ein rasantes Erstlingswerk vor. Drastisch schildert sie in dem Buch den harten Alltag von Pflegekräften.

Von Alicia Rust

Caterina Westphal ist keine Frau der großen Gesten. Während sie durch den herbstlichen Schlosspark Sanssouci spaziert, hat sie ihre Hände tief in den Manteltaschen vergraben. Gerade hat die Kulturwissenschaftlerin, die überwiegend als Komponistin für Filmmusik arbeitet, das Buch „Herzstation. Lach doch, wenn du noch kannst“ veröffentlicht.

Dabei hatte die gebürtige Potsdamerin anfangs gar nicht geplant, ein komplettes Buch zu schreiben. Die Idee sei durch Zufall entstanden. Ausschlaggebend war ihre jüngere Schwester, die im Laufe der Jahre als hoch spezialisierte Krankenschwester auf mehreren kardiochirurgischen Intensivstationen in großen Krankenhäusern gearbeitet hat.

„Irgendwann wurde sie immer einsilbiger, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam“, sagt Westphal. Eigentlich habe ihre Schwester mit Leidenschaft und Idealismus ihren Beruf ausgeübt. „Aber ich habe bemerkt, wie die Belastungen über die Jahre immer stärker wurden“, sagt Westphal. Vor allem im Schichtdienst.

Die Belastungen auf den Stationen wurden über die Jahre immer stärker.

Caterina Westphal

Caterina Westphal ermutigte ihre Schwester, ihre Erfahrungen aufzuschreiben, um mit den täglichen Belastungen besser zurechtzukommen. Die beherzigte den Rat. Während sie gemeinsam Urlaub machten, las Caterina Westphal die Schilderungen ihrer Schwester: Ein einziger Tag auf der Station, komprimiert auf vier DIN-A4-Seiten. „Ich dachte: Uhi, das müssten auch andere lesen!“

Sie brachte die Aufzeichnung in Form, begann Fragen zu stellen, tiefgründiger zu recherchieren. Irgendwann fügten sich die einzelnen Fragmente zu einem Gesamtbild zusammen. In rasanten Szenen schildert „Herzstation“ den Alltag auf einer kardiochirurgischen Intensivstation, aus Perspektive der Krankenschwestern und Pfleger. Flotte Dialoge, detailreiche Ausführungen von Abläufen. Weit entfernt von dem, was man als Routine bezeichnen könnte. Der tägliche Wahnsinn in der Klinik. Ein Blick hinter die Kulissen der sterilen Krankenhauswelt.

Das Buch „Herzstation“ von Caterina Westphal erschien im Verlag Neues Leben, 336 Seiten, 20 Euro.

© Foto: Ottmar Winter

Keine Klischees aus Krankenhausserien

Fern von den üblichen Klischees der Krankenhaus-Vorabendserien schildert Westphal, deren Schwester anonym bleiben möchte, authentisch und in teils drastischer Sprache, womit das Personal Tag für Tag zu kämpfen hat. Fast immer mit zu wenig Zeit, mit überfüllten Stationen, mit Mängeln an allen Ecken und Enden. Von einer angemessenen Bezahlung ganz zu schweigen.

Auch an die Besonderheiten von den verschiedenen Patienten muss man sich erst mal gewöhnen. Einiges erscheint absurd, vieles ist unterhaltsam, bei mancher Schilderung bleibt einem das Lachen im Hals stecken. „Mir war vorher nicht bewusst, dass beispielsweise so viele stark übergewichtige Menschen operiert werden“, sagt Westphal. Das bringe besondere Herausforderungen mit sich. Viele Patienten entwickelten auch ein sogenanntes Durchgangssyndrom, das dazu führe, dass sie verwirrt seien, wenn sie aus der Narkose erwachen. Dieser Zustand ist für die Pflegenden, die mitunter beschimpft werden und mit Aggressionen ihrer Patienten zurechtkommen müssen, ebenfalls eine große Belastung.

Westphal sieht sich als Sprachrohr für die Belange von Menschen in Pflegeberufen. Die 58-Jährige versteht es, die Leser zu fesseln. Das alles wäre nur schwer verträglich, gäbe es nicht auch eine Portion Galgenhumor. „Das ist sicher eine der Überlebensstrategien von Krankenschwestern und Pflegern“, so die Autorin „Ohne den schwarzen Humor wäre der Beruf für viele vermutlich gar nicht auszuhalten.“

Das Dilemma ist ja, dass Krankenhäuser oftmals wirtschaftliche Unternehmen sind und deshalb an allen Ecken und Enden gespart wird!

Caterina Westphal

Bei der Zusammenarbeit mit ihrer Schwester habe es sich um eine wunderbare Synergie gehandelt. „Ich kannte einige ihrer Freundinnen und Kolleginnen; die haben sich in dem, was ich da für sie zusammengetragen haben, total wiedergefunden“, so die Autorin.

Nach der Lektüre von „Herzstation“ dürfte der Begriff „Pflegenotstand“ jedenfalls weit weniger abstrakt sein. War das ihre Absicht? Westphal schüttelt den Kopf. Als die Aufzeichnungen fertig waren – ein Jahr komprimiert auf rund 330 Seiten - sei das Werk erst mal in der Schublade verschwunden. Das sei kurz vor Ausbruch der Pandemie gewesen.

Covid als Brennglas

Dass es schließlich doch noch veröffentlicht wurde, war der Tatsache geschuldet, dass durch Covid plötzlich die Pflegeberufe in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wurden. „Das war wie ein Brennglas, auf einmal hat man genau gesehen, welche enormen Belastungen diese Berufe mit sich bringen.“ Dabei sei es bereits vor der Pandemie schlimm gewesen. „Die Kosten wurden schon vorher ständig gesenkt, ewig wurde an Personal gespart.“

„Zwar gab’s Applaus von den Balkonen“; geändert habe sich seither aber so gut wie nichts. Im Gegenteil. „Das Dilemma ist, dass Krankenhäuser oftmals wirtschaftliche Unternehmen sind. Deshalb wird überall gespart.“ Oft an der falschen Stelle. Es sei aber nicht nur eine Frage der Bezahlung, sondern auch eine der Anerkennung, so Westphal. Bleibt zu hoffen, dass ihr Erstlingswerk die öffentliche Diskussion über die Bedingungen von Pflegeberufen befeuert - und am Ende vielleicht nicht nur diskutiert - sondern auch endlich entsprechend gehandelt wird.

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