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Politikwissenschaftler im PNN-Interview: „AfD-Positionen kopieren funktioniert nicht“

Politikwissenschaftler Jochen Franzke spricht im PNN-Interview über den Wahlausgang in Potsdam, Ludwigs Scheitern, das Abschneiden der AfD und die Krise der SPD.

Von Valerie Barsig

Herr Franzke, auch in Potsdam hat die AfD 12,8 Prozent der Zweitstimmen bekommen. Warum?

Es ist nötig, sich etwas mehr Zeit zu lassen, um die Ursachen für den Erfolg der AfD genauer zu erforschen. Eine Begründung lautet ja, AfD-Wähler kämen aus den abgehängten Regionen, daher, wo nichts läuft und wo keine Infrastruktur ist. Das alles gilt für Potsdam nicht. Es muss also andere Gründe geben, warum die AfD von Leuten in einer Stadt gewählt wird, die zu einem großen Teil sagen, es gehe ihnen gut.

Aber in Potsdam gibt es sicher auch Menschen, die eben genau das nicht über sich sagen würden.

Natürlich muss man sich die Stadt genau ansehen. Nicht in jedem Sozialraum und Ortsteil trifft das Bild des „guten und schönen“ Potsdams zu.

In vielen dieser Stadtteile hat AfD-Kandidat René Springer Stimmen bekommen.

Sogar mehr, als zu erwarten war. Potsdam steht vor einer Situation, in der sich die Stadtpolitik aus verschiedenen Gründen neu sortieren muss: Die SPD und die Linke sind mitten in einem Generationenwechsel. 2019 stehen Wahlen für den Landtag und 2018 für den Posten des Oberbürgermeisters vor der Tür. Jetzt müssen die Parteien überlegen, wie sie sich darauf vorbereiten und sich dabei mit der AfD auseinandersetzen.

Also auch mit René Springer – der lange nicht so verwurzelt in Potsdam ist wie die anderen Direktkandidaten.

Das ist tatsächlich ein anderer interessanter Punkt. Denn häufig werden in Brandenburg Leute nicht gewählt oder haben nur wenig Einfluss, wenn sie „nicht von hier“ sind. Springer ist da eine Ausnahme, die erklärungsbedürftig ist. Da muss man schauen, was der Hintergrund ist.

Wie könnte man das erklären?

Es passt nicht so richtig ins Bild. Eine Erklärung wäre die These der Protestwahl. Diese Wahl war für viele AfD-Wähler eine absolute Frustwahl, bei der ein Denkzettel für Ereignisse verteilt wurde, die schon zwei Jahre zurückliegen. Da ist es dann egal, wie der Kandidat heißt – auch in Potsdam.

Saskia Ludwig hatte die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel kritisiert. Das hätte vielleicht eben diese Frustwähler ansprechen können. Doch Ludwig war nicht erfolgreich. Was ist passiert?

Warum sollte jemand Saskia Ludwig wählen, wenn er auch „das Original“ haben kann? Ludwig ist ein typisches Beispiel des Versuchs, konservativ-rechte Positionen zu vertreten und damit AfD-Positionen zu kopieren. Das funktioniert aber nicht, wenn man eben auch sein Kreuz bei der AfD setzen kann. Ich denke trotzdem, dass Ludwig viele Stimmen bekommen hat, weil ihre Positionen persönlich authentisch sind. Trotzdem hat das am Ende nicht wie gedacht funktioniert und damit ist sie jetzt wohl politisch im Abseits gelandet.

Manja Schüle hat im Potsdamer Wahlkreis 61 das einzige SPD-Direktmandat in den Ost-Ländern gewonnen. Warum? Und was heißt das für die Partei in der Stadt?

Das liegt an der Aufteilung. Potsdam ist insgesamt mit einem großen Bevölkerungsanteil im Wahlkreis vertreten. Er ist auch aus symbolischen Gründen natürlich sehr wichtig, hier ist die Landeshauptstadt – das spielt eine große Rolle. Die SPD ist in Potsdam traditionell sehr stark und stellt den Oberbürgermeister. Das will jetzt verteidigt werden und das ist nur knapp gelungen. Und vor allem: Es ist nicht ausreichend, um zur Tagesordnung überzugehen. Die SPD muss jetzt überlegen, wie sie sich in Zukunft aufstellt, denn es ist gerade so gutgegangen.

Auch die FDP hat recht viele Stimmen bekommen.

Sogar überraschend viele bei den Zweitstimmen. Für die FDP ist das sicher positiv, denn sie ist in ganz Brandenburg deutlich erstarkt und hat ihr Tief überwunden. Sie könnte auch in der Stadtpolitik eine größere Rolle spielen, wenn es ihr jetzt auch gelingt, sich kommunalpolitisch besser aufzustellen.

Die Fragen stellte Valerie Barsig

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Zur Person:

Jochen Franzke (63) ist Professor fürVerwaltungswissenschaft an der Universität in Potsdam. Er forscht unter anderem zu Kommunen und zur Kommunalverwaltung.

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