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Vor einem Foto des ermordeten Elias aus Potsdam brennen während einer Gedenkfeier am Freitag vor dem Bürgerhaus in Potsdam-Schlaatz Kerzen.

© Manfred Thomas

Mohamed und Elias: Der Täter schweigt, die Menschen trauern

Der Tod von Mohamed und Elias lässt kaum jemanden unberührt. Die Ermittlungen gehen weiter – der Verdächtige Silvio S. sagt kein Wort mehr.

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„Das ist der traurigste Feiertag meines Lebens“, sagt ein Potsdamer Polizist, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: „Ich war damals wie viele meiner Kollegen an der Suche nach Elias beteiligt – und irgendwie haben wir immer noch gehofft, dass der Junge lebt.“

Die Hoffnung schwand, als der mutmaßliche Entführer und Mörder des vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed auch die Tötung des sechsjährigen Elias aus Potsdam gestand. Sie verlosch, als am Freitagnachmittag auf einem Schrebergarten-Grundstück des tatverdächtigen Silvio S. bei Luckenwalde eine zweite Kinderleiche gefunden wurde. Die erste hatten Ermittler einen Tag zuvor im Kofferraum des Autos von Silvio S. in seinem Heimatdorf Niedergörsdorf bei Jüterbog entdeckt.

Die gerichtsmedizinische Untersuchung ergab, dass es sich dabei um den kleinen Mohamed handelte, der am 1. Oktober von dem Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lagos) entführt worden war. Zwar stand auch am Sonnabend noch nicht endgültig fest, ob auch Elias dem mutmaßlichen Kindermörder zum Opfer fiel, aber fast alles sprach dafür. Gewissheit werde erst das für Sonntag oder Montag erwartete Obduktionsergebnis bringen, sagte eine Sprecherin der Potsdamer Staatsanwaltschaft am Sonnabend.

Staatsanwaltschaft Potsdam übernimmt Verfahren

Der Tatverdächtige, gegen den inzwischen Haftbefehl wegen Mordes an Mohamed erlassen wurde, schweigt nach Aussagen der Ermittler weiter. Der 32-Jährige, der zuletzt in einer Sicherheitsfirma in Teltow (Potsdam-Mittelmark) arbeitete, sitzt in der Justizvollzugsanstalt Moabit. 

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft will in den nächsten Tagen einen Haftbefehl wegen des Mordes an Elias beantragen. Im Laufe der kommenden Woche soll das gesamte Verfahren nach Brandenburg verlagert werden. Dort geschahen beide Morde und eine Entführung. Der Verdächtige wird dann auch von Berlin nach Brandenburg in die Untersuchungshaft gebracht.

Der Wachmann schweigt seit dem ersten Geständnis

Elias war Anfang Juli in Potsdam verschwunden, Mohamed am 1. Oktober vor dem für Flüchtlinge zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin. Nach der wiederholten Veröffentlichung von Fahndungsbildern erkannte die Mutter des 32-Jährigen ihren Sohn am Mittwoch und rief am Donnerstag die Polizei an.

Der Wachmann hatte eingeräumt, den aus Berlin verschwundenen Mohamed sexuell missbraucht und getötet zu haben. Später gestand er den Mord an dem seit Juli vermissten Elias aus Potsdam. „Er macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft: „Auch sonst gibt es bei den Ermittlungen in Sachen Elias nichts Neues.“

Polizeipräsident: „Wir suchen weiter“

Soll heißen: Auch auf dem Grundstück des Tatverdächtigen am Stadtrand von Luckenwalde wurde bislang nichts gefunden. Trotz des Reformationstages, der in Brandenburg ein Feiertag ist, arbeiteten dort am Sonnabend seit 8 Uhr morgens die Beamten von der Spurensicherung. Etwa 20 Polizisten sicherten das Gelände und befragten Laubenbesitzer und die Bewohner in den umliegenden Wohnhäusern. Manchmal kamen Luckenwalder vorbei, um Blumen niederzulegen.

Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke sagte den PNN zu den anhaltenden Untersuchungen: „Wir suchen weiter. Wir wissen ja nicht, ob es die beiden einzigen sind". Hinweise, dass Silvio S. weitere Kinder umgebracht hat, gebe es zwar nicht. „Aber wir wollen hundertprozentig sicher sein“, sagte der Polizeipräsident am Samstag. 

