zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Made in GDR – Purimix und Fön Karina

Rund 500 Geräte zeugen in einer Ausstellung am Bahnhof vom DDR-Alltag

Purimix – der DDR-Allzweck-Staubsauger konnte mehr als jedes Gerät aus der Westwerbung: Mit dem Multifunktionsgerät konnte die ostdeutsche Hausfrau nicht nur den Schmutz aus den Ecken holen und bohnern. Gleich nach dem Groß-Reinemachen konnte sie mit der Universalmaschine Kaffee mahlen, Fleisch zu Hack drehen oder Milchshakes herstellen. „In wenigen Sekunden“ bereite Purimix „mit seinem stählernen Messerkreuz aus Gemüse und Früchten köstliche Speisen und Getränke“ warb der Hersteller „VEB Elektrowärme Altenburg“. Dafür mussten Nutzer oder Nutzerin lediglich die entsprechenden Aufsätze an einen normalen „Omega“-Staubsauger schrauben.

1956 wurde das Haushaltswunder auf der Leipziger Meistermesse vorgestellt. Seit gestern steht es nun in den Bahnhofspassagen. Denn bis zum 3. September gastiert dort die Wanderausstellung „Haushalttechnik – Made in GDR“ von „Pro Chemnitz“. Mehr als 500 Exponate zeugen vom DDR-Alltag. Vom ersten Geschirrspüler der DDR bis zum Fleischwolf – Produkte von 1945 bis zur Wende 1989. Die Organisatoren Siegfried Renner und Ute Fritzsche zeigen kugelrunde futuristische Staubsauger, elegante, chromglänzenden „Lava“-Toaster genauso wie Föne mit Namen Karina und Christina und Plaste-Hennen- Eierbecher und kuriose Erfindungen wie den „Rönsch-Glasherd“ aus den 60ern, an dem laut Renner sich die Köche ständig die Finger verbrannten.

Die Ausstellungsstücke liegen dabei nicht nur in Vitrinen, sondern sind in extra aufgebaute DDR-Küchen und -Wohnzimmer integriert. Und während sich heute auf der DDR-Geräte-Schau die Besucher um den sozialistischen Mehrzweck- Staubsauger scharen, sei dieser „ein absoluter Flop“ gewesen, als er auf den Markt kam, so Renner. Trotz „Gütezeichen 1“, einer „Saugleistung von 680 mm WS-Unterdruck“ und zwölfmonatiger Garantie. Eigentlich sollte das zusammenschraubbare Gerät Frauen die Hausarbeit erleichtern, so Renner. Denn hauptsächlich diese kümmerten sich um Heim, Herd und Wäsche. 80 Prozent der Hausarbeit würden von ihnen erledigt – und zwar neben dem Beruf. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, in der 1952 nur 25 Prozent der Frauen eine Arbeit haben, sind im Osten ein Jahr später bereits fast 43 Prozent der Frauen „werktätig“, um die „sozialistische Ökonomie zu stärken“. 1959 sogar schon 45 Prozent. Rund 15 Milliarden Stunden Arbeit verrichteten sie nach Feierabend daheim – so das Ergebnis einer Untersuchung des Leipziger Marktforschungsinstituts 1972. Trotzdem sei der nach Hersteller-Angaben „vielseitige Helfer der Hausfrau“ Purimix laut Renner bei seiner Zielgruppe nicht gut angekommen. Die Frauen hätten es „eigenartig“ gefunden, mit ein und dem selben Apparat Staub zu saugen und Essen zuzubereiten. Zudem habe er mit 326,50 Mark so viel gekostet, wie ein DDR-Bewohner durchschnittlich im Monat verdient hat. Und so sei die Produktion gleich wieder eingestellt worden, sagte Renner gestern bei einer Ausstellungsführung. Das Ehepaar Helga und Klaus Schackner haben sich den Purimix dennoch gekauft. Ein ganzes Jahr haben die beidenPotsdamer damals darauf gespart, erinnert sich Helga Schackner. 20 Jahre lang leistete der Apparat dafür treue Dienste in der Küche und auf dem Teppich. Zum Schluss habe ihr Mann damit das Auto gesaugt, erzählt sie. Wie die Schnackner erkennen viele der ersten Besucher Möbel, Geschirr und Geräte wieder. „Sieh mal da, das hatten wir auch“ oder „Weißt Du noch?“ wird überall geraunt. Klaus Rensch etwa hat jahrelang beim Frühstück auf den gleichen roten Küchenstühlen gesessen, die jetzt in der Schau vom vergangenen DDR-Alltag zeugen. Er müsse beim Anschauen oft lächeln, so der 64-jährige Potsdamer Rensch. Er habe die Zeit ja „voll erlebt“. Da würden Erinnerungen wach. Etwa an die Ferienreisen an die Ostsee, in den Harz oder Thüringer Wald. Denn die Urlaubsbilder hat Rensch mit dem gleichen Fotoapparat der Marke Beiretta geschossen, wie der, der nun im Einkaufscenter am Bahnhof ausgestellt ist. Insgesamt konnten die Ausstellungsmacher seit 1992 über 1000 Alltagsgegenstände sammeln. Neben der Haushaltstechnik- Schau organisieren die derzeit 26 Mitarbeiter fünf weitere Ausstellungsprojekte, darunter auch die Uraubs-Schau, die 2005 in Potsdam gezeigt wurde.

Und einige der ausgestellten DDR-Reliquien sind in manchen Wohnungen immer noch in Gebrauch: „Da, die Mulinette habe ich auch“, ruft Helga Schackner plötzlich und zeigt auf einen orange farbenen Mixer. „Mit dem mache ich meine Möhren“. „So geht es uns mit vielen Exponaten“, meint Kurator Renner. „Die Leute wollen sie uns nicht geben“, so Renner. „Die funktionieren ja noch“ höre er öfter.

Juliane Wedemeyer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false