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Steffi Pyanoe verrät, was auf Potsdams Märkten in den Korb gehört – jeden Samstag in den PNN: Zu schade für die Knallbüchse

Die Erbse würde heute glatt als eine Mogelpackung enttarnt: Viel Verpackung, wenig drin. Die flaschengrünen Schoten vom Markt sind zehn bis 15 Zentimeter lang, dick, voluminös und leicht.

Die Erbse würde heute glatt als eine Mogelpackung enttarnt: Viel Verpackung, wenig drin. Die flaschengrünen Schoten vom Markt sind zehn bis 15 Zentimeter lang, dick, voluminös und leicht. In manchen klappert es, wenn man sie schüttelt. Sie sind also nicht leer. Zu Hause wird die Schote aufgebrochen, an der Seitennaht platzt sie beinahe von selbst, dort hat sie so etwas wie eine Aufreißlasche, einen Reißfaden. Und endlich sieht man, was drin ist: fünf bis zehn hellgrüne Erbsen. Sie hängen an ihren dünnen Zweiglein wie an Nabelschnüren und purzeln, wenn sie reif sind, meist von selbst aus ihrer Hülle. Die Markerbse, sagt Gärtnerin Annette Mey aus Bornim, ist die, bei der es tatsächlich um das Ernten der Erbsen geht. Anders als bei der Zuckerschote, jener flachbrüstigen Anverwandten, die im Ganzen gegessen wird. Aus dem Asia-Wok zum Beispiel. Einmal geschwenkt und sie ist gar.

Auf dem Feld in Bornim wächst die Markerbse. Auch andere Händler haben sie derzeit im Angebot, aber man muss schon suchen. Sie hat eher wenige Anhänger, diese aber wissen genau, was sie erwartet: Um davon eine Mahlzeit zusammenzubekommen, braucht es geduldige, fleißige Hände. Erbsen Pulen, das war oft Großmutter-Arbeit, aber keine unangenehme. Die Schoten sind trocken und sauber und naschen kann man auch. Rohe Erbsen schmecken süß. „Ich habe eine Kundin, die kauft jeden Morgen ein Pfund Schoten und isst sie dann im Büro, wie Schokolade“, sagt Annette Mey.

Auch weil diese Schote so ein verrücktes Unikum ist, baut sie sie gerne an. Die Pflanze ist ein ziemlich verhakeltes, rankendes Ungetüm, das im Frühjahr mit seinen weißen und rosa- bis lilafarbenen Schmetterlingsblüten zudem sehr hübsch aussieht. Das Ernten ist allerdings nicht ganz einfach, sagt Mey, man muss sehr aufpassen, dass man die Schoten in dem Wirrwarr findet und erwischt, solange sie jung sind. Was zu lange dran bleibt, wird trocken.

Es muss eine sehr trockene Erbse gewesen sein, die im Märchen die „Prinzessin auf der Erbse“ quälte, sodass sie ganz gerädert von dem Erbslein unter dem Matratzenberg aufwachte. Ebenfalls von Hans Christian Andersen stammt das Märchen „Fünf aus einer Schote“. Über die großen Träume von fünf Erbsen – „Ich möchte nur wissen, wer von uns es am weitesten bringen wird,“ – und ihr wirkliches Schicksal, nachdem sie von Kinderhand aus der Schote geholt worden waren. Andersen, der Naturbeobachter, lässt sie unter anderem in einem Taubenkropf und einer Knallbüchse landen. Die kleinste aber schafft es in eine Dachrinne, wo sie wurzelt, wächst und blüht und das kranke Mädchen in der Dachkammer erfreut – eine wunderbare Liebeserklärung.

Die Erbsen in der Küche kommen heute meist aus der Tiefkühltruhe oder, leider, aus der Dose. Jahrzehnte fristete die Erbse als Teil vom Mischgemüse zudem ein eher dröges Dasein. Dabei ist sie, einmal gepult – man muss sie nicht mal waschen oder schnippeln – so einfach zuzubereiten: Ab ins kochende Wasser, drei Minuten, und wenn man etwas Natron hinzugibt, bleibt die Farbe frisch. Wer keinen ganzen Kochtopf voll schälen will, schmeißt eine Handvoll in die Gemüsepfanne oder ins Risotto. Die Erbse ist zudem ein Favorit auf dem Kinderteller: Übersichtlich, ohne Überraschung und schnell mit zwei Fingern in den Mund gesteckt.

Gibt’s auf dem Markt auf dem Weberplatz und Bassinplatz. Gezeichnet wurde die Erbse von der Potsdamer Künstlerin Heike Isenmann.

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