zum Hauptinhalt
Sandro Szilleweit, Vorsitzender der Fraktion Die Andere.

© promo

Position zur Garnisonkirche von Sandro Szilleweit: Wiederaufbau verfehlt heutige Bedürfnisse

Ein Abriss der Garnisonkirche muss nicht durch Wiederaufbau gerächt werden, meint Sandro Szilleweit von der Fraktion Die Andere in einem Gastbeitrag.

Die Garnisonkirche soll „als Zeichen der Umkehr“ wiederaufgebaut werden, sagt Superintendent Zehner. Prägnanter kann man einen Widerspruch kaum formulieren: Welch ein Zeichen der Umkehr und Versöhnung soll es sein, ein mit negativer Symbolik und Schande beladenes Gebäude wiederaufzubauen und gleichzeitig zu beteuern, es wäre gar nicht so gemeint? Zehner muss aufpassen, sich nicht den Vorwurf der Täuschung einzuhandeln.

Im Washingtoner United State Holocaust Museum wird der Tag von Potsdam mit dem Hitler-Hindenburg-Handschlag als Symbol für die Antwort auf die Frage, wie es zum Holocaust kommen konnte, verwendet. Über 23 Millionen Menschen haben das entsprechende Foto betrachtet. Wer später durch Potsdam gehen wird, wird zunächst das Äußere der neuen alten Garnisonkirche wahrnehmen. Eine veränderte Innenarchitektur verhilft nicht zur Umdeutung des international bekannten Zeichens. Wenn Zehner so leidenschaftlich „Umkehr und Versöhnung“ fordert, dann soll seine Kirche etwas bauen, was nach „Umkehr und Versöhnung“ aussieht, und nicht das Gegenteil.

Die Aussage des Vorsitzenden der Fördergesellschaft Dombert, nach der der Garnisonkirche ein „Traditionsbruch untrennbar anhafte“, ist schlicht falsch. Auch ein Ort der Demokratie, wie er meint, wird eine neu aufgebaute Garnisonkirche definitiv nicht sein. Dieser Ort wird überwiegend von den finanziellen Eliten gewollt. Man erinnere sich nur daran, dass sich das Wiederaufbauprojekt permanent einer kritischen ergebnisoffenen Bürgerbeteiligung entzieht, seine Finanzierung aus Scham im Intransparenten belässt und dass es sich nur durch die Trickserei eines wohlgesonnenen Oberbürgermeisters einer basisdemokratischen Abstimmung entziehen konnte.

Dombert kritisiert ein „Schwarz- Weiß“-Denken in Bezug auf die städtebauliche Gestaltung der Potsdamer Mitte, nimmt aber selbst eine Radikalposition ein. Für den kompromisslosen originalgetreuen Wiederaufbau verneint er naiv, gar infantil, die Gefahr der Vereinnahmung der alten Symbolik dieser Stätte. Als Garant dafür nennt er sich selbst (den Förderverein) und die Stiftung Garnisonkirche – zu deren Auflösung mit allen rechtlich zulässigen Mitteln die Stadt Potsdam zumindest theoretisch verpflichtet ist.

Weiter ist da Bischof Markus Dröge. Seine Rede auf der Herbstsynode der Landeskirche enthielt positive Ansätze. So plädierte der Bischof für „Lösungen, die von möglichst vielen mitgetragen werden“. Weiterhin sprach er sich für ein Gebäude aus, dessen Architektur einen „Bruch mit der Tradition“ zum Ausdruck bringt. Außerdem stellte er fest: „Ein neuer Geist braucht auch ein erkennbar neues Haus!“ Bisher zeigte die Stiftung wenig Bereitschaft, den Worten des Bischofs Taten folgen zu lassen, und verweigert sich einem Dialog über alternative Gestaltungen.

Es ist schließlich etwas anderes, ein Gebäude bewusst wiederaufzubauen, als ein bestehendes umzunutzen. Ein kulturbarbarischer Abriss muss nicht zwingend durch einen Wiederaufbau gerächt werden. Sehr wohl darf die Gemeinschaft Sakralbauten fördern, jedoch sollte dies verhältnismäßig und anteilig erfolgen. Luxusbauten und Prachtfassaden sollte die jeweilige Religionsgemeinschaft aber schon selbst bezahlen. Auch der von Dombert gebrachte Stadtschloss-Vergleich hinkt, weil die Garnisonkirche im Gegensatz zum neuen Schloss keinen finanziell potenten Träger hat, der sich aus der Nutzung ergeben würde. Vielmehr lässt das Nutzungskonzept ausreichende Ideen zur Deckung laufender Kosten vermissen: Die Eintrittspreise für die Aussichtsplattform und der Verkauf von Devotionalien werden nicht für geschätzte jährliche 1,2 Millionen an Sach- und Personalkosten sowie für die bauliche Instandhaltung des Turms ausreichen.

Auch der Kooperationspartner Militärseelsorge/Bundeswehr kann dieses Kirchengebäude nicht gebrauchen. Der Gedanke an einen Großen Zapfenstreich der Bundeswehr vor der Garnisonkirche ist unerträglich. Unsere Armee einer freien Gesellschaft benötigt eigene, republikanische Traditionen und Tugenden. Die von der Garnisonkirche verkörperte Traditionslinie „Ein Volk, ein Kaiser, ein Reich, ein Führer“ stieß Deutschland und Teile der Welt bereits zweimal ins Verderben.

Sandro Szilleweit ist Vorsitzender der Fraktion Die Andere und Gründungsmitglied der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche.

Sandro Szilleweit

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false