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Landeshauptstadt: „Man kann nicht nur Blitzprojekte machen“

Dass in den Grundschulen mehr gesungen wird, ist wichtig, sagt Birgit Jank von der Universität Potsdam. Aber die musikalische Bildung müsse auch gewisse Qualitätsstandards erfüllen

Frau Jank, Sie haben gerade eine internationale Tagung an der Universität Potsdam zum Thema „Lehrerfortbildungen zum Singen in der Grundschule“ geleitet. Ihrer Meinung nach müssen Musikprojekte wissenschaftlich begleitet werden und Sie fordern Qualitätsstandards. Warum?

Anders als bei den Naturwissenschaften ist ästhetische Bildung ein freier Raum. Wenn die Schule mit Musikern arbeitet, finden das alle toll. Aber sie arbeiten mit Kindern und nicht jedes Musikprojekt ist immer zielführend und nachhaltig. Wir wollen mit dieser Tagung vor allem auch die Lehrer erreichen und für neue Formen der Fortbildungen werben.

Wie lassen sich Musikprojekte wissenschaftlich begleiten?

Wir haben bereits eine Evaluation bei verschiedenen Musikprojekten durchgeführt. Wenn Sie Grundschüler wissenschaftlich begleiten wollen, brauchen Sie kreative Forschungsmethoden. Eine Befragung bringt nicht viel. Wir haben zum Beispiel die Grundschüler Bilder malen lassen, Fotos von Proben gemacht, um zu erfahren, mit wie viel Begeisterung die Kinder dabei sind. Dabei haben wir festgestellt: Grundschüler wollen außergewöhnliche, spannende Lieder. Und noch etwas: Sich in einer Gemeinschaft zu erleben, wie es beim Singen passiert, ist für Grundschüler ganz wichtig.

Reicht es nicht einfach, dass in der Schule überhaupt gesungen wird?

Die Singetradition ist sehr stark zurückgegangen. Die heutige Mediengesellschaft lädt weniger zum Singen, eher zum Rezipieren, Runterladen und Abspeichern ein. Sich selbst mit seiner Stimme zu erleben ist eher unüblich geworden. Man muss also grundsätzlich erst mal singen. Das ist richtig. Und der Lehrer muss sagen: „Wir singen jetzt.“ Aber es gibt vielfältige Formen des Singeaktes. Wir arbeiten gegen das schlichte Vor- und Nachsingen. Ältere Lehrer nehmen zum Beispiel oft alte Volkslieder: „Der Bauer ein Rösslein anspannt“ – oft verstehen die Kinder aber die Texte nicht mehr.

Sie haben vor einigen Jahren das Projekt „Belcantare Brandenburg“ ins Leben gerufen. Was machen Sie da genau?

Die Grundidee von „Belcantare Brandenburg“ ist, dass es jedem Kind möglich ist, frei und unbeschwert zu singen. Wir haben zwei Jahre lang in der Uckermark erfolgreich Lehrer von Grundschulen zu singbegeisterten Spezialisten ausgebildet.

Gibt es eine Fortsetzung des Projekts?

Derzeit läuft die zweite Staffel in der Ostprignitz-Ruppin und wir haben Anfragen von verschiedenen Landkreisen. Bislang hat uns die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gut finanziert. So langsam wird die Finanzierung aber Landessache. Man kann nicht immer nur Blitzprojekte machen. Da ist auch das Bildungsministerium gefragt.

Welchen Stellenwert hat denn die musikalische Bildung im Lehramtsstudium in Brandenburg?

Aus den alten Bundesländern kommen Lehramtsabsolventen, die im Studium kaum etwas von Singen gehört haben. An der Potsdamer Uni hingegen ist die pädagogische Ausbildung von Grundschullehrern solide. Für jeden Studenten ist es Pflicht, selbst zu singen. Wir wollen aber auch hier das Fach Musik stärken und ein Kompetenzzentrum Musikalische Bildung Brandenburg aufbauen. Denn es ist doch so: Im Ranking aller Fächer liegt Musik als „weiches Fach“ weit hinten. Dabei sind diese Lehrer der Goldstaub. Denn mit gutem Musikunterricht erreicht man den Menschen. Das wird im Hinblick auf inklusiven Unterricht immer wichtiger.

Das Interview führte Grit Weirauch

Birgit Jank, Jahrgang 1956, studierte Musik auf Lehramt und „Chanson“ an der Berliner Hochschule „Hans Eisler“. Seit 2004 ist sie Professorin für Musikpädagogik an der Universität Potsdam.

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