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Neue Tram in Potsdam: Viel Lob für die neue Variobahn

Seit etwa vier Wochen ist das erste Exemplar der bei Stadler in Berlin hergestellten Niederflurbahn in Potsdam unterwegs. Behinderten- und Bahnkundenverband üben nur Kritik an einigen Details der neuen Straßenbahn.

Überwiegend positiv sind die bisherigen Reaktionen auf die neue Variobahn. Seit etwa vier Wochen ist das erste Exemplar der bei Stadler in Berlin hergestellten Niederflurbahn in Potsdam unterwegs. Behindertenverband und Bahnkundenverband ist noch keine Kritik bekannt. Der Verkehrsbetrieb ViP will noch warten, bis die Bahn 100 Tage unterwegs ist, bevor eine Einschätzung abgegeben wird.

Ein paar Bedenken gibt es allerdings dennoch: So wird im Bahn-Forum drehscheibe.de im Internet diskutiert, ob die Sitze auf den Querbänken nicht zu schmal geraten sind. In einem Teil der Variobahn sind Querbänke mit zwei Sitzplätzen auf jeder Seite eingebaut. Da zwischen den Bänken der Gang für die Fahrgäste entlangführt, bleibt bei 2,30 Metern Breite insgesamt für jeden Sitz weniger als ein halber Meter übrig.

Ein weiteres Problem nennt Bernd Putz, beim Potsdamer Behindertenverband für den Nahverkehr zuständig: Bei einer von zwei Stellflächen, die für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer vorgesehen sind, ist der Rufknopf für den Fahrer schlecht erreichbar. „Wer einen elektrischen Rollstuhl fährt, kann den Knopf kaum erreichen“, so Putz. Die elektrischen Rollstühle haben wegen des Antriebs eine dickere Lehne. Der Fahrer sitze also weiter von der Wand der Tram entfernt. Am vorderen Stellplatz sei der Rufknopf besser angebracht. Dem Hersteller sei das Problem bereits bekannt und er arbeite an einer Lösung, hieß es. Insgesamt lobt auch Putz die neue Tram. Haltegriffe seien gut angebracht und auch das Ein- und Aussteigen falle leicht.

Das neue Straßenbahnmodell ist 30 Meter lang und wiegt knapp 38 Tonnen. Die in Potsdam eingesetzte Bauart besteht aus fünf mit Gelenken verbundenen Teilen, besitzt vier Doppeltüren und kostet etwa 2,5 Millionen Euro pro Stück. Sie ist komplett als Niederflurbahn gebaut. „Das ist natürlich ein Fortschritt“, sagt auch Karsten Müller, Regionalchef des Bahnkundenverbandes DBV. Im Vergleich zur Combino habe die Variobahn zwar zwei Türen weniger, dafür seien aber alle breiter und gleichmäßig über die gesamte Länge der Tram verteilt, was den Ein- und Ausstieg erleichtere. Die Niederflurbauweise bringe auch Nachteile mit sich: Das Fahrwerk ist unter den Sitzen eingebaut, die rechts und links montiert sind. Der Gang dazwischen falle dann recht schmal aus, so Müller. Fahrgäste mit Gepäck gehen deshalb ungern von den Türen aus in den Gang. Um mehr Platz zu schaffen, sind insgesamt 16 Sitze bei den mittleren Türen längs zur Fahrtrichtung angeordnet. So entsteht mehr Raum für Stehplätze.

Die Variobahn macht zwar tatsächlich den Eindruck eines großen Innenraums. Doch schon jetzt kommt es in Berufsverkehrszeiten zu argem Gedränge, auch kommt mancher Fahrgast wegen Überfüllung nicht mit. Das Sitzplatzangebot hat bei jeder neuen Bahn abgenommen: Die neue Variobahn hat 57 – ziemlich enge – Sitzplätze, elf – deutlich komfortablere – Sitze mehr hat eine Combino. Eine Tatra-Bahn in Doppeltraktion hat sogar 70 Sitzplätze. Nach welcher Berechnung allerdings die Stehplätze erreicht werden, ist fraglich. Nach ViP-Angaben verfügen die 36 Meter langen Tatra-Doppelwagen über insgesamt 106 Stehplätze, in der mehr als sechs Meter kürzeren Variobahn sollen es 118 Stehplätze sein.

Kritik an mangelnder Kapazität übt daher der DBV. Müller hätte die Anschaffung der größeren, siebenteiligen Bauart der Variobahn befürwortet. Er rechnet mit weiter steigenden Fahrgastzahlen insbesondere auf den Linien 92 und 96, die bevölkerungsreiche Stadtteile mit der Innenstadt verbinden. Da eine Straßenbahn bis zu 30 Jahre betrieben werde und Potsdam wachse, hätte sich der DBV mehr Vorausdenken gewünscht.

Derweil läuft der Praxistest: Meist auf der Linie 92 vom Kirchsteigfeld zur Kirschallee fährt der erste Wagen, ein zweiter wird als Fahrschulwagen eingesetzt. Das nächste Exemplar wird von Stadler am 2. November geliefert, teilte VIP-Sprecher Stefan Klotz mit. Insgesamt sind 14 Variobahnen bestellt plus Option auf weitere vier. Bis 2014 sollen alle Bahnen geliefert werden.

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