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Modemesse "Potsdam Now": Den Laufsteg rocken

Die Besucher fachsimpeln bei Currywurst und Bouletten über Mode aus Israel, hinter den Kulissen in der Schinkelhalle geht es hektisch zu. Die Modemesse "Potsdam Now" zeigt sich zur Premiere professionell und familiär.

Von Sarah Kugler

Es herrscht Hektik hinter der Bühne: In Windeseile fliegen Pinsel über Gesichter, verteilen sich Haarspraynebel auf oder auch neben gestylten Köpfen, werden Kleidungsstücke auf Stangen sortiert. Jeder Handschlag läuft hier im Zeitraffer. Schnell muss es gehen und trotzdem exakt. Denn die nächste Show von „Potsdam Now“, dem kleineren Ableger der Berliner Fashion Week, der heute Abend nach drei Tagen sein Ende findet, beginnt in wenigen Minuten.

Eben noch liefen die Models mit wild toupiertem Lockenhaar und sommerlich frischen Rougegesichtern für die israelische Jungdesignerin Shani Zimmermann in flachen Sneakers oder Sandalen über den weißen Teppichlaufsteg. Leichtigkeit gab hier den Ton an. Ganz anders bei Zion Anava, ebenfalls ein Jungdesigner aus Tel Aviv, der allerdings auf klare Linien und strengere Konturen setzt. Somit ist ein fliegender Wechsel gefragt. Unter dem Motto nach der Maske ist vor der Maske, wird Make-up, das erst vor einer halben Stunde aufgetragen wurde, wieder entfernt und sofort mit einem neuen Look ersetzt. Einige Models sitzen schon an den klassischen, mit vielen Glühlampen versehenen Schminktischen, andere stehen im Hintergrund des winzigen Backstagebereiches und versuchen ihre gelockten Haare wieder zu glätten.

Die 18-jährige Melina Ripkin aus dem Harz ist eine von ihnen, geduldig streicht sie die Bürste durch ihr Haar, von der Hektik ringsum scheint sie unberührt. „Es ist nicht die erste Show, bei der ich mitlaufe, man gewöhnt sich da irgendwann dran“, sagt sie lächelnd. „Während der Show ist es noch viel schlimmer, manchmal musst du dich zwei bis dreimal umziehen und da ist die Zeit dann wirklich sehr knapp.“ Wie jedes der 16 Models läuft sie bei allen Potsdamer Shows mit und hat sich besonders über die flachen Schuhe der ersten Show gefreut. „Aber leider ist das kein Standard“, sagt sie und lacht etwas gequält. „Nachher laufen wir in Schuhen, die vorne fünf Zentimeter Plateau haben und hinten 22 Zentimeter Absatz, da ist dann Konzentration gefragt.“

Jetzt heißt es aber erst mal stillhalten, denn die inzwischen geglätteten Haare werden nun gelockt, in Wellen gelegt, um den Kopf drapiert und in strenge Hochsteckfrisuren verwandelt. Zum Teil arbeiten zwei Hairstylisten gleichzeitig an einem Model. „Manchmal ist es eine ganz schöne Herausforderung, den kompletten Look in so kurzer Zeit zu verändern“, sagt Hairstylistin Sandra Flöther. „Mehr als eine Viertelstunde darf das pro Mädchen halt nicht dauern.“

Ihre Kollegin, die für das Make-up zuständig ist, winkt nur ab, sie hat überhaupt keine Zeit zum Sprechen. Nicht nur, dass sie dunkle Smokey Eyes und goldene Augenbrauen in die Gesichter zaubern muss, nebenbei müssen auch noch einige Models mit Ganzkörperbemalung in süße Äpfel verwandelt werden. Die aufwendige und witzige Idee gehört allerdings nicht zur Modeschau, sondern ist eine Werbeaktion von Evelina-Apfel, einem der Sponsoren der Veranstaltung.

