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ORTSTERMIN: Mahnwache für den Frieden?

Montagabend gegen 18 Uhr vor dem Potsdamer Landtag: Dem starken Wind zum Trotz bauen eine Handvoll Menschen ein kleines Zeltdach auf, aus großen Boxen tönt Louis Armstrongs „What a wonderful world“. Nach und nach gesellen sich weitere Potsdamer dazu, die meisten fest eingemummelt in ihre Kapuze gegen den kalten Nieselregen.

Von Sarah Kugler

Montagabend gegen 18 Uhr vor dem Potsdamer Landtag: Dem starken Wind zum Trotz bauen eine Handvoll Menschen ein kleines Zeltdach auf, aus großen Boxen tönt Louis Armstrongs „What a wonderful world“. Nach und nach gesellen sich weitere Potsdamer dazu, die meisten fest eingemummelt in ihre Kapuze gegen den kalten Nieselregen.

Es trifft sich die „Potsdamer Mahnwache für Frieden und Menschenrechte“. Seit Ende März 2014 kommen montags vor dem Landtagsschloss etwa zwei Dutzend Potsdamer zusammen, um für den Weltfrieden zu demonstrieren. Der Initiator ist der Potsdamer Gerhard Labitzke.

Er ist mit der kleinen Truppe auf den Zug der sogenannten „Montagsdemonstrationen“ aufgesprungen, die seit März 2014 in vielen Städten für Schlagzeilen sorgten. Entstanden sind sie rund um den ehemaligen RBB-Moderator Ken Jebsen sowie den Chefredakteur der „Compact“, Jürgen Elsässer. Um sie scharte sich eine krude Mischung von Unzufriedenen, Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen: Sie schimpften auf die USA, die von ihr gesteuerte Finanzwelt, warnten vor „tödlichen Kondensstreifen“, wetterten gegen eine „gleichgeschaltete Journaille“ und werfen dem Westen Kriegshetze gegen Russland vor.

Und während in Deutschland fast niemand mehr über Montagsmahnwachen spricht, sondern über die islamfeindliche Pegida-Bewegung, trifft sich das Grüppchen immer noch in Potsdam. An diesem Montagabend sind es etwa zwanzig Potsdamer. Man kennt sich, Hände werden geschüttelt, Schultern geklopft. Immer wieder wird Musik gespielt. Michael Jackson ist zu hören, aber auch Titel des Duos „Die Bandbreite“, das in seinen Texten auch Verschwörungstheorien aufgreift und die Mondlandung anzweifelt. Zwischendurch gibt es Britney Spears.

Eine klare Linie ist nicht zu erkennen – weder in der Musikwahl noch bei den Themen. „Mir ist es wichtig, dass hier ein Meinungsaustausch stattfindet“, sagt der 58-jährige Labitzke. „Jeder soll sagen, was ihn beschäftigt, dabei kommt es durchaus vor, dass ich mit der ein oder anderen Aussage nicht einverstanden bin.“ Die von ihm intiierte „überparteiliche Zusammenkunft“ soll Potsdamern die Möglichkeit bieten, über gesellschaftliche oder politische Themen zu diskutieren. Zu sagen haben sie viel: Es geht gegen Gewalt und für Frieden, es wird Politiker- und Kapitalismusbashing praktiziert, es werden Verschwörungstheorien zur Ukraine-Krise und zur angeblichen Kriegstreiberei Deutschlands präsentiert. Vereinzelt finden sich leidenschaftliche Putin-Sympathisanten. Und natürlich ist der Vorwurf zu hören, die Presse berichte nicht objektiv. Nur in einem sind sich alle einig: Faschistische oder rassistische Äußerungen sind nicht erwünscht.

Auch von Pegida distanziert sich die Potsdamer Mahnwache. „Wir wurden schon in die Nazi-Ecke gestellt und das weise ich ganz klar von mir“, sagt Labitzke. „Es ist doch vollkommen gleichgültig, welcher Religion man angehört, wichtig ist die Erhaltung des Friedens. Sonst ist alles andere zweitrangig.“

Nach eineinhalb Stunden und leidenschaftlichen Reden löst sich alles auf. Das Zelt wird abgebaut, die Musik verklingt, nur ein „Bis nächsten Montag“ hallt nach. In Potsdam nennen sie es Mahnwache, in England heißt es Speakers Corner. Reden und reden lassen – manchen hilft’s, auch für den eigenen Frieden.

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