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Spirituelle Wesen. An Engel glauben heute mehr Menschen als an Gott.

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Homepage: Zwischen Lichtgestalt und Kitsch

Der Religionswissenschaftler Johann Hafner über den Imagewandel der Engel

Im Advent scheinen sie allgegenwärtig zu sein, aber auch in der übrigen Zeit des Jahres tauchen Engel immer wieder auf. Kleine Mädchen schmücken sich gern mit schillernden Engelsflügeln. Engelsfiguren und -schmuck gibt es zu allen Jahreszeiten. Auch die Werbung hat die perfekt erscheinenden Lichtwesen für sich entdeckt, um Schmuck, Mode und Parfum anzupreisen. Was genau sind eigentlich Engel und wieso sind sie auch beim modernen Menschen so beliebt? Mit diesen Fragen befasst sich der Potsdamer Religionswissenschaftler Johann Hafner schon seit Jahren. In der vom Verein „proWissen“ organisierten Reihe „Potsdamer Köpfe“ schlug er nun einen religions- und kunsthistorischen Bogen von der Antike bis zur Gegenwart, um dem Imagewandel der Engel auf die Spur zu kommen.

Das Bild, das sich Menschen von Engeln machten und machen, hat viele Facetten: Monsterwesen, Lichtgestalt, Schutzengel, Überbringer von Botschaften, Mittler zwischen dem Profanen und dem Allerheiligsten sowie Überwinder von Raum und Zeit. Kein Wunder, dass ein so vielgestaltiges Wesen viele Anhänger findet. „Alle Religionen haben Engelsvorstellungen“, sagt Hafner. Je nach Glaubensrichtung nähmen die geistigen Wesen unterschiedliche Gestalt an, ihre Rolle als Mittler sei jedoch allen Glaubensrichtungen gemeinsam.

„Fragen nach dem Leben und dem Tod sind eng mit den Engeln verbunden“, so Hafner. Die zunehmende Präsenz von Engeln, etwa als Figuren auf Friedhöfen oder in Todesanzeigen, spiegele dies deutlich wider. Hafner verwies auch auf Potsdams „Skandalengel“ auf der Grabstätte der Familie Joop auf dem Bornsteder Friedhof. Seiner Meinung nach eine ungewöhnliche, aber gelungene Darstellung.

Die Auseinandersetzung mit den rätselhaften Lichtgestalten nehme seit den 90er Jahren zu: In großen Buchhandlungen finden sich in den Abteilungen Religion, Lebenshilfe und Esoterik ganze Regale voll mit Engelsliteratur. Umfragen belegen, dass derzeit mehr Menschen an Engel glauben als an einen persönlichen Gott. Hafner sieht darin die wachsende Bereitschaft der Menschen, sich wieder spirituellen Fragen zuzuwenden. In den 70er Jahren sei das noch ganz anders gewesen: „Engel waren der moralische Rest von Religion.“ Die Kirche sei damals von vielen auf ihre Rolle als Wertevermittler reduziert worden.

Menschen, die an die Existenz von Engeln glauben, denken fast ausschließlich an den Engel als Schutzengel. Historisch betrachtet ist das nur ein winziger Ausschnitt der Engelskarriere. Aussehen und Aufgabe der Engel änderten sich im Laufe der Jahrtausende. Um 700 vor Christus entstanden Figuren am Palasteingang des mesopotamischen Königs, die nur entfernt an die heute üblichen Engel erinnern. Es handelte sich um kräftige Stiere mit Menschenkopf und Flügeln, die die königliche Macht unterstreichen sollten und, so Hafner, die Funktion von Bodyguards hatten. Im Christentum finden sich erste Engelsschilderungen im Alten Testament. Die Propheten Jesaja und Ezechiel beschreiben ihre Visionen vom sich öffnenden Himmel.

Da Gottes Bild nicht beschrieben werden durfte, konzentrierten sie sich auf die Darstellung der ihn einrahmenden Lichtwesen. Sechsflügelige menschenähnliche Wesen, die in der Hierarchie der Engelschöre ganz oben stehen. Diese Seraphim waren nicht zu verwechseln mit den Cherubim, Flügelwesen mit einem Menschen-, Adler, Stier- oder Löwenkopf, die die vier Evangelien symbolisierten.

Die Gestalt der Engel wandelte sich auch in der Malerei. Erst im Barock wurden die Engel verniedlicht und mit kindlichen Körpern dargestellt. In der oft beschriebene Fähigkeit der Engel, Raum und Zeit zu überwinden, sieht der Religionswissenschaftler, Theologe und Angelologe Hafner eine interessante Parallele zur Quantenphysik. Wenn es um Engel geht, wagt Hafner gern den Perspektivenwechsel. Er beschränkt sich nicht auf die im Christentum positiv besetzten drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael, sondern zeigt auch die dunkle Seite mancher Lichtgestalten.

So sei die Idee, den frommen Hiob mit lauter schlimmen Ereignissen auf die Probe zu stellen, von einem der Göttersöhne, dem Ratgeber Gottes, gekommen. Der Hauptankläger im göttlichen Gerichtshof war der Engel Satan. Nach christlichem Verständnis wurde Satan später wegen seiner Rebellion gegenüber Gott aus dem Himmel gestürzt. Dieser Engelssturz sollte die Existenz von Dämonen erklären, ohne dass diese mit Gott identifiziert werden konnten.

Maren Herbst

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