zum Hauptinhalt
Ausstellung "Drängende Gegenwart – Fotografie als Forschungsinstrument" im Foyer des Landtages Brandenburg in Potsdam. „Drängende Gegenwart – Fotografie als Forschungsinstrument“ ist eine Ausstellung der Fachhochschule Potsdam. Ausgestellt werden fotografische Arbeiten von Studierenden des Fachbereichs Design, die sich im Rahmen einer Lehrveranstaltung bei Professorin Wiebke Loeper in den vergangenen zwei Semestern mit dem titelgebenden Thema künstlerisch auseinandergesetzt haben.

© Andreas Klaer

Blechlawinen und Fischsterben: Wie Potsdamer Studierende die Gegenwart sehen

Im Landtag am Alten Markt sind Fotografien von Studierenden der Fachhochschule Potsdam ausgestellt. Sie schauen unerbittlich hin.

Von Richard Rabensaat

Fotos der krisengeschüttelten Gegenwart zeigen Studierende der Fachhochschule Potsdam im Landtagsgebäude bis Anfang September. Arbeiten aus zwei Fachsemestern sind während der Öffnungszeiten zu sehen. „Drängende Gegenwart“ ist der Titel der Ausstellung, deren Fotos zum Teil bereits beim Monat der Fotografie in Berlin ausgestellt waren. Das Fischsterben in der Oder im vergangenen Jahr, der gegenwärtige Krieg in der Ukraine, die Auflösung von Geschlechterrollen, es sind große Themen, konzentriert im überschaubaren Format, denen sich die Bilder widmen.

„Wir mussten uns erst einmal überlegen, was sich überhaupt von Potsdam aus und mit den Studierenden plausibel recherchieren lässt“, erklärt die Hochschullehrerin Wiebke Loeper, die zusammen mit der Medienwissenschaftlerin Birte Rauch das Projekt entwickelt hat. „Hungernde oder ertrinkende Eisbären zu fotografieren, wäre sicher nicht möglich gewesen.“ Nicht minder eindrucksvoll sind Fotos, die sich nun auf nahe liegende Dinge konzentrieren. Gibt es gegenwärtig in einer Großstadt so etwas wie „eine gemeinsam gefühlte Identität namens ‚Nachbarschaft‘ und wenn ja, wie gestaltet sich diese?“, fragt sich Jeannie-Darlene Köppe.

Schwarz-Weiß-Fotos von Menschen aus ihrer Spandauer Nachbarschaft kombiniert sie mit einem Zitat und schafft so ein knappes Porträt. Frau Schlicht, lächelnd auf dem Sofa sitzend, fragt sich, ob es heutzutage überhaupt noch vorkomme, dass Nachbarn einfach beieinander klingeln, um gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen.

Noch bis 8. September sind die Fotos im Landtag zu sehen.
Noch bis 8. September sind die Fotos im Landtag zu sehen.

© Andreas Klaer

Die Wohnung sei der Raum, in dem man seinen Abwehrpanzer fallen lassen könne, erklärt Herr Mc Clendon, melancholisch versonnen ebenfalls vom Sofa lächelnd. „Für jedes Thema mussten die Studierenden eine eigene Bildsprache finden“, beschreibt Professorin Loeper die Schwierigkeit des Projektes.

Die Stadt als Labyrinth

Einen Gegenpol zu den in sich ruhenden Wohnungsporträts bilden die Fotos von Martin Zerr. „Motoren laufen. Es ist voll. Stetiger Lärm, ohrenbetäubend. Die Stadt ist ein volles Labyrinth. Überall wird gequetscht und geschoben“, erklärt Zerr zu seinen Fotos der glänzenden Blechlawine auf Autobahnen und in grauen Straßenschluchten, die ein verdichtetes Panorama des Großstadtverkehrs zeigen.

Das Fischsterben in der Oder thematisiert Paula Kalinowski. Sie erinnert an eine der größten Umweltkatastrophen der vergangenen Jahre, bei der im Sommer 2022 Helfende 350 Tonnen Fischkadaver aus der Oder zogen. Aufgewachsen im Oderbruch ist Kalinowski eine aufmerksame Beobachterin der Veränderung des Flusses. Sie zeigt einfühlsame Bilder der Landschaft, von Feldern und Dörfern, von kargen Bäumen. Die Ursache der Katastrophe sei eine industrielle Übersättigung des Flusses mit Salzen gewesen, die nicht beendet sei, schreibt sie. Das Unheil könne sich jederzeit wiederholen.

„Fotografie als Forschungsinstrument“, so der Untertitel der Ausstellung, untersucht Benjamin Ressi im Hafen von Mukran auf Rügen. Dort hat Ressi ein Protestcamp gegen den Ausbau des Hafens als LNG-Terminal fotografiert. Bilder von Holzkreuzen als Protestskulpturen, von Demonstranten in Schutzanzügen. Der „moralische Ungehorsam“ sei der „Schlüssel zum Fortschritt“, schreibt Ressi.

Mit dem Projekt hätten die Studierenden die Möglichkeit gehabt, intensiv und längerfristig an einem Thema fotografisch zu arbeiten, so Loeper. „Das ist normalerweise im fotografischen Alltag so nicht möglich“, sagt die Professorin. Der übliche Arbeitsalltag der Absolventen sei vielfältig.

An der Fachhochschule erhielten die Studierenden daher eine breite Qualifikation, die sich von der Fotografie über das Gestalten von Texten bis hin zur Präsentation von Ausstellungen erstrecke. Am Wochenende, den 22./23. Juli, sind Arbeiten der Studierenden bei der Werkschau des Fachbereichs Design in der FH zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false