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Landeshauptstadt: Marias schwebender Klang

Bronzezeit löst Nachkriegszeit ab: Neue Glocken im Turm von St. Peter und Paul

Innenstadt - Maria hebt ab. Am Kranseil hängend schwebt sie dem Turm von St. Peter und Paul entgegen. 55 Jahre lang musste er akustische Stahlgewitter ertragen, nun beginnt wieder die Bronzezeit. 1942 waren zwei große Glocken aus dem katholischen Wahrzeichen ausgebaut worden, ihre Bronze diente der Kriegsproduktion. Doch während der Erste Weltkrieg alle Glocken von St. Peter und Paul forderte, blieb der Gemeinde zwischen 1933 und 1945 eine kleine Bronzeglocke erhalten. Sie stammt aus dem Jahr 1925 und wird auch weiterhin über dem Bassinplatz erschallen.

1951 kamen Stahlglocken, Bronze war in der schlechten Zeit zu teuer. Die größere von beiden, etwa eine Tonne schwer, donnerte in genau der Schwingungsfrequenz, in der auch das Turmmauerwerk vibriert. Risse und Abplatzungen waren die Folge, erklärt Architekt Eberhard Lange.

Maria, 289 Kilogramm schwer und aus bester Bronze, schwingt nun in einer anderen Frequenz als der Turm. „Kein Unglügk ewigk“, so lautet Marias Gravur. Auch Benedikt, 162 Kilo, und die große Peter und Paul mit ihren 1195 Kilo, werden dem Turm künftig weniger zusetzen als der gusseiserne Ersatz. Doch bevor sie neben Maria im Turmgebälk hängen können, muss noch die große Stahlglocke raus. Und das erweist sich als Problem. Für den Architekten Lange wie für die Glockenbauer Udo Griwahn und Matthias Heitmann ist es ein Rätsel, wie das Stahlgeläut nach dem Krieg in den Turm kam. Durch die beiden Granitsäulen der Turmarkaden passt sie nicht, dazu ist sie schlicht zu breit.

Doch am gestrigen Tag gibt es keinen anderen Weg, in stundenlanger Arbeit mussten die Glockenbauer vorab beidseitig jeweils ein Stück Stahl abschleifen. Auch die unmittelbaren Vorbereitungen dauern. Maria hängt schon seit einer Stunde an ihrem Joch. Viele Interessierte, darunter auch Gemeindemitglieder wie Agnes und Ronald Fricke oder Christa Haase, warten ungeduldig auf den Niedergang der Stahlglocke. Hoch über allem liefern sich indes ein Turmfalken und eine Krähe unbeeindruckt einen Luftkampf, der unentschieden bleibt.

Dann ist es soweit. Die Passage zwischen den Säulen ist Millimeterarbeit. Die Granitpfeiler tragen einen großen Teil der Last der Turmspitze. „Dran schaben geht, eine Stoßbewegung wäre schlimm“, barmt Lange. Halb hängt das Eisenmonstrum noch am Flaschenzug, halb trägt sie schon der 100-Tonnen-Kran. Halb drinnen, halb draußen. Und mitten zwischen den Säulen. „Stopp Matthias!“ Griwahns Kommandos werden kürzer und lauter. Ihm stehen dicke Schweißperlen auf der Stirn. Es ist der Augenblick der Entscheidung. Es passt oder eben nicht. Punkt 12 Uhr grüßen die Glocken von St. Nikolai herüber. Da ist sie durch! Eine kleine Kranbewegung und die Tonne Stahl schwingt zwischen den Säulen wie durch ein Nadelöhr ins Freie. Ein Blatt Papier zwischen Säule und Glocke und das Nachkriegsgeläut hätte sich rettungslos verkeilt.

Der Rest verläuft reibungslos. Tief tauchen die Federn des Kleinlasters ein, als die alte Glocke auf seiner Ladefläche aufsetzt. Er wird sie zum Schrotthändler bringen. 40 000 Euro hat der Glockentausch gekostet, bezahlt von der Stiftung preußisches Kulturerbe und dem aufgelösten Verein Potsdamer Glockenspiel.

Selig schmunzelt hinterher Propst Klaus-Günter Müller. „Stahl klingt wie Knüppel auf den Kopf“, sagt er, „salopp gesagt“. Bronze dagegen hat „schöne Obertöne“ und einen „weichen, schwebenden Klang“. Zu hören ist er nach dem nächsten Sonntagsgebet. Propst Müller: Da heißt es „volles Geläut“.

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