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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterhält sich in der Werkstatt der Firma ST Gebäudetechnik mit Techniker Lucas Hohendorf und Projektleiter Meikel Hofbauer (r). Der Bundeskanzler besuchte den Betrieb in seinem Wahlkreis.

© dpa/Bernd settnik

Olaf Scholz im Potsdamer Vorzeigebetrieb: Zum Abschied gibt es für den Kanzler klare Worte

Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich beim Wähler zeigen: Er besuchte eine Firma für Gebäudetechnik. Der Chef der Potsdamer Handwerkskammer redete Tacheles mit ihm.

Im Foyer stehen Metallkunstwerke der Azubis. Olaf Scholz fasst jedes kurz an und testet die Stabilität: Hält alles. ST Gebäudetechnik in Potsdam-Süd ist ein Vorzeigebetrieb, stattet große Betriebsstätten, Forschungsgebäude, öffentliche Museen und Krankenhäuser mit Technik für Lüftung, Klima und Heizung aus. Viele Politiker waren schon da, am Sonnabend kam der Kanzler vorbei.

Den Termin hatte die Handwerkskammer Potsdam zusammen mit dem Wahlkreisbüro des Kanzlers eingetütet. Olaf Scholz muss auch als Abgeordneter Flagge zeigen und sich beim Wähler blicken lassen.

Betriebschef Andreas Neyen führt den stets verschmitzt lächelnden Kanzler durch die modernen Räume seines Betriebs, mit 150 Mitarbeitern und 30 Millionen Euro Umsatz sind sie hier schon weit größer als der durchschnittliche Handwerksbetrieb in der Region.

In der Werkstatt schaut sich Scholz an, wie die komplizierten Schaltkästen für die Regelungstechnik zusammengebaut werden. „Wie groß ist die Sorge, dass Sie hier durcheinanderkommen?“ Techniker Lucas Hohendorf beruhigt. Die meisten Fehler würden vor dem Einbau entdeckt und behoben.

ST ist auch für die Lüftungstechnik im Kanzleramt verantwortlich. „Ja?“, fragt Scholz überrascht. „Sehr gut.“ Die Sprache verschlägt es dem Kanzler im Wellnessbereich des Betriebs, mit Fitnessraum, Massageliege und Sauna. Ob er sowas im Kanzleramt habe? Scholz schüttelt grinsend den Kopf.

Hohe Abi-Quote, wenig Bewerber

Aber er ist ja nicht hier, um sich die neuesten Strategien zur Mitarbeiterbindung anzuschauen. Die Handwerkskammer und der Fachverband für Sanitär, Klima und Lüftungstechnik haben eine lange Wunschliste für den Besucher zusammengestellt, angefangen von mehr Kitaplätzen und Wohnungen bis hin zu besserer Berufsorientierung an Schulen.

Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, umreißt das Problem mit einem einzigen Satz: „Potsdam hat die höchste Abi-Quote bundesweit“. Da bleiben fürs Handwerk nicht mehr genügend Bewerber übrig.

Bei ST haben sie den Fachkräftemangel ganz gut unter Kontrolle. 28 Azubis lernen hier diverse Berufe. Der Betrieb geht in die Schulen, macht Werbung auf Fachmessen, zeigt sich mit Videos bei Instagram, bietet Wellness. „Wir setzen natürlich darauf, dass sich die anderen nicht so engagieren“, sagt Neyen, ganz ohne Ironie. Sonst würde es nicht so gut laufen.

Wir brauchen mehr Wertschätzung fürs Handwerk, bezahlbare Energie, Bürokratieabbau.

Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer

ST hat auch Flüchtlinge aus der Ukraine und Syrien eingestellt, doch die Integration sei sehr mühsam, so Neyen. Die Flüchtlinge hätten „barbarische Schwierigkeiten, das Fachvokabular zu lernen.“ Und wenn sie sich durch ein duales Studium gequält hätten, sagt Neyen, „haben sie keine Ahnung von der Praxis“. Er wünscht sich eine allgemeine zweijährige Ausbildung zum Monteur, als Alternative für Schüler, die nach der zehnten Klasse nicht wissen, wie es weitergehen soll.

Neyen legt den Finger in die Wunde, auch beim Thema Bürokratie und die komplexen Bauvorschriften. Eigentlich wollte er seinen Betrieb mit einem zweiten Gebäude erweitern, „geht aber nicht, Biotop.“ Er weist aus dem Fenster: „Das Gestrüpp da.“ Und dann gibt es noch einen potenziellen Auftraggeber, den Folienspezialisten Orafol, der baue seine neue Halle jetzt in den USA, weil er hier keine Genehmigung bekommen habe.

Zumindest beim Wohnungsbau gebe es Fortschritte, sagt Scholz. Die Investoren hätten bemerkt, dass es für ihre teuren Luxuswohnungen kaum noch Abnehmer gebe. Und die Regierung habe ein Programm für Azubiwohnungen aufgelegt.

Eine halbe Stunde redet der Kanzler mit den Fachleuten unter vier Augen, dann ist Verabschiedung im Foyer. Handwerkskammer-Geschäftsführer Bührig zögert kurz, dann entscheidet er sich, Tacheles zu reden. „Viele Handwerker sind schon stinksauer über das, was letztes Jahr gelaufen ist. Wir brauchen mehr Wertschätzung fürs Handwerk, bezahlbare Energie, Bürokratieabbau. Wir müssen einfach besser werden.“

„Schönen Dank“, sagt Scholz lächelnd. „Das Handwerk wird’s schon richten, da bin ich fest von überzeugt.“ Er komme gerne mal wieder vorbei, „um mir den Rest anzuschauen“. Dann bricht er auf.

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