Schließlich sind alle Models startklar und die Show kann beginnen. Alles läuft reibungslos, die zahlreichen Zuschauer sind sichtlich begeistert und klatschen noch mehr als bei der ersten Show. Den Busenblitzer eines Models, das ein sehr tief ausgeschnittenes Kleid präsentiert, nimmt das Publikum ohne Raunen hin. Das passiere ständig, sagt eine Zuschauerin. Man kennt sich also aus.

In den Pausen wird über das Gesehene ausgiebig diskutiert, dabei geht es familiär zu. Die Designer mischen sich unter das Publikum, tauschen sich untereinander aus, lassen sich zusammen fotografieren und beantworten auch die eine oder andere Frage der Besucher. Hier und da wuselt auch mal ein Model durch die Menge, ist dann aber wieder ganz schnell hinter der Bühne verschwunden. Man ist schließlich zum Arbeiten hier. Auch der Potsdamer Fotograf Frank Gaudlitz ist mit dabei. Für ihn sei Mode vor allem im Hinblick auf die Selbstdarstellung interessant. „Es geht ja dabei immer viel um Schönheitsideale, das beschäftigt mich natürlich als Künstler sehr“, sagt Gaudlitz. Von dem Konzept der „Potsdam Now“ ist er angetan, da man hautnah dran sei. Er wünsche sich, dass sich Veranstaltung erfolgreich etabliert.

Gegessen wird natürlich auch: Currywurst und Bouletten sind der große Renner, aber auch das Gemüsecurry findet Anklang. Allerdings hört man auch Murren, dass das Essen trotz des hohen Eintritts, eine Karte kostet 48 Euro, nicht inbegriffen sei. Ihre gute Laune lassen sich die Besucher davon nicht verderben.

Insgesamt ist das Potsdamer Publikum selbst modisch zurückhaltend gekleidet. Nur ein paar junge Mädchen haben sich mit Minikleidchen in Schale geworfen und so mancher Rückenausschnitt könnte als gewagt bezeichnet werden, ansonsten herrscht aber eher schlichte Eleganz in Schwarz.

Hemdat Sagi, Handelsattaché der israelischen Botschaft ist sehr angetan von der persönlichen Atmosphäre. „Es ist wunderbar, dass hier so viele kreative Leute zusammenkommen und sich austauschen“, sagt sie. „Leider kann ich nur einen Abend hier sein, aber das, was ich schon an Mode gesehen habe, fand ich sehr schön.“ Viel wichtiger findet sie aber, dass mit der Veranstaltung die langjährige Kooperation zwischen Deutschland und Israel auf ein künstlerisches Level gehoben wird. „Es macht uns natürlich sehr stolz, dass Potsdam uns den ganzen ersten Abend widmet“, sagt Hemdat Sagi, die zugibt, dass sie sich eher in der Business-Mode zu Hause fühlt. „Und es ist ein wunderbarer Abend geworden.“

Auch ihr Landsmann Frau Blau, schrill bunt gekleidet und mit knalliger Punkfrisur, ist begeistert. Der israelische Designer, der mit seinem Label schon in der ganzen Welt unterwegs war, mehrere Preise gewonnen hat und seit 2014 seinen Hauptsitz in Amsterdam hat, lobt die Veranstaltung insgesamt: „Es ist toll hier, sehr professionell und wir haben super Models.“ Er sei das erste Mal in Deutschland und sehr angetan von Potsdam und der Schinkelhalle. Aufgeregt sei er nicht, dazu sei alles zu gut vorbereitet. „Ich habe hier viele professionelle Leute hinter mir“, sagt er und lacht dann. „Es bleibt mir also nur noch, den Laufsteg zu rocken.“ Am heutigen Donnerstag werden es ihm die Potsdamer Designer Christin Lau und Marco Marcu nachtun. Unter anderem mit knalligen Hochzeitskleidern. Man darf gespannt sein.

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