Die Ermittler wollen auch das Wohnhaus des mutmaßlichen Täters und seiner Eltern im brandenburgischen Niedergörsdorf und den dortigen Garten noch genauer untersuchen. In dem Haus hatte der Mann nach seiner Aussage den vierjährigen Mohamed missbraucht, mit einem Gürtel erdrosselt und die Leiche auf dem Dachboden in einer Badewanne versteckt. Die Leiche überdeckte er dann mit Katzenstreu. Am Tag seiner Festnahme am Donnerstag, hatte er zuvor die Badewanne in sein Auto gebracht und war damit herumgefahren.

Nach Tod von Mohamed und Elias: Gibt es weitere Opfer?

Zum Glück gebe es bislang keine Hinweise auf weitere Opfer von Silvio S., sagte ein Sprecher der zuständigen Polizeidirektion West. Man sei „selbstverständlich mit anderen Polizeidienststellen, die nach vermissten Kindern suchen, in Kontakt“. Vermisst wird unter anderem die fünfjährige Inga aus Sachsen-Anhalt, die am 2. Mai dieses Jahres in einem Waldstück bei Stendal verschwand.

Auch ihre Eltern sind seit Monaten verzweifelt – so wie die Mutter von Elias, die weggezogen ist aus dem Potsdamer Ortsteil Schlaatz, wo sich am Freitagabend hunderte Menschen zu einer spontanen Trauerfeier versammelten. Oder wie die Mutter von Mohamed, die nur noch weint, wie ihre Freundin Azema erzählt.

Wie Eltern ihren Kindern jetzt helfen können

Nach solchen Taten sorgen sich viele Familien um ihre Kinder. Die Initiative Vermisste Kinder plädiert dafür, dass Eltern das Selbstbewusstsein ihrer Kinder stärken, verweist aber auch darauf, dass solche Verbrechen Einzelfälle seien. Eltern könnten mit ihren Kindern üben, sich lautstark zu wehren oder mit der Faust in die Luft zu schlagen, wenn ein Unbekannter sie mitnehmen wolle, sagte der Vorstand der Initiative, Lars Bruhns. Letztlich würden Kinder zufällig Opfer von Verbrechen.

Psychologen rätselten derweil über die näheren Umstände. Es spreche alles dafür, dass der Täter nicht mit zwei Morden angefangen habe, sagte etwa der Polizei-Profiler Adolf Gallwitz der „Berliner Zeitung“. Die anderen Taten müssten aber nicht unbedingt Morde sein. Gerichtsgutachter Frank Häßler sagte dieser Zeitung, es sei gut, dass die «Odyssee dieses Mannes ein Ende hat», weil er sonst wahrscheinlich weitergemacht hätte.

Trauer vor dem Lageso in Moabit

Azema, die Freundin von Mohameds Mutter, ist mit ihren vier Kindern am Sonnabend zum Lageso in die Moabiter Turmstraße gekommen, wo es inzwischen eine zwei mal zwei Meter große Gedenkstätte für Mohamed gibt. Teelichter stehen auf dem Boden, Gedenkkerzen brennen – auf manchen steht „Ruhe in Frieden Mohamed“ oder „Möge Allah dich im Paradies empfangen“. An einem Schild hängen Briefe, die Trauer über Mohameds Tod und Beileid an seine Familie ausdrücken, manche auf Englisch, die meisten auf Deutsch. Inzwischen hat jemand auch ein Schwarz-Weiß-Foto von Elias angebracht. Ein stetiger Strom von Passanten und Flüchtlingen hält an der Gedenkstelle inne. Manche schauen nur fassungslos vor sich hin, andere haben Blumen mitgebracht oder zünden erloschene Kerzen wieder an. Viele haben ihre Kinder dabei, tragen sie auf den Armen, oder halten sie dicht an ihrer Seite.

Manche schauen fast grimmig auf die zahlreichen Kuscheltiere, die aneinander gelehnt zwischen den Kerzen liegen. Schließlich war es doch ein Kuscheltier, mit dem der Tatverdächtige nach eigenen Aussagen Mohamed in sein Auto lockte.

„Mein Sohn ist drei Jahre alt“, erzählt Azema: „Er hat immer mit Mohamed gespielt, wir haben im selben Heim gelebt. Letzte Nacht ist er aufgewacht, hat geweint und nach Mohamed gefragt.“

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