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Meerjungfrauschwimmen in Potsdam: Einmal mit Fischschwanz bitte

In Potsdam können Schwimmbegeisterte lernen wie Meerjungfrauen und -männer zu schwimmen. Das ist anspruchsvoller als es klingt.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Verwandlung in eine Meerjungfrau sieht auf den ersten Blick ganz einfach aus: Füße in die Schwimmflosse setzen, Lasche festzurren, den Fischschwanz drüber ziehen, elegant ins Wasser gleiten, fertig. In der Praxis gestaltet sich das Ganze etwas schwieriger. Schon beim Anschnallen der sogenannten Monoflosse stellt sich ein erster Fußkrampf ein, das Hochziehen des Schwanzstoffes erfordert elegante Gelenkigkeit und einmal ins Wasser geplumpst, ist Bewegung zunächst nur hüpfend möglich.

Ganz anders sieht das bei erfahrenen Meerjungfrauen aus. Beim Mini Nixen Kurs der „Mermaid Kat Academy“ im Potsdamer Werner-Alfred-Bad sind gleich sechs von ihnen dabei. Mädchen im Alter von acht bis zwölf Jahren, die alle begeisterte Schwimmerinnen sind, einige im Verein. Und fast alle sind schon einmal mit einem bunten Fischschwanz an den Beinen geschwommen. So wie die zwölfjährige Ronja. „Meerjungfrauen sind einfach total faszinierende Wesen und das Schwimmen macht Spaß“, begründet sie ihre Begeisterung. Ein bisschen aufgeregt ist sie vor dem Kurs trotzdem, auch wenn sie eine gute Schwimmerin ist.

Sehr gute Schwimmkenntnisse sind Voraussetzung

Sehr gute Schwimmkenntnisse sind Voraussetzung für den Meerjungfrauenkurs, Trainerin Sandra Völzer verlangt mindestens das Bronzeabzeichen. „Es ist wichtig, dass die Kursteilnehmer sich absolut sicher im Wasser bewegen, auch beim Tauchen“, erklärt sie. Schließlich sind Meerjungfrauen die meiste Zeit unter Wasser. „Kiemen haben sie allerdings nicht, deswegen müssen sie ab und zu zum Luftholen auftauchen“, fügt sie augenzwinkernd hinzu. Seit einigen Wochen bietet die 40-jährige Berlinerin alle zwei Wochen sonntags einen Mermaiding-Kurs – so nennt sich die spezielle Schwimmart – im Werner-Alfred-Bad in der Hegelallee an. Vorrangig für Kinder – egal welchen Geschlechts – ab acht Jahren. Erwachsene seien aber ebenfalls jederzeit willkommen, wie sie sagt. Bei ihnen setzt sie die Vorkenntnisse auch weniger streng an: „Sie müssen das einschätzen“, sagt sie. „Wenn sie sich fit genug im Wasser fühlen, ist das in Ordnung.“

Völzer war selbst lange Zeit Leistungsschwimmerin und mit Tauchschein schon in vielen Seen und Meeren unterwegs, wie sie erzählt. Zum Meerjungfrauenschwimmen kam sie durch einen Bericht im Fernsehen. „Ich habe das gesehen und gedacht: Das will ich auch“, sagt sie und lacht. Gesagt und prompt ausprobiert. In der Mermaid Kat Academy – einer Schule, die weltweit Meerjungfrauenkurse anbietet – wurde sie zur Trainerin ausgebildet, seit einem Jahr ist sie nun in der Zweigstelle Berlin-Brandenburg dabei. Auch bei Events treten sie und ihre Kolleginnen auf, wie sie erzählt. Als professionelle Meerjungfrau – ja, so etwas gib es – hat sie einen langen Atem: Völzer kann bis zu drei Minuten unter Wasser bleiben.

Anspruchsvolles Ganzkörpertraining

Die Mini-Nixen im Werner-Alfred-Bad sind noch nicht so trainiert, eine Bahn in dem kleinen, nur 1,35 Meter tiefen Becken schaffen sie sofort. Bevor es „unter das Meer“ geht, stehen Trockenübungen an. Geprobt wird die typische Wellenbewegung, mit der sich Meerjungfrauen fortbewegen, zunächst im Stehen. Arme über den Kopf, die Beine leicht angewinkelt. Noch sieht es etwas holprig aus, ob sich das gleich im Wasser anders anfühlt, bleibt abzuwarten. Geschwitzt wird jedenfalls jetzt schon, was vor allem an der Temperatur liegt. Das Wasser hat 32 Grad, der Raum ist entsprechend warm.

45 Euro kostet ein Kurs im Werner-Alfred-Bad, für den 22. April gibt es noch Plätze. Warum sich Sandra Völzer dafür begeistert? Disneys Arielle habe sie schon immer fasziniert, sagt sie. „Meerjungfrauen sind wunderschöne Fabelwesen. Ich bin eben auch nur ein großes Mädchen“, gibt sie lachend zu. „Ich kann hier Spaß haben und toll dabei aussehen.“ Hinzu kommt der sportliche Effekt. Denn Meerjungfrauenschwimmen ist keineswegs nur märchenhaftes Herumplantschen – sondern ein anspruchsvolles Ganzkörpertraining. Arme, Bauch, Beine, Po und Rücken werden beansprucht.

Schwimmen mit einer Meerjungfrauflosse

Geschwommen wird mit einer Monoflosse, die auch von Leistungsschwimmern benutzt wird. Beide Füße werden in zwei separaten Fächern platziert, damit sie beim Schwimmen nicht aneinander scheuern. Darüber wird ein Fischschwanz aus buntem Stoff gezogen, der ähnlich wie ein Badeanzug aus Polyester und Elastan besteht. Die Flossen-Schwanz-Kombination kann in den Kursen für fünf Euro ausgeliehen werden. Eine günstige Möglichkeit, denn beim Kauf kostet sie knapp über 100 Euro. Es geht aber noch teurer: Professionelle Meerjungfrauen lassen sich ihre Schwänze aus Silikon passgenau anfertigen. Kosten: über 1000 Euro. Auch Völzer träumt von so einer Profiflosse, für die Anfänger eignet sich aber die für jede Figur passende Stoffvariante besser.

Und schon die ist gewöhnungsbedürftig. Zumindest für jemanden, der Brustschwimmen gewöhnt ist und dessen Beine im Wasser ganz automatisch ausschlagen wollen. Beim Mermaiding dürfen das nicht einmal die Arme. Die bleiben über den Schultern nach vorne gestreckt, von ihnen geht die Körperwelle aus, die über den Rücken bis in die Beine, pardon, den Meerjungfrauenschwanz übergeht. Das klappt nicht sofort. Zunächst gilt es, die Schwanzflosse so kontrollieren zu können, dass der Körper nicht unkontrolliert im Wasser trudelt. Zusätzlich muss die Luft lange genug angehalten werden. Ehe das in Kombination mit den Ganzkörperwellenbewegungen unter Wasser einigermaßen sitzt, vergehen gute 45 Minuten. Dann aber fällt das Auftauchen umso schwerer.

Glückshormone und Muskelkater

Bei Ronja und den anderen Mini-Nixen klappt alles schneller. Schon nach wenigen Minuten flitzen sie durch das Becken. Ziehen eine Bahn hinter der anderen, tauchen problemlos durch Reifen. Wie sie es schaffen, nicht daran hängen zu bleiben und den Reifen an der Flosse hinter sich herzuziehen, bleibt ihr Geheimnis. Immerhin: Das Heraufholen von Gegenständen vom Beckenboden klappt auf Anhieb.

Nach eineinhalb Stunden ist der Kurs vorbei, das Gesicht rot, aber der Körper voller Glückshormone. Beruhigenderweise sind auch die Mädchen geschafft – aber ebenfalls glücklich. „Es hat total viel Spaß gemacht“, ist das einstimmige Urteil. „Ich würde es jederzeit wieder machen“, sagt auch Ronja. Den Muskelkater am nächsten Tag musste sie als bereits erfahrene Meerjungfrau wahrscheinlich nicht ertragen.

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HINTERGRUND: Mermaid Kat Academy

Die Mermaid Kat Academy ist die erste Meerjungfrauenakademie der Welt. Gegründet wurde sie 2012 von Katrin Gray, die als professionelle Meerjungfrau und Unterwassermodel arbeitet. Sie ist ausgebildete Tauch- sowie Apnoelehrerin, verkauft Meerjungfrauenflossen und engagiert sich für den Umweltschutz.

Die Akademie bietet Nixenkurse in Thailand, Malaysia, Indonesien, den Philippinen, Österreich, Ägypten, der Schweiz und Schottland an. Im Januar 2016 eröffnete sie eine Zweigstelle in Australien. Der Hauptsitz ist in Hannover. Hier unterrichten Meerjungfrauentrainer regelmäßig Meerjungfrauenkurse für Kinder und Erwachsene. 6000 Schüler hat die Akademie weltweit ausgebildet. In Deutschland hat die Akademie Zweigstellen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Berlin-Brandenburg. Alle Meerjungfrauentrainer sind ausgebildet, das Mermaiding zu unterrichten. 

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