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Nach mutmaßlich rassistischen Gewaltdelikt am Schlaatz: Erinnerungslücken und viele Fragen

Am Amtsgericht hat ein Prozess zu einem mutmaßlich rassistischen Gewaltdelikt am Herrentag 2015 am Schlaatz begonnen. Doch die Zeugen haben Erinnerungslücken.

Schlaatz - Ein mutmaßlich rassistisches Gewaltdelikt wird seit Dienstag am Amtsgericht verhandelt – allerdings warf der Prozess viele Fragen auf. Angeklagt sind ein 29- und ein 33-Jähriger, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Männer aus Beelitz und Potsdam sollen laut der Staatsanwaltschaft am Herrentag am 14. Mai 2015 einen jungen Flüchtling aus Somalia am Asylheim an der Alten Zauche rassistisch beschimpft und verprügelt haben.

Doch zweieinhalb Jahre nach der Strafanzeige war der Prozess am Dienstag von Erinnerungslücken und widersprüchlichen Aussagen gekennzeichnet. Die Beschuldigten bestritten die Vorwürfe. Der 29 Jahre alte Angeklagte Mario S. erklärte, damals habe man nach einer Herrentagsrunde den Abend an der Auto- Selbsthilfewerkstatt nahe dem Asylheim ausklingen lassen wollen. Weil er dabei viel Bier und Schnaps getrunken habe, könne er sich nur noch grob an eine verbale und auf Deutsch geführte Auseinandersetzung mit einer anderen Person erinnern. Rassistisch beleidigt oder gar angegriffen habe er aber niemand, sagte S.: „Und der andere hat angefangen, ich habe zurückgebrüllt.“

Dagegen sagte der mitangeklagte Florian O. aus Potsdam, schon bei der Herrentagstour sei S. „stänkerisch“ gewesen, später an der Werkstatt hätten ihn die anderen Gäste dann zum Gehen aufgefordert. Etwas später habe man dann Geschrei gehört – und Personen gesehen, die in Richtung Heim rannten. Auch Mario S. sei dabei gewesen. Eine Schlägerei habe er aber nicht gesehen und sich auch nicht an einer beteiligt, gab der Potsdamer zu Protokoll.

„Es gab viele Vorfälle in der damaligen Zeit“: Eine Heimleiterin mit Erinnerungslücken

Dagegen identifizierte der 21 Jahre alte Achmed A. die Angeklagten als jene Männer, die ihn damals geschlagen hätten: „Sie haben mir Unrecht angetan.“ Allerdings warf die von einer Dolmetscherin übersetzte Aussage von A., der vom Verein Opferperspektive betreut wird, auch Fragen auf – etwa, wie er mit nur geringen Deutschkenntnissen den genauen Wortlaut der Beschimpfungen verstanden haben will. Auch ein ärztliches Attest für die Verletzungen, etwa im Brustbereich, habe er sich nicht ausstellen lassen: „Ich kannte mich nicht so aus.“ Ein Bekannter aus Teltow, der ihn begleitet haben soll, wolle nicht aussagen, sagte der Somalier: „Er hatte Angst.“ Dagegen sagte die Richterin nach Studium der Ermittlungsakten, der angebliche Begleiter habe gegenüber der Polizei angegeben, an dem Tag gar nicht vor Ort gewesen zu sein.

Weitere Fragen hinterließ auch der Auftritt des diensthabenden Wachmanns. Der Angestellte der Sicherheitsdienstes GSE Protect sagte, er habe damals seinen ersten Tag in dem Heim gehabt und sei nur kurzfristig eingesprungen. Daher habe er auch nicht wirklich reagiert, als er die Auseinandersetzung vor dem Heim wahrgenommen habe, räumte der Mann ein. Bei der Auseinandersetzung sei ein Heimbewohner beleidigt und geschubst worden. Wer beteiligt war, könne er aber nicht mehr sagen, der Streit sei schnell wieder beendet gewesen. Daher habe er auch keinen Notruf an die Polizei abgesetzt. Die Bitte des Somaliers, Hilfe zu holen, habe er wohl nicht gehört, sagte der Wachmann zum Erstaunen der Richterin Kerstin Nitsche. So wurde der Vorfall erst am nächsten Tag bekannt, als sich Achmed A. an den Hausmeister wandte. Zugleich konnte sich die damalige Heimleiterin im Gericht nicht erinnern, auf welcher Grundlage sie seinerzeit die Strafanzeige gestellt hatte: „Es gab viele Vorfälle in der damaligen Zeit.“

Privat betriebene Selbsthilfewerkstatt Am Schlaatz ein "Angstort" für Flüchtlinge?

Den mutmaßlichen Vorfall hatten auch Antifa-Gruppen aufgegriffen. Die privat betriebene und von vielen Besuchern regelmäßig genutzte Selbsthilfewerkstatt sei ein Ort, „von dem rassistische Angriffe ausgehen“ und ein „Angstort“ für die Flüchtlinge im benachbarten Heim, hatte eine Potsdamer Antifa-Gruppe Anfang 2016 in einem offenen Brief erklärt. Bei einem Besuch der PNN vor Ort hatte die Leitung des Hauses allerdings vehement bestritten, dass es sich um einen Rückzugsort von Neonazis handele. Vielmehr sei man ein unpolitischer Ort, es gehe um die Reparatur von Autos in der Freizeit. Der Landesverfassungsschutz hatte damals auf PNN-Anfrage erklärt, die Werkstatt sei nicht als struktureller Anlaufpunkt der rechten Szene bekannt. Eine Sprecherin hatte auch gesagt, dass „extremistische Akteure bestimmte Orte aufsuchen, sei kein ausreichender Beleg dafür, dass solche Anlaufpunkte selbst als Bestandteil einer extremistischen Bestrebung zu bewerten sind“. Der Angeklagte O. sagte in der Verhandlung am Dienstag ferner, es würden auch viele Flüchtlinge aus dem Heim in die Werkstatt kommen, etwa um „bei uns“ ihr Rad aufzupumpen.

Der Prozess wird nun am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Dann wird auch ein Urteil gegen die wegen Trunkenheitsfahrten bereits polizeibekannten Männer erwartet. Gegen Mario S. fiel am Dienstag bereits in einem anderen Verfahren ein Urteil: Wegen Fahrens ohne Führerschein wurde der Paketdienst-Beifahrer zu einer Geldstrafe von 1600 Euro verurteilt. Zumindest hier war die Sachlage klar – ein Blitzerfoto hatte ihn überführt. 

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