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Potsdam: Exot mit bewegter Geschichte

Die Stadt- und Landesbibliothek feiert ihr 25. Jubiläum. Dabei musste die Gründung musste zäh errungen werden.

Potsdam - Es war ein Ausleihmarathon. 1997 räumten Potsdamer Gymnasiasten einen Großteil der Wissenschaftsbestände der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (SLB) leer. Die Schüler wollten mit ihrer Massenausleihe auf den Fachbuchmangel hinweisen und gegen den Bildungsabbau protestieren, sagte Gabriele Fischer, Gründungsdirektorin der SLB, bei der gestrigen Pressekonferenz zur Jubiläumsfeier am morgigen Freitag. „Die Schüler haben die Bücher in Kartons aus der Bibliothek getragen.“

Die Stadt- und Landesbibliothek, die in diesem Jahr 25 wird, ist in der bundesrepublikanischen Kulturlandschaft ein Exot, so der ehemalige brandenburgische Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Hinrich Enderlein. Die Unterbringung einer öffentlichen Stadtbibliothek und Landesbibliothek unter einem Dach sei nicht üblich. Enderlein hatte sich Anfang der 1990er Jahre für die Fusion stark gemacht. Es waren zähe Verhandlungen, die Enderlein, Fischer und die Unterstützer der neuen Bibliothek führen mussten.

Es sei nach der politischen Wende nicht klar gewesen, was mit der alten Bibliothek geschieht, wer der neue Träger werden sollte, ob man eine reine Stadtbibliothek daraus macht oder eine Hochschulbibliothek will, was mit dem Personal, dem Gebäude und den Beständen passieren soll. Fischer, die später parteilose Beigeordnete für Bildung, Kultur und Sport wurde, leitete die Bibliothek von 1991 bis 2001 und hat die Umstrukturierung miterlebt. „Das waren alles Fragen, die uns damals intensiv begleitet und auch zum Teil schlaflose Nächte bereitet haben“, sagte sie. Mit dem Magistrat und dem damaligen Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) habe man viele Gefechte führen müssen. Denn die Stadt wollte zunächst, vor allem aus finanziellen Gründen, nicht die Trägerschaft mitübernehmen. Erst nach eineinhalb Jahren, am 2. November 1992, konnte die Vereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und der Stadt Potsdam über den Betrieb der Stadt- und Landesbibliothek von Minister Enderlein und Oberbürgermeister Gramlich unterzeichnet werden.

Die historischen Ursprünge der SLB liegen noch weiter zurück. 1922 wurde die Brandenburgische Landesbibliothek als „Wissenschaftliche Zentralbücherei der Provinzialverwaltung Brandenburg“ gegründet. Es wird dieses Jahr also auch der 95. Geburtstag der Landesbibliothek gefeiert. Die hatte ihren Sitz zunächst noch in Berlin und wurde erst 1939 nach Potsdam verlegt. 1968 fusionierte die Bibliothek mit der Stadt- und Bezirksbibliothek zur Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek (WAB).

Das Gebäude am Platz der Einheit wurde eigens zum 25-jährigen Jubiläum der DDR 1974 für die WAB errichtet. Die Bibliothek habe 770 000 Bestände beherbergt, sagte Fischer, die seit 1982 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der WAB arbeitete und später die Verwaltungsleitung übernahm. „Alle Publikationen, die in den Verlagen der DDR erschienen sind, waren in dem Bestand.“ Das Gebäude, das von 2010 bis 2013 komplett umgebaut und saniert wurde, sei für damalige Verhältnisse sehr modern gewesen.

„Es gab keinen geschlossenen Lesesaal, sondern zwischen den einzelnen Sach- und Fachgruppen Leseplätze. Auch ein Kinderbereich war schon eingerichtet und sehr beliebt“, so Fischer. Auch nach dem Beschluss zur Fusion von Stadt- und Landesbibliothek 1992 habe man immer wieder um den Fortbestand ringen müssen. Zu Beginn wollte der damalige SPD-Baustadtrat Detlef Kaminski noch ein Kaufhaus an der Stelle der Bibliothek errichten – bis 1995 die Stadtverordnetenversammlung für Erhalt stimmte. Die SLB habe unter Finanznot gelitten, so Fischer.

Jahrelang gab es keinen Etat, um neue Medien kaufen zu können. „Einmal kam ein Bücherbus aus Bonn mit Spenden“, erinnerte sich Fischer. Auch das Personal hatte die Umstrukturierung und die unsichere Finanzierung am eigenen Leib erfahren. Die ehemals 158 Stellen wurden sukzessive auf heute 45 gekürzt, auch um die Träger von der dauerhaften Finanzierung zu überzeugen.

Heute funktioniert die Finanzierung durch Stadt und Land. Der Medienetat sei im Vergleich zum Anfang verdoppelt worden, auf nun 360 000 Euro, so Direktorin Marion Mattekat. Und seit die Bibliothek nach dem Umbau wiedereröffnet habe, wachse die Zahl der Nutzer kontinuierlich. Die SLB hat mittlerweile mehr Besucher als jede andere Sehenswürdigkeit und Kultureinrichtung in Potsdam – auch wenn sie den Titel dieses Jahr wohl an das Museum Barberini wird abgeben müssen. Im letzten Jahr kamen 371 300 Besucher in die SLB.

Das große Doppeljubiläum wird am morgigen Freitag um 18 Uhr mit einer Talkrunde mit dem Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und weiteren Gästen gefeiert. Auch ehemalige politisch Verantwortliche und Wegbegleiter werden zu Wort kommen. Am Samstag ist von 10 bis 16 Uhr ein Programm für Familien mit Sonderführungen und Lesungen geplant. Der Eintritt ist frei.

Sarah Stoffers

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