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Kultur: Das Kleid trug die Dietrich als Barbesitzerin

Abstrakte Kostümfotos in der Stadt- und Landesbibliothek

Abstrakte Kostümfotos in der Stadt- und Landesbibliothek Ein nicht identifizierbares Formenrund, das sich in der Bildunterschrift als Paprikaschote entpuppt, ein Federmeer, das einem Pelikan entstammt, ein Kohlblatt, das wie ein Toupet oder Steine, die wie Gebirge aussehen. Edward Weston gehörte 1930 zu den Vorreitern abstrakter Fotografie, „entdeckt“ wurde die unkonkrete, ungegenständliche Abbildung mit der Kamera zwischen 1916 und 1923 von Man Ray, Moholy-Nagy oder auch Paul Strand. Während Weston sich auf jedem Foto einem anderen Motiv näherte, befasst sich die Berliner Fotografin Gunda Oelmann ausschließlich mit Stoffen – die sie drapiert, verziert, aufbauscht und: abstrakt in Szene setzt. Eine Auswahl ihrer Arbeiten ist bis Dienstag im Treppenhaus der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam zu sehen. Die 1956 im Harz geborene Künstlerin hat zunächst Schneiderin gelernt, am Landestheater Dessau gearbeitet und sich schließlich zur Textilrestauratorin weitergebildet. Über die Fotodokumentation kam sie dann zur abstrakten Fotografie. Der Berliner Kunstwissenschaftler Christoph Tannert vergleicht ihre Arbeitsweise mit der eines Tontechnikers, der aus knisternden, kratzenden und wummernden Geräuschen geheimnisvolle Sinfonien bastelt, arrangiert, ablichtet. Dabei ist es alles andere als herkömmlicher Stoff, den Gunda Oelmann auf Negativ bannt. Die feinen und samtigen, glänzenden und schimmernden, weich fallenden und groben Textilien, die in Potsdam gezeigt werden, sind Bestandteil berühmter Filmkostüme. Faltenwürfe und Rüschen, Bänder und Nähte haben früher einmal die Kleider von Marlene Dietrich geschmückt, in dem 1956 gedrehten Film „In 80 Tagen um die Welt“, in der die Diva als Barbesitzerin auftritt. Im Auftrag der Deutschen Kinemathek Berlin hat Gunda Oelmann sie für die Schau „100 Jahre Film“ 1995 restauriert und dann fotografiert. Erst vor diesem Hintergrund bekommen die Stofflandschaften ihre besondere Bedeutung. Die rötlichen Blätter, die in der Mitte zusammenlaufen, wie von einem Sog angezogen, drei Filmminuten soll die Dietrich das Kostüm getragen haben. Die bräunlichorange schimmernden Gebirgszüge mit ihren Mulden und Wellen – sie lassen nicht den geringsten Verdacht aufkommen, wen sie einst gekleidet haben. Allein die Struktur des Stoffes ist auf den Bildern von Gunda Oelmann erkennbar. Ansonsten zeigen die Bilder abstrakte Stofffülle – die Modeliebhaber faszinieren dürfte, als sich wiederholendes Motiv aber an Spannung verliert. Besonders reizvoll sind hingegen die Fotos, die ein Kostüm zumindest andeuten. Die „Sich auflösende Verbindung“ in Altrosa. Lockere Fäden halten einen tiefen Ausschnitt zusammen. Oder „Marlenes Band“, das sich ornamental über rotschwarzen Tüll zieht. Erst hier kommt der auf Geschichtensuche gehende Betrachter auf seine Kosten, regen die Bilder zum Fantasieren an. So wie die Paprika oder der Grünkohl von Edward Weston. Schade, dass die Schau nur wenige solcher Fotos präsentiert. Marion Hartig Die Ausstellung ist noch in diesm Monat während der Öffnungszeiten der Stadt- und Landesbibliothek, Am Kanal, zu sehen. Eintritt wie immer frei